Thema:
Mein Fazit als fanatischer Phile - Carter, lass es bitte flat
Autor: Finn
Datum:23.03.16 20:57
Antwort auf:Oh Gott, oh Gott, oh Gott!!! Akte X kehrt zurück!!! von Finn

und gib das Zepter ab. The X-Files braucht einen neuen kompetenten Showrunner.

Also zunächst mal: Ich bin happy, dass Mulder und Scully zurück sind. Das Duo ist mir ans Herz gewachsen.

Hat das Serien-Event meine Erwartungen erfüllt? Ja und nein.
Wenn man nur sechs Folgen hat, müssen die sitzen. Allesamt. Und sie müssen den Charakteren gerecht werden. Während ich die Folgen 2 (FM), 3 (Were-Monster) und 4 (Home Again) so richtig, richtig gut finde und mich dabei in die alten Zeiten versetzt fühle, kranken die von Chris Carter geschriebenen Episoden an den meiner Meinung nach schlimmen Fehlern aus IWTB.

Und ein weiteres großes Problem kam sogar noch dazu: Chris Carter will nicht bloß zu viel bei zu wenig Sendezeit, nein, er versteht seine Charaktere sogar nicht mehr. In neun Staffeln haben wir Scully als überzeugte Wissenschaftlerin kennen gelernt, mit einer nahezu felsenfesten, unerschütterlichen Überzeugung. Ihr Glaube an die Wissenschaft aber auch das Göttliche als Überirdisches mach diesen Charakter so komplex. Und sicher, sie hat nun auch vieles gesehen und erlebt, lässt sich im My Struggle-Zweiteiler aber viel zu leicht überzeugen und bewertet lediglich einen Milzbrand-Fall als den Beginn des Ausbrauchs einer globalen Seuche. Während Mulder in Teil 2 unterwegs ist, muss sie die Rolle des Believers einnehmen (das war schon in Season 8 und 9 merkwürdig) und leistet sich, auf eingehende Untersuchungen zu verzichten.

Mulder hingegen lässt seinen Laptop ungesichert herumstehen und seinen Aufenthaltsort via Locator-App orten (die abgeklebte Webcam hat dagegen super gepasst und wieder einmal gezeigt, dass man eben doch Wert auf Details legt, das aber dann noch nicht mehr so genau nimmt, wenn es der Fortführung der Handlung dienlich ist). Wir erinnern uns an die Kimmel-Persiflage. In welcher Mulder das Smartphone an die Wand donnert, weil er Angst hat, geortet zu werden. Ehrlich? Wenn die Macher einer Parodie den Charakter besser erfassen als dessen Erfinder, ist was im Argen.

Ebenso Monica Reyes. Ja, es ist ein netter Twist, aber gemessen an der Charakter-Stärke und ihres Auftretens in Season 9 auch ihren Vorgesetzten gegenüber leider ebenfalls out-of-character (ooc).

Ich könnte hier alles sehr viel ausführlicher handhaben, werde aber eh schon zu lang und ein akuter tldr-Fall, weswegen ich jetzt ganz schnell zu Babylon komme. Und oh my. Sicher, Mulder auf Mushrooms ist ganz nett. Aber das alles hat ein Geschmäckle. So als hätte Carter das brillante Script von Darin Morgan gelesen und bloß gedacht: Will ich auch. Kann ich auch. Kann er nicht. Mal abgesehen davon, dass das sonst so gesellschaftskritische Akte X (großartig in FM, Were-Monster und Home Again eingeflochten) seinem Publikum die Leviten liest, bekommen wir Muslime als Klischee-Terroristen vor dem Herrn präsentiert. Schließlich verliert sich ein toller, ernsthafter Strang in LSD-Farben und zieht die gesamte Story der Episode ins Lächerliche. Wie IWTB ist Babylon vollkommen überfrachtet: Terrorismus und Muslime, Scullys Verlust und der daraus entstehende Wille, ein grenzwissenschaftliches Experiment zu wagen, Generationen-Konflikte und Ebenbilder, Shroomtrip, Liebe vs. Hass/Mutter-Familienliebe plus Mulders und Scullys mehr als ambivalente Beziehung samt Händchenhalten. Von der ich mir nicht sicher bin, ob sich Carter überhaupt sicher ist, in welche Richtung er da will. Fan-Service gab's jede Menge. Aber vielleicht auch zu viel des Guten.


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