Thema:
Verdächtig viele Parallelen kommen... flat
Autor: Wily
Datum:05.07.04 18:14
Antwort auf:so ganz unpassend find ich den nicht von token

...da zum Vorschein - ich hätte es besser nicht schreiben können.

*handreich*

Bei mir kam auch eher das Befreiungsgefühl anstatt der großen Reue. Auch wenn man sich anhört wie ein Ex-Alki, ist es doch schön, wenn es vorbei ist mit der extrem-Sammelei. IMO im nachhinein vollkommener Humbug aus Wertsteigerungs-Aspekten. Der ideelle Wert der verbliebenen wird aber wohl nicht erlöschen (somit ist immer noch eine Rest-Sucht vorhanden ^_^ ) und wird wohl auch bei mir verbleiben bis auf wenige Ausnahmen, die man irgendwann mal verkauft.


Wily



>Naja, ich selbst hab noch nie so richtig extrem gesammelt, aber wenn ich darüber nachdenke wie ich mich beim Sammeln verhalten habe und wie ich körperlich darauf reagiert hab, kann ich mir gut vorstellen dass es da Leute gibt die regelrecht abstürzen.
>
>Im Endeffekt übt da ein Trieb Kontrolle über dich aus, von dem du denkst dass 'du' die Kontrolle über ihn ausübst. Dein Körper versorgt dich mit Endorphinkicks und im Gegensatz dazu büßt du einen Teil deiner Lebensqualität ein, ohne dass du es je zugeben würdest oder selber merken könntest. Erzähl mal einem Alki, er sei Alki, ich find das gar nicht unähnlich.
>
>Ich kann mir schon vorstellen dass sich dadurch einige Leute auf den Schlips getreten fühlen, aber aufgrund persönlicher Erfahrungen finde ich diese Vergleiche gar nicht mal abwegig.
>
>Habe selbst alles was zum Thema Konsolen reinkam gesammelt, meine Spiele schön im Regal aufgestellt, PC-Spiel-Schachteln auf dem Regal, alle Videospielmags archiviert, meine CD-Sammlung auf der Fensterbank, und später kamen dann noch, ganz schlimm, DVDs dazu.
>
>Schließlich endete es darin dass ich einen Großteil meines Geldes für all diese Sachen ausgab, manchmal kaufte ich mir etwas nur um einfach mal wieder was neues zu kaufen, gar nicht mal weil jetzt was rausgekommen war was ich unbedingt wollte. Erst kam der Entschluss, jetzt kommt ne neue DVD,CD,Spiel etc., welches es dann wurde entschied ich im Geschäft, dann nahm ich auch "immer" etwas mit, auch wenn mich das Produkt nicht wirklich 100% überzeugen konnte.
>
>Irgendwann kam dann ein Umzug in eine größere Wohnung der aber mit vielen Problemen einherging, Ärger mit dem Vermieter, Absprung des Nachmieters, Nachzahlungen für Strom und Nebenkosten in nie erwarteter Höhe etc.
>Dummerweise war der Umzug eh schon halb auf Kredit gebaut und nun brauchte ich wirklich Geld und musste nachdenken woher ich es nehme.
>
>Schnell fasste ich natürlich die Sammlungen ins Auge und musste in eine ernsthafte Auseinandersetzung mit mir selbst weil ich die Sachen natürlich nicht verkaufen wollte.
>Doch schließlich siegte die Vernunft, ich machte mir klar dass diese ganzen Dinge so gut wie nie wieder angerührt werden und nur blöde rumstehen. Das war der erste Schritt und schnell war ich dabei auszusortieren was ich behalten möchte, und was davon weg kommt.
>
>Je mehr zusammenkam von dem ich mich emotional getrennt hatte, desto einfacher wurde es sich von anderen Dingen zu trennen, die ich erst behalten wollte.
>Schließlich haute ich meine kompletten Sammlungen an Spielen, DVDs, und alten Konsolen raus. Zudem noch die ganzen Taschenbücher und Bücher die ich bis dato behalten habe. Meine Magsammlung behielt ich da ich der Meinung war dafür keinen vernünftigen Preis zu erhalten, die Musik-CDs behielt ich auch.
>
>Auf dem Flohmarkt ging dann auch alles weg wie geschnitten Brot, schließlich verkaufte ich genau die Sachen welche die Leute normalerweise am liebsten behalten und die man eher selten auf Flohmärkten findet.
>Im Vorfeld hatte ich damit gerechnet eher traurig zu werden, mit einem Gefühl des Bereuens. Erstaunlicherweise war es aber ganz einfach und eher befreiend. Ich hatte nachher wirklich das Gefühl mir sei eine Last von den Schultern genommen worden.
