Thema:
Na dann... (massiver Spoiler) flat
Autor: Jassi
Datum:09.03.24 18:21
Antwort auf:Re:Bitte bitte spielt es! von tHE rEAL bRONCO 2ND

Ich bin mit suicuiques Verweis auf die ludonarrative Harmonie des Spiel nicht ganz glücklich (auch wenn er im Prinzip recht hat), aber wo er wirklch voll ins Schwarze trifft ist der Satz "Play, don't tell".


Ich lass jetzt mal alles aus was das Spiel schon richtig macht und wo es auch kein Problem es im Coop zu spielen bzw. zu erfahren. "Show don't tell" (z.B. die Charakterisierung der beiden Protagonsiten) und Environmental Storytelling werden in diesem Spiel groß geschrieben und die Inszeninierung ist ein Träumchen.


Es geht letztendlich für mich um folgende Spielszene:

[https://www.youtube.com/watch?v=VmyCH5oKcAc&t=8990s]


Selbst für das geübte Videogamerauge ist hier jetzt nichts weltbewegendes passiert. Doch ich will nochmal kurz zusammenfassen, was im Vorfeld passiert ist:


Der jüngere Bruder ist durch das Ertrinken seiner Mutter traumatisiert und hat seit dem Angst zu schwimmen. Um aber ihren todkranken Vater zu retten machen sich beide Brüder auf einen Heiltrank zu besorgen, hier landen sie auch während einer Flucht im Wasser. Der ältere Bruder muss dabei den jüngeren ab jetzt in solchen Situationen huckepack nehmen. Kurz vor ihrer beiden Ziel verstirbt der Ältere, weil ihm seine Hornyness (ein Merkmal des Erachsenwerdens!) zum Verhängnis wurde.


Der kleine Bruder schafft es fast zurück, ist nun aber vor diesem - für ihn als traumatisiertes Kind - unüberwindbaren Hindernis gelandet.    


Für dieses Kind gilt es jetzt also seine Angst/Verzweiflung/Trauer zu überwinden indem der Spieler die Aktionstaste des älteren Bruders drückt.


Wie ein jeder diese Spielaktion interpretieren möchte, sei ihm selbst überlassen. Ist es der Geist des Bruders der da hilft oder ist es ein Zeichen von Adoleszenz oder dem Überwinden der Trauer, es gibt da in meinen Augen kein falsch. Ich kann für meinen Teil nur sagen, dass es in meinem Hirn in diesem Moment mal ordentlich gerattert hat (ich war u.a. auch sofort in Gedanken bei meiner jüngeren Schwester) und nachdem das Spiel mit einer durch und durch bitteren Klammer endete (man vergleiche End-und Anfangsszene), saß ich baff da, doch mein nächster Gedanke war: DAS war next level. Endlich!

Allegorien sind in sämtlichen Kunstformen gang und gäbe, hier aber haben wir eine die nur in Videospielform möglich ist....und die in meine Augen eben verloren geht, wenn man das Spiel im Coop zockt. Zumindest einer der Partner wird sich wundern wieso der jüngere Bruder jetzt plötzlich doch schwimmen konnte.  



Der Philisophieprofessor Sebastian Ostritsch geht in seinem Buch "Let's Play oder Game Over? - Eine Ethik des Computerspiels" auch auf "Brothers" ein.

[https://s20.directupload.net/images/240309/8392mf5e.jpg]

[https://s20.directupload.net/images/240309/4qcfahn6.jpg]


In den letzten beiden Kapiteln seines Buches "A Theory of Fun for Game Design" geht Autor und Gamedesigner Raph Koster darauf welchen Weg Videospiele als Kunstform einschlagen können bzw. sollten. Er ist der Meinung, dass es irgendwann auch den Shakespeare für Videospiele geben wird. Diese Hoffnung teile ich auch. (Man schaue sich nur den Wandel den Comics vom "Golden Age" zur Graphic Novelle vollzogen haben)

“Games deserve respect” as a medium, and should continue to earn it by pushing artistic boundaries

 
Und genau diese Grenze ein Stück zu versetzen hat "Brothers" geschafft. Wir sind hier noch weit von "Shakespeare & Co" entfernt, aber als erster Entwurf zu einer Kurzgeschichte von Hemingway würde ich es gelten lassen - simpel und dennoch stark.

[https://game-studies.fandom.com/wiki/A_Theory_of_Fun_for_Game_Design#Chapter_12:_Taking_Their_Rightful_Place_(&_Epilogue)]


So, ihr dürft jetzt anfangen mit den Augen zu rollen.




@Bronco: "Brothers" ist für mich sowas wie Pirlos Elfmeter bei der EM2012. Bei dem ging es auch um viel mehr als nur das Tor zu machen.


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