Thema:
Terranigma (SNES) flat
Autor: Schlomo
Datum:24.07.22 21:43
Antwort auf:Durchgezockt Nr. 39 - Jedem Ende wohnt ein Zauber inne von Schlomo

Bzw. Tenchi Souzou, die japanische Version, in ca. 23h durchgespielt. Endlich einmal habe ich diese Bildungslücke geschlossen. Das Spiel ist interessant und einzigartig, hat aber IMO auch viele Schwächen.

Einige Aspekte wirken sehr modern, so vor allem der spielerfreundliche Ansatz, dass man nach dem Ableben Items, XP und Geld behält und nur zum letzten Speicherpunkt zurückgesetzt wird. Auch das Leveldesign der "Dungeons" ist oftmals so austariert, dass man beim 2. und weiteren Versuchen schnell bis zur vormals erreichten Stelle durchlaufen kann, weil man z.B. eine Abkürzung geöffnet oder ein Item schon gefunden hat.

Weiterhin faszinierend ist, wie wenig sich das Spiel in irgendein Genre fügt. Es beginnt als klassiches Action-Adventure, schraubt die Action dann aber kapitelweise auch mal völlig zurück, sodass man plötzlich hauptsächlich mit Herumlaufen und Sprechen beschäftigt ist. Die Struktur verschiebt dauernd ihre Schwerpunkte und lässt sich nie auf eine einzelne Formel ein. In der zweiten Hälfte kommt dann noch ein Städte-Aufbau-Element hinzu, und die dazu nötigen Nebenquests haben schon fast etwas von Grafik-Adventures (richtiges Item an der richtigen Stelle einsetzen, mit den richtigen NPCs erneut sprechen...)

Nun zu meinen großen zwei Kritikpunkten:
a) Der unausgegorene Schwierigkeitsgrad in den Kämpfen. Die meiste Zeit über ist das Spiel extrem leicht. Selbst Endgegner erledigt man gewöhnlich beim ersten Versuch. Es gibt viele Heil-Items und besagte Spielerfreundlichkeit beim Bildschirmtod. Allerdings gibt es zwei Endgegner, die komplett aus diesem Rahmen fallen. Wer hier nicht aktiv Level gegrindet hat, macht pro Schlag nur 1 Punkt Schaden, sodass der Kampf ewig dauern würde. Den ersten dieser fiesen Bosse in der Mitte des Spiels kann man zum Glück mit bildschirmfüllenden Magie-Attacken einfach totkäsen. Beim zweiten, dem allerletzten Boss, darf man allerdings keine Magie verwenden, sodass ich fast schon aufgegeben hätte, bis ich dann auf einen hochgelevelten Spielstand zurückgriff, der sich auf meinem gebraucht gekauften Modul befand. Mit 3 Leveln höher machte ich dann pro Schlag statt 1 plötzlich 35 Schaden, sodass der Boss kein Problem mehr war.

b) Viele der Aufgaben sind einfach nur obskur, und man erhält keine deutlichen Hinweise (ich sage nur Blumen für den Pinguin). Zwei-, dreimal musste ich in der Hauptstory einen Walkthrough bemühen, um weiterzukommen, und beim Nebenquest-Städteaufbau habe ich nur einen sehr kleinen Teil geschafft und dadurch leider sehr viel verpasst, weil die Zusammenhänge völlig unklar sind und man sich mit einer falschen Entscheidung auch gewisse Quests dauerhaft verbauen kann. Hinzu kommt, dass der Städteaufbau einem als Spieler eigentlich gar keine Vorteile bringt. Man kämpft nicht, somit gewinnt man auch keine Level dazu. Entsprechend gering war meine Motivation, hier am Ende noch das gute alte "Alles-mit-allem-Benutzen" zu starten oder auf die Suche nach den wenigen interagierbaren Stellen in irgendwelchen Häusern zu machen, die ich wohl verpasst hatte. Das Herumkommen in der Welt ist nämlich auch am Ende noch ziemlich mühsam. Besonders schlimm ist jedes Mal die nicht abbrechbare Sequenz, wenn man sich von den Zugvögeln tragen lässt.

Die Story um die Neuerschaffung einer postapokalyptischen Welt wird recht unkonventionell erzählt und gleicht mit ihren zeitlichen Sprüngen und Bizarro-Versionen geschichtlicher Ereignisse und Orte einem Fiebertraum. Gegen Ende kommen dann doch noch Elemente einer konventionellen JRPG-Story hinzu, die ein wenig wie Fremdkörper wirken, bevor das Spiel zu einem durchaus emotionalen Finale findet.

Wie gesagt, das alles ist durchaus faszinierend und einzigartig, aber einen Klassikerstatus unter den SNES-Action-Adventures kann ich Terranigma beim besten Willen nicht zugestehen. Die Action ist viel zu simpel, um einen bei der Stange zu halten. Wo ein Zelda oder ein Seiken Densetsu zig Items und Waffen auffahren, gibt es hier nur eine Lanze in verschiedenen Farben. Das Magie-System wirkt auch wenig durchdacht und schlecht ausbalanciert, was wohl auch die Entwickler gemerkt und die Verwendung von Magie in einigen Situationen dann einfach willkürlich gesperrt haben. Dennoch gab es auf dem SNES sicherlich Schlechteres.

Der Adventure-Anteil und die Story sind schon eher ein Grund, dem Spiel auch heute noch eine Chance zu geben, aber herausragend gelungen fand ich aus den genannten Gründen diese Aspekte leider ebenfalls nicht.

6 von 10 Hohlwelten


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