Thema:
Re:Teil 1 nie gespielt, ist Teil 2 was für mich? flat
Autor: token
Datum:13.11.22 10:56
Antwort auf:Teil 1 nie gespielt, ist Teil 2 was für mich? von Sunspecter

>Auf ein kurzweiliges Action adventure hätte ich schon mal wieder Bock.

Das Ding ist, Action Adventure war schon immer das klassische Wollmilchsaugenre.
Es gab eine Geschichte, es gab Rätsel, es gab Erkundung, es gab Action.
So war Uncharted ein Action Adventure, Classic Tomb Raider war auch ein Action Adventure.
Die Parallelen sind klar ersichtlich, es ist das gleiche Genre, und doch sind es unterschiedliche Games, weil sie ihre Schwerpunkte komplett anders setzen.

Was ich sagen möchte, wenn TLoU dein Trigger ist, und du beim Blick auf GoW bislang gedacht hast, och nö, kein Bock, dann lass einfach die Finger von Ragnarök. Warum? Weil in diesem Thread schon genug haarsträubender Unsinn steht, während irgendwie ausbleibt angemessen zu würdigen was für ein verfickt wahnwitziger Triumph Ragnarök geworden ist.

In GoW steckt sehr viel ND-Formel drin. Offensichtlich. Aber während TLoU im Kern immer noch Uncharted war, und das was Uncharted probiert hat rund gelutscht hat, in dem es der Narrative Gewicht gab, und dem Gameplay ausreichend Substanz um auch spielerische Anreize zu setzen, ist God of War viel viel viel näher dran an den tatsächlichen Wurzeln des Genres. Das Oldschool-Zelda.

Diese alte Schule wird gelungen mit dem modernen Gaming-Blockbuster-Popanz den ND vorturnt zwar angereichert, bleibt den antiquierten Strukturen des Genres aber dennoch treu. Es ist also sehr gamey und das erzeugt dann auch einen gewissen Bruch zum erzählerischen Pacing. Einen Bruch den das Game teils auch mit Metaebenenhumor reflektiert.

Als ein Beispiel, wir haben hier keine OW sondern Schlauchlevel und dazwischen offene Hubs die ein wenig Freiheit anbieten. Ist man im Schlauch, hast du da auch immer wieder Gabelungen drin. Dein Companion stellt sich auf die rechte Seite und signalisiert dir so, hier ist der rote Faden. Und du biegst dann aber gezielt nach links ab und machst dort kleine Rätsel und suchst die Kisten. Das ist halt Oldschool-AA der Zeldaschule, etwas das ND in seiner Formel zwar nicht abgetrieben, aber stark gestreamlined hat, damit solche Optionen dem Pacing der Narrative nicht im Weg stehen und da Brüche zu diesem Pacing vermieden werden.

GoW lässt dir die Wahl dieses Pacing zu brechen. und da das was du da findest in ein Upgrade-System einzahlt, ist dieser Bruch teilweise auch erforderlich um der Challenge des Gameplays auf Augenhöhe zu begegnen. Hierbei lässt dich das Spiel im Grunde selbst customizen welches Erlebnis du dir hier abholen möchtest, auch mit Reglern in den Optionen. Willst du Rätsel selber lösen, oder soll dir das Spiel die Lösung ins Gesicht reiben? Willst du kämpfen und scheitern und daran wachsen und die Systeme in der Tiefe beherrschen lernen und dann mit einem Katalog von Optionen mit denen du dich austoben kannst dein eigenes Mutterfickerballett inszenieren, oder möchtest du Knöpfchen hämmern und dabei wie ein heißes Messer durch Butter gleiten? Beides geht.

Und das Spiel ist sich auf jeder Ebene darüber bewusst was es macht und wie es das macht. Und begegnet diesen Brüchen zuweilen mit einem herrlichen Humor, etwa wenn du in einer Gruppe unterwegs bist, und ein NPC ist voll unter Strom weil ihr ja ein Ziel verfolgt, und wenn du dann an der Gabelung in die "falsche" Richtung läufst, sagt der NPC dann sowas wie, Oida, bist du deppert, hier geht's lang, während dein Sohn antwortet, ajo, Papi hat an sowas halt Spaß, der ist gründlich, das macht er halt manchmal, und der NPC so, ach so, na dann.

Wohin biegst du also ab? Und warum biegst du in diese Richtung ab? Aus FOMO-Motiven heraus, oder weil dir das Bock macht und du dieses Oldschool-Genre liebst und kein Problem damit hast wenn ein Game auch gamey ist?
Wenn letzteres wirst du mit Ragnarök die absolute Krönung all dessen vorfinden was in diesem Genre jemals statt gefunden hat. Wohlgemerkt in der linken Abzweigung und nicht in der rechten.

Es ist quasi dieser eine Moment, wo ein Athlet bei der Olympiade die perfekte Performance hinlegt. Wo einfach alles stimmt, und er etwas schafft was er eigentlich gar nicht kann, was eigentlich gar nicht möglich ist, und was er dann auch nicht mehr wiederholt bekommt.

Jeder Regler steht hier auf 12. Egal welcher. Ich kann eigentlich kaum begreifen wie man auf allen erdenklichen Ebenen durchgehend auf derart absurd hohem Niveau turnen kann. Du denkst so, was zum Henker ist hier gerade los? Und was passiert nach diesem Gedanken? Es wird dann nochmal besser. Und dann wird es noch besser. Und wenn ich mich mit Leuten austausche die schon weiter sind und denen spiegele wie fassungslos ich über diese Ausmaße an Geilheit und Können bin die in diesem Trip steckt, sagen die nur so, you know nothing Jon Snow.

Wie passt so eine Einschätzung zu dem was hier so steht und zu dem was hier eben nicht steht?
Ich weiß es nicht. Ich kann es mir nur so erklären wie ich mir schon seit einiger Zeit die Welt erkläre.
Alle verrückt geworden.


< antworten >