>Bestätigt wurde das Gefühl auch durch die Tatsache dass ich ursprünglich ein vielfaches an Knete dafür ausgegeben hatte verglichen mit dem was ich dafür bekam, und ich fragte mich welchen Sinn diese Sammlerei gehabt hatte.
>
>Im weiteren Verlauf wurde ich mir der Vorteile dieser neuen Freiheit klar, ich hatte mehr Geld in der Tasche, mehr Platz in der Wohnung und im Kopf, mehr Zeit und weniger Arbeit. Am WE nahm ich mir nen Karren und brachte meine Gamemags zum Altpapier. Wozu sollte ich die behalten? Es gab jeden Monat eine neue und in die Alten schaute ich nur mal so der Erinnerung wegen rein, aber diesen Effekt konnte ich auch kompakt in einem Buch ala 'Wir waren Space Invaders' haben. Also weg damit.
>
>Dann kaufte ich mir CD-Koffer und krallte mir meine CD-Sammlung die ich mir da aufgestellt hatte. Booklet und CD kamen in den Koffer, die Plastikhüllen ins Recycling.
>Schön, wieder mehr Platz, weniger Staubwischen und äußerst praktisch. Im weiteren Verlauf habe ich versucht mich von allem zu trennen dass eine krankhafte Konsumkontrolle über mich ausübte.
>
>Heutzutage kaufe ich mir gar keine DVDs mehr. Wenn ich etwas sehen möchte geh ich zur Videothek.
>Behalten werden nur Spiele die man auch immer wieder spielen kann, vornehmlich Multiplayergames. Alles was man durchzocken kann kommt weg, ich würde es in 90% der Fälle eh nicht wieder rausholen, und wenn doch, pfeif drauf.
>Ich fühle mich auf jeden Fall sehr viel besser seitdem ich mich von diesem Sammeltrieb entkoppelt habe. Zudem hab ich das Gefühl die damit verbundenen Hobbys viel entspannenter und ohne innere Zwänge ausüben zu können.
>
>Im Endeffekt kann ich nur sagen, dass ich mir ganz gut vorstellen kann dass das, was da im Artikel geschildert wird bei vielen Menschen in Deutschland zutrifft, nicht nur bei Leuten die Spiele sammeln, Sammler gibt es für jeden Scheiß, an sich ist es ja auch wirklich total unwichtig was man sammelt, die Sammler von Videospielen konsumieren den Großteil der erworbenen Güter ja nicht, sondern stellen ihn ins Regal, da ist es doch im Endeffekt nicht wichtig ob es ein seltener Bierdeckel oder ein eingeschweißtes Spiel ist, es handelt sich um dieselbe Art von Sucht und Faszination die dadurch ausgeübt wird.
>
>Zwei Dinge die ich erlebt habe, haben mir womöglich auch geholfen so leicht von diesen Sammeltrieb wegzukommen und die Sache etwas objektiver zu sehen. Das eine war ein belauschtes Gespräch von zwei Sammlern, ich weiß nicht mehr was die gesammelt haben, es war so etwas belangloses dass ich es mir nicht merken konnte, aber gerade weil es so belanglos war, war ich geschockt als sich aus diesem Gespräch herauskristalisiert hatte, dass es eine große Bewegung von Leuten gibt die sich in Hallen treffen, um eben diese belanglose Kacke auch noch untereinander zu tauschen und zu verkaufen.
>Ein weiteres Erlebnis war der Besuch eines internationalen Treffens von Eiermalern. Eine bekannte war dort als Dolmetscherin tätig und ich schaute mal rein. Was ich da sah empfand ich auch ein wenig krank, konnte die Faszination die das bemalen von Eiern auf diese Menschen ausübte so gar nicht verstehen, und es waren dort so verdammt viele und es erschien auch sehr zwanghaft, ich meine: Warum Eier? Das ist doch ein denkbar ungeeignetes Medium für Kunstwerke. Jedenfalls sieht man dann die ein oder andere eigene Faszination auf einmal in einem anderen Licht.
>
>Nachdem ich mich von meinen Sammlungen getrennt hab kann ich mein damaliges Verhalten vom jetzigen Standpunkt aus nicht mehr richtig nachvollziehen, es erscheint mir sehr zwanghaft und auch etwas dümmlich, denn aus dieser Ansammlung von Pappe und Plastik konnte ich nichts von wirklichem Wert für mein Leben ziehen. Es fehlt mir nichts davon.
>Klar war ich glücklich wenn ich was neues hatte und es machte auch Spaß die Sachen nach immer wieder neuen Kriterien zu sortieren, doch es gibt wirklich besseres was man mit seiner Zeit anfangen kann.


< antworten >