Thema:
Re:Enttäuscht (SPOILER) flat
Autor: heffer
Datum:16.01.16 07:06
Antwort auf:Re:Enttäuscht (SPOILER) von Wurzelgnom

>>Es gibt am Anfang eine Szene, in der man Andrew aus der Ferne am Ende eines Flures Schlagzeug spielen sieht. Das ist eine wunderbare Aufnahme, die ohne ein einziges Wort Andrew als fleißigen Einzelgänger darstellt und sogar schon seinen zunehmenden Tunnelblick andeutet.
>
>ja die Szene ist gut, aber sie zeigt halt nicht sein Können auf dem Zenit.
>Das sieht man erst NACH Fletchers "Behandlung".
>
>>Ich weiß nicht, wie ein Film noch deutlicher und eleganter zeigen kann, dass Andrew sowas wie einen "Arschtritt" nicht braucht, um sich zu motivieren. Fletcher will etwas ganz anderes von Andrew, das wird hier deutlich und später sogar noch explizit gesagt.
>
>verstehe ich nicht. Er hat es doch alleine nicht geschafft Whiplash zu bändigen.
>Erst mit Fletcher der ihm noch das letzte Fünkchen Talent rausgepresst hat.
>

Ok, Missverständnis. Als ich "manche brauchen den Arschtritt" las, dachte ich an Menschen mit Motivationsprobleme, Lethargie, Faulheit. Dazu gehört Andrew ganz offensichtlich nicht. Aber das wolltest du auch nicht sagen, wie ich deinen folgenden Zeilen entnehmen kann.

Und ja, Fletcher holt das Maximum aus ihm raus. Andrew übt schon vorher hart, ist motiviert, hat einen eigenen "Flow" entwickelt. Aus diesem zieht ihn Fletcher erstmal raus, zeigt ihm einen neuen Weg, der da heißt: Mehr Druck, mehr Arbeit, mehr Schmerz. Und das geht im Film tatsächlich voll auf.

>sehe ich anders.
>Du kannst nicht eine Lehrmethode auf Alle anwenden und das ist dann super.
>Es gibt nicht DEN Turnschuh.
>Der Eine rennt mit Adidas den Weltrekord, der Andere mit Nike.
>

Alles richtig. Ich stelle das "Training" von Fletcher auch nicht in seinen Einzelheiten in Frage, sondern nur grundsätzlich in seiner Intensität. Nein, Moment, selbst das muss ich korrigieren. Jeder Mensch kommt mit einer anderen Intensität zurecht, wirst du wahrscheinlich (sehr zu Recht) sagen.

Ich bezweifle vielmehr, dass die EMOTIONEN, die Fletcher (ganz bewusst) in Andrew auslöst, zielfördernd sind. Und insofern kann ich deiner "jeder Jeck ist anders"-Argumentation nicht folgen.  Was das Verhältnis zwischen Leistungsfähigkeit und innerem Druck angeht, unterscheiden sich Menschen nicht so sehr. Zumindest wird das Turnschuh-Sortiment da schon erheblich kleiner.

Insoweit bin ich auch noch in einem anderen Punkt anderer Meinung als du und Droog. Ich halte Andrew für mindestens (!) genauso wichtig wie Fletcher für den Film. Es geht eben nicht nur darum, was Fletcher tut, sondern auch gerade darum, was er damit in Andrew auslöst. Wie er ihn anfangs zum Weinen und dann später zur Weißglut bringt. Große Teile der Geschichte spielen sich allein in Andrews Gesicht ab.

>Du DENKST du bist super, wer sagt dass es nicht einen Trainer gibt, der mit welcher Methode auch immer, aus dir noch mehr herauskitzeln kann?
>

Klar. Ich würde auch nie behaupten, dass ich in irgendeiner Weise ausgelernt habe. Aber zumindest weiß ich aus Erfahrung, was nicht (so gut) funktioniert.

>das klingt doch gut.
>Aber ich denke du tust dem Film unrecht weil du zuviel hineininterpretierst.
>IMO wird nirgends behauptet dass es DIE Methode ist.
>Der Film legt den Fokus auf den außergewöhnlichen Charakter Fletchers und zeigt auch nicht dass Fletchers Methoden allgemeingültig sind.


Das sehe ich anders. Ich hatte doch stark den Eindruck, dass Whiplash genau so verstanden werden will. Ein großer Teil der Fans von Whiplash findet es ja gerade toll, dass der Film genau gezeigt hat, "wie mans machen muss", wenn man "nach ganz oben" will. Ob das von den Machern tatsächlich so beabsichtigt war, weiß niemand außer ihnen selbst, aber darauf kommt es auch nicht an.

>Daher muss es keine Gegenseite geben die zeigt dass es auch anders geht.
>Zum einen wäre das langweilig (du spielst aber super Paulchen, hier ein Keks), zum Anderen würde es den Film nur unnötig in die Länge ziehen.


Himmel, ich will dem Film doch nicht sein Kammerspiel kaputt machen. Ein guter Regisseur (und genau das ist Chazelle) schafft sowas mit einer einzigen Szene, vielleicht sogar beiläufig während einer anderen Szene. Im Übrigen war das nur ein Vorschlag, wie man die Anstrengung=>Leistung-Formel relativieren kann. Es geht auch ganz anders. Etwa indem man Andrew am Ende scheitern lässt. Aber auch das ist nur ein Beispiel, das mir ohne großes Nachdenken einfällt. Es gibt vermutlich tausend andere und bessere.


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