Thema:
Re:Gervais transphob? Ernsthaft jetzt? flat
Autor: deros
Datum:10.08.22 16:25
Antwort auf:Re:Gervais transphob? Ernsthaft jetzt? von tHE rEAL bRONCO 2ND

>>>Seine belehrende Art geht mir inzwischen zwar so sehr auf den Senkel, dass ich sein aktuelles Programm nicht zu Ende schauen wollte, aber bitte: Der ist doch nicht transphob! Er kann es nur nicht haben, dass ihm der Mund verboten wird - obwohl er eben gerade nicht [irgendwas]-feindlich ist.
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>>Hab ihn gestern Nacht aus irgendeinem Grund mit Graham Linehan verwechselt. Da kann ich zu Gervais Verteidgung wohl sagen: ganz so schlimm wie Linehan ist er dann vielleicht doch nicht.
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>>Das war's aber auch. Gervais "lässt sich nicht den Mund verbieten" in dem er vor ausverkauftem Publikum unter der schützenden Hand eines Milliardenkonzerns für eine Millionen-Gage nach unten tretende Witze gegen eine wehrlose Minderheit macht, die all diese Privilegien nicht genießt und die unter anderem durch den rein imaginären Verfolgungswahn von Leuten wie ihn in den ganz realen Suizid getrieben werden.
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>Aber das ist doch letzten Endes doch auch ziemlich ermüdend, oder?


Ich weiß nicht worauf sich "das" bezieht. Ob es ermüdend ist, dass Menschen, die von der Masse bejubelt ein Vermögen verdienen, die Opferrolle mimen? Ja, das ist es tatsächlich.

>Wenn dann bereits fünf Minuten nach meinem Beitrag mit Kampfbegriffen um sich geworfen wird (deadnaming kannte ich bis dahin übrigens nicht mal), dann führt das zumindest bei mir immer mehr dazu, über dieses Thema gar nicht mehr schreiben oder diskutieren zu wollen. Weil eben der eigentliche Inhalt auf der Strecke bleibt. Werde ich in Zukunft wohl ebenso handhaben wie mit Politik und Religion - einfach nichts dazu posten.

Weder Deadnaming noch Misgendering sind Kampfbegriffe. Das sind schlicht und ergreifend zwei Begriffe, die zwei Punkte beschreiben unter denen Transmenschen mitunter am meisten leiden.

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>Und das Gervais-Beispiel passt da wie die Faust aufs Auge. Ich fand den von Nehemia geposteten Clip nicht sonderlich lustig, trifft einfach nicht meinen Humor. Aber unterm Strich ist Gervais schon einer von den Guten, der eben nicht nur nach unten tritt. Im Gegenteil, da gibt es einige tolle Jokes von ihm, die etwa bei Hollywood-Stars echte Abneigung ihm gegenüber hervorriefen. Aber auch hier: Aus Reflex Gervais als transphob zu bezeichnen (was sich ja dann als Verwechslung entpuppte) hilft dem Diskurs nicht weiter, im Gegenteil, wegen einem Comedy-Input wird er gleich als Person diskreditiert. Ich kenne nicht all sein Schaffen, mir ist aber nicht bekannt, dass er als jemand verschrien ist, das folgende Einordnung rechtfertigt: "(...) die all diese Privilegien nicht genießt und die unter anderem durch den rein imaginären Verfolgungswahn von Leuten wie ihn in den ganz realen Suizid getrieben werden."


Es ist schlichtweg die Realität. Es gibt Studien nach denen über 80% aller Transmenschen über Suizid nachdenken. Über 40% haben Suizidversuche hinter sich. Besonders hoch sind die Zahlen unter jungen Menschen. (Diese Zahlen sinken dramatisch nach einer erfolgreichen Transition). Es gibt wenig Menschengruppen, die so sehr gefährdet sind wie Transpersonen und die so sehr unter gesellschaftlicher Ausgrenzung und böswilligen Mythen leiden, die über sie verbreitet werden. In Ländern wie Großbritannien und den USA wird die Meinungsmache gegen sie und sogar die ganz explizite gesetzliche Ausgrenzung immer weiter zugespitzt.

Es tut mir Leid, dass ich dann Leuten wie Gervais nicht verzeihen kann, dass er mit seinem Humor genau diese Klischees gegen Transmenschen wiedergibt und gewollt oder ungewollt auf eine weitestgehend wehrlose Gruppe heruntertritt. Mit der Wiederholung etwas vermeintlich "Verbotenes" nicht nur sagbar, sondern auch salonfähig macht. Salonfähiger als es ohnehin schon ist.

"Oh, women!" he starts. "Not all women, I mean the old-fashioned ones. The old-fashioned women, the ones with wombs. Those fucking dinosaurs. I love the new women. They're great, aren't they? The new ones we've been seeing lately. The ones with beards and cocks. They're as good as gold, I love them. And now the old-fashioned ones say, 'Oh, they want to use our toilets.' 'Why shouldn't they use your toilets?' 'For ladies!' 'They are ladies — look at their pronouns! What about this person isn't a lady?' 'Well, his penis.' 'Her penis, you fucking bigot!' 'What if he rapes me?' 'What if she rapes you, you fucking TERF whore?'"

Mag für dich witzig sein. Für andere Menschen ist es ein Faktor, der dazu beiträgt, dass sie in den Tod getrieben werden. Mag für dich überspitzt klingen, nicht nachvollziehbar, ist aber leider für viele Menschen kalte Realität, die sich im Leben allein gelassen sehen, die sich selbst von der engsten Familie nicht verstanden oder gar verstoßen fühlen und die dann auch noch zur Zielscheibe von beißenden Spott und absolut böswilligen Sexualstraftäterunterstellungen werden.


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