Thema:
Mad Max Fury Road ist wie Tiramisu flat
Autor: Masakari
Datum:23.09.15 00:16
Antwort auf:Mad Max Fury Road: Trailer von odst-soldier

Ein lieblich angerichteter kleiner Teller wird euch serviert. Ihr seid entzückt, traut euch gar nicht, die Kuchengabel zu greifen und einen Bissen zu probieren. Lieber holt ihr euch ein Stück Erinnerung in die Gegenwart. Wie war das beim letzten Mal? So kühl. So roh. So samtig weich. Eine Welt voller Gegensätze komprimiert zu mundgerechten Happen. Eine Explosion aus Sahne und Kaffee.

Dort steht er nun. Ein zur Realität gewordener Tagtraum. Er muss euch gar nicht bitten, näher zu kommen. Das macht ihr schon von selbst. Der Sog ist stark, stärker als sämtliche eurer Zweifel. Wird es meinen Erwartungen gerecht? Ihr beisst hinein. Und müsst gleichzeitig vor Erleichterung ausatmen. Es schmeckt wie Vergangenes, nur zu neuer Farbenpracht erblüht. Ein Bouquet unterschiedlichster Sinneseindrücke droht euch wie ein reißender Strom mitzuziehen. Ihr gebt nach. Der Teller ist leer.

Doch bevor ihr in nachdenkliche Schwermut verfallen könnt, entdeckt ihr mehr. Es war keine einmalige Verschmelzung von Damals und Jetzt. Keine gustatorische Singularität. Vor euch ausgebreitet ist ein ganzer Tisch voller kleiner Teller. Und auf jedem dieser Teller ruht, in freudiger Lethargie, ein Tiramisu. Ihr könnt nicht fassen wie gut es das Schicksal mit euch meint. Durchflutet von Euphorie packt ihr die zuvor achtlos zu Tische fallen gelassene Gabel und nehmt, einer Eroberung gleich, den nächstgelegenen Teller. Der Unglaube, eure Errungenschaft sei echt und ein Teil des euch zugänglichen materiellen Diesseits, entweicht aus euch genauso schnell wie euch das Tiramisu füllt. Erfüllt.

Die Zeit heilt alle Wunden. Sagt man. Die Zeit kann aber noch wesentlich mehr.

Die anfänglich übermächtige Erregung, das Zittern eurer Hände, die geweiteten Pupillen. All das verblasst. Die Teller mit ihrer wertvollen Fracht kommen und ziehen wieder leer von dannen. Ihr wähntet euch einst im Glück. Dabei ist es erst einen gefühlten Lidschlag von euch entfernt. Diese heile Welt. Wäre sie nur ein Hauch, ein flüchtiger Gedanke geblieben. Ihr wollt nicht mehr. Eure Gedanken haben längst reißaus genommen. Getrieben von einem nicht-existenten Dämon verrichten Hand und Mund die immer gleichen monotonen Bewegungen. Ihr nehmt auf, was euch dargereicht wird. Das Kauen habt ihr schon lange eingestellt.

Und plötzlich hört es auf.

Stille.

Ein Zucken. Der Lebenswille, ihr hattet vergessen wie er sich anfühlt, kriecht in euch wie in eine verlassene Hülle. Kommt jetzt der Abwasch? Darf ich gehen? Bitte?

Der Tisch. Er füllt sich wieder. Mit den gleichen Tellern. Den gleichen Portionen Tiramisu. Eure Pupillen weiten sich, das Zittern kommt zurück. Doch anders als zuvor. Alles Sirenenhafte ist fort. Nur noch Tristesse. Tiramisu, ihr könntet kotzen. Euch packt die Wut. Aber sie verglüht ungesehen. Ihr seid zu schwach zu rebellieren, vollends aufzustehen. Eure Kraft hat euch verlassen. Ihr sackt auf euren Platz. Gebrochen. Was ihr nicht wisst, was ihr nicht wissen konntet, das groteske Schauspiel hat zwei Akte.

Ihr sitzt da. Eure Hand führt den Löffel zum Mund. Die immer gleiche Bewegung. Monoton.

~ Fin ~


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