Thema:
Super Text von Dir! Danke! Und... flat
Autor: thestraightedge
Datum:05.07.04 20:45
Antwort auf:so ganz unpassend find ich den nicht von token

... ich bin (zum Glück) definitiv nach ca. 12 Jahren Videospielen und 5 Jahren
sammelns immer noch weit davon entfernt, den Schritt zu machen, mich vom
Balast zu befreien.

Deine Schilderungen waren jedoch herrlich. Von Texten wie diesen lebt dieses
Forum, nicht von Besserwissertum und System-Wars.

Danke!

Gruss
t
s
e

>Naja, ich selbst hab noch nie so richtig extrem gesammelt, aber wenn ich
darüber nachdenke wie ich mich beim Sammeln verhalten habe und wie ich
körperlich darauf reagiert hab, kann ich mir gut vorstellen dass es da Leute
gibt die regelrecht abstürzen.
>
>Im Endeffekt übt da ein Trieb Kontrolle über dich aus, von dem du denkst

dass 'du' die Kontrolle über ihn ausübst. Dein Körper versorgt dich mit
Endorphinkicks und im Gegensatz dazu büßt du einen Teil deiner
Lebensqualität ein, ohne dass du es je zugeben würdest oder selber merken
könntest. Erzähl mal einem Alki, er sei Alki, ich find das gar nicht unähnlich.
>
>Ich kann mir schon vorstellen dass sich dadurch einige Leute auf den

Schlips getreten fühlen, aber aufgrund persönlicher Erfahrungen finde ich
diese Vergleiche gar nicht mal abwegig.
>
>Habe selbst alles was zum Thema Konsolen reinkam gesammelt, meine

Spiele schön im Regal aufgestellt, PC-Spiel-Schachteln auf dem Regal, alle
Videospielmags archiviert, meine CD-Sammlung auf der Fensterbank, und
später kamen dann noch, ganz schlimm, DVDs dazu.
>
>Schließlich endete es darin dass ich einen Großteil meines Geldes für all

diese Sachen ausgab, manchmal kaufte ich mir etwas nur um einfach mal
wieder was neues zu kaufen, gar nicht mal weil jetzt was rausgekommen war
was ich unbedingt wollte. Erst kam der Entschluss, jetzt kommt ne neue
DVD,CD,Spiel etc., welches es dann wurde entschied ich im Geschäft, dann
nahm ich auch "immer" etwas mit, auch wenn mich das Produkt nicht wirklich
100% überzeugen konnte.
>
>Irgendwann kam dann ein Umzug in eine größere Wohnung der aber mit

vielen Problemen einherging, Ärger mit dem Vermieter, Absprung des
Nachmieters, Nachzahlungen für Strom und Nebenkosten in nie erwarteter
Höhe etc.
>Dummerweise war der Umzug eh schon halb auf Kredit gebaut und nun
brauchte ich wirklich Geld und musste nachdenken woher ich es nehme.
>
>Schnell fasste ich natürlich die Sammlungen ins Auge und musste in eine

ernsthafte Auseinandersetzung mit mir selbst weil ich die Sachen natürlich
nicht verkaufen wollte.
>Doch schließlich siegte die Vernunft, ich machte mir klar dass diese ganzen
Dinge so gut wie nie wieder angerührt werden und nur blöde rumstehen. Das
war der erste Schritt und schnell war ich dabei auszusortieren was ich
behalten möchte, und was davon weg kommt.
>
>Je mehr zusammenkam von dem ich mich emotional getrennt hatte, desto

einfacher wurde es sich von anderen Dingen zu trennen, die ich erst behalten
wollte.
>Schließlich haute ich meine kompletten Sammlungen an Spielen, DVDs, und
alten Konsolen raus. Zudem noch die ganzen Taschenbücher und Bücher die
ich bis dato behalten habe. Meine Magsammlung behielt ich da ich der
Meinung war dafür keinen vernünftigen Preis zu erhalten, die Musik-CDs
behielt ich auch.
>
>Auf dem Flohmarkt ging dann auch alles weg wie geschnitten Brot,

schließlich verkaufte ich genau die Sachen welche die Leute normalerweise
am liebsten behalten und die man eher selten auf Flohmärkten findet.
>Im Vorfeld hatte ich damit gerechnet eher traurig zu werden, mit einem
Gefühl des Bereuens. Erstaunlicherweise war es aber ganz einfach und eher
befreiend. Ich hatte nachher wirklich das Gefühl mir sei eine Last von den
Schultern genommen worden.
>Bestätigt wurde das Gefühl auch durch die Tatsache dass ich ursprünglich
ein vielfaches an Knete dafür ausgegeben hatte verglichen mit dem was ich
dafür bekam, und ich fragte mich welchen Sinn diese Sammlerei gehabt hatte.
>
>Im weiteren Verlauf wurde ich mir der Vorteile dieser neuen Freiheit klar, ich

hatte mehr Geld in der Tasche, mehr Platz in der Wohnung und im Kopf, mehr
Zeit und weniger Arbeit. Am WE nahm ich mir nen Karren und brachte meine
Gamemags zum Altpapier. Wozu sollte ich die behalten? Es gab jeden Monat
eine neue und in die Alten schaute ich nur mal so der Erinnerung wegen rein,
aber diesen Effekt konnte ich auch kompakt in einem Buch ala 'Wir waren
Space Invaders' haben. Also weg damit.
>
>Dann kaufte ich mir CD-Koffer und krallte mir meine CD-Sammlung die ich

mir da aufgestellt hatte. Booklet und CD kamen in den Koffer, die
Plastikhüllen ins Recycling.
>Schön, wieder mehr Platz, weniger Staubwischen und äußerst praktisch. Im
weiteren Verlauf habe ich versucht mich von allem zu trennen dass eine
krankhafte Konsumkontrolle über mich ausübte.
>
>Heutzutage kaufe ich mir gar keine DVDs mehr. Wenn ich etwas sehen

möchte geh ich zur Videothek.
>Behalten werden nur Spiele die man auch immer wieder spielen kann,
vornehmlich Multiplayergames. Alles was man durchzocken kann kommt
weg, ich würde es in 90% der Fälle eh nicht wieder rausholen, und wenn doch,
pfeif drauf.
>Ich fühle mich auf jeden Fall sehr viel besser seitdem ich mich von diesem
Sammeltrieb entkoppelt habe. Zudem hab ich das Gefühl die damit
verbundenen Hobbys viel entspannenter und ohne innere Zwänge ausüben zu
können.
>
>Im Endeffekt kann ich nur sagen, dass ich mir ganz gut vorstellen kann dass

das, was da im Artikel geschildert wird bei vielen Menschen in Deutschland
zutrifft, nicht nur bei Leuten die Spiele sammeln, Sammler gibt es für jeden
Scheiß, an sich ist es ja auch wirklich total unwichtig was man sammelt, die
Sammler von Videospielen konsumieren den Großteil der erworbenen Güter ja
nicht, sondern stellen ihn ins Regal, da ist es doch im Endeffekt nicht wichtig
ob es ein seltener Bierdeckel oder ein eingeschweißtes Spiel ist, es handelt
sich um dieselbe Art von Sucht und Faszination die dadurch ausgeübt wird.
>
>Zwei Dinge die ich erlebt habe, haben mir womöglich auch geholfen so

leicht von diesen Sammeltrieb wegzukommen und die Sache etwas objektiver
zu sehen. Das eine war ein belauschtes Gespräch von zwei Sammlern, ich
weiß nicht mehr was die gesammelt haben, es war so etwas belangloses dass
ich es mir nicht merken konnte, aber gerade weil es so belanglos war, war ich
geschockt als sich aus diesem Gespräch herauskristalisiert hatte, dass es eine
große Bewegung von Leuten gibt die sich in Hallen treffen, um eben diese
belanglose Kacke auch noch untereinander zu tauschen und zu verkaufen.
>Ein weiteres Erlebnis war der Besuch eines internationalen Treffens von
Eiermalern. Eine bekannte war dort als Dolmetscherin tätig und ich schaute
mal rein. Was ich da sah empfand ich auch ein wenig krank, konnte die
Faszination die das bemalen von Eiern auf diese Menschen ausübte so gar
nicht verstehen, und es waren dort so verdammt viele und es erschien auch
sehr zwanghaft, ich meine: Warum Eier? Das ist doch ein denkbar
ungeeignetes Medium für Kunstwerke. Jedenfalls sieht man dann die ein oder
andere eigene Faszination auf einmal in einem anderen Licht.
>
>Nachdem ich mich von meinen Sammlungen getrennt hab kann ich mein

damaliges Verhalten vom jetzigen Standpunkt aus nicht mehr richtig
nachvollziehen, es erscheint mir sehr zwanghaft und auch etwas dümmlich,
denn aus dieser Ansammlung von Pappe und Plastik konnte ich nichts von
wirklichem Wert für mein Leben ziehen. Es fehlt mir nichts davon.
>Klar war ich glücklich wenn ich was neues hatte und es machte auch Spaß
die Sachen nach immer wieder neuen Kriterien zu sortieren, doch es gibt
wirklich besseres was man mit seiner Zeit anfangen kann.


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