Thema:
Meine Gedanken zum spielbaren Intro-Part: flat
Autor: The Snake
Datum:09.07.22 01:18
Antwort auf:Final Fantasy XII HD (PS4) von festwürstchen

Achtung, Spoiler zum spielbaren Intro-Part mit Reks. Die im Text markierten Spoiler beziehen sich wiederum auf den weiteren Spielverlauf (einige Stunden danach)!

Ein paar Zeilen möchte ich dazu noch verlieren, da mich dieser Part ganz zu Spielbeginn nicht so richtig losgelassen und bewegt hat.

Vielleicht hat dies auch etwas mit der grundsätzlichen Thematik des Spiels zu tun, welche ja aktueller nicht sein könnte. Im Jahr 2007, als ich FF XII das erste Mal gespielt habe, war das Thema Krieg gefühlt noch sehr weit von mir entfernt. Ähnlich verhält es sich z.B. auch mit der im Spiel bisher eher nur am Rande erwähnten .

Wenn ich mir die Dinge, welche einigen Spielern an Final Fantasy XII nicht so gut gefallen haben, durchlese, wird des öfteren die Geschichte mitsamt der eher blassen Charaktere genannt. Für den gesamten Spielverlauf kann ich meine aktuelle Sicht der Dinge darüber noch nicht schildern, aber was hier in den ersten Stunden und vor allem im Intro passiert, ist für mich genau das Gegenteil davon: Es reißt mich mit und bewegt mich.

Und das ganz ohne dass vor laufender Kamera entweder (potentiell) ein Kind gezeugt wird oder die Geschichte, selbst nach dreimaligem Anschauen und fleißigem "Story explained"-Youtube-Studium, übermäßig Interpretation für alles Mögliche bereithält.

Das spielbare Intro mit Reks ist für mich dafür sinnbildlich:

Alles beginnt aus der Sicht von Reks, welcher gerade sein Bewusstsein mitten in der kriegerischen Auseinadersetzung wiedererlangt. Wir sehen Reks aus der Ego-Ansicht, seine Atmung ist deutlich zu hören, die Stimme von Basch wird klarer.

Man erfährt, dass Reks gerade einmal 17 Jahre alt ist und sich für sein Heimatland und seine Eltern an vorderster Front in den Krieg begeben hat. Basch entgegnet ihm sinngemäß, dass ein Junge in seinem Alter nicht hier sein sollte. => Recht hat er.

Die jugendliche Unbekümmertheit, Verunsicherheit, aber auch die Entschlossenheit, sieht man Reks' Gesicht im Verlauf des Intros gut an. Und das bei einem in dieser Hinsicht nahezu unveränderten PS2-Spiel. Das wirkt auf mich gleichsam glaubhaft wie beeindruckend. Ich liebe einfach dieses einzigartige, charismatische Charakter-Design des Entwickler-Teams, welches aus meiner Sicht auch bis Heute Vagrant Story auszeichnet.

Trotz der vergleichsweise bis dato nur spärlichen Informationen zu der Person sowie der wenigen Textzeilen von Reks wird hier für mich einfach auf authentische Art und Weise ein Charakter in die Geschichte eingeführt, was durch die hervorragende Sprecherwahl/Sprachausgabe nochmals verstärkt wird.

Reks' Entschlossenheit wird die nächsten 10-20 Minuten dadurch deutlich, dass er sich in die Kämpfe stürzt. Ohne die Hilfe von Basch und den anderen wäre es vermutlich nicht so lange gutgegangen.

Aber es stellt sich in einer weiteren Konversation mit Basch ebenfalls heraus, dass Reks (intuitiv) vorausschauend bzw. letztlich vorausahnend ist.

Die Wege von Basch und Reks trennen sich, als Reks den Kampf mit drei Soldaten aus Archadia auf sich nimmt, um Basch und den anderen den Weg freizuhalten. Es gelingt ihm schließlich, sich alleine gegen diese drei Soldaten zu behaupten. Ein nahezu vorbildlicher Start für einen neuen Final Fantasy XII-Helden.

Kurze Zeit später erreicht Reks den Raum, in welchem der "Friedensvertrag" von seinem unterlegenen König Raminas unterschrieben werden sollte:

Reks schreitet durch die offenstehende Tür - seine (verängstigte) Atmung ist erneut deutlich zu hören, die Angst in seinem Gesicht ist deutlich zu sehen - und findet ein Blutbad vor, bei welchem letztlich auch König Raminas getötet wurde. Seine Vorahnung ist also tatsächlich eingetroffen.

Reks kann nicht fassen, was geschehen ist. Diese Fassungslosigkeit wird durch die exzellente Sprachausgabe und mit nur wenigen Wörten sehr glaubwürdig auf mich transportiert.

Nahezu im gleichen Moment des Entsetzens passiert es dann:

Reks wird unvorhergesehen von Basch durch einen Dolchstoß in die Brust/ins Herz tödlich verwundet. Das Sounddesign unterstreicht diesen überraschenden Moment der Verwundung nochmals ebenso eindrücklich wie die Kameraeinstellung, welche ab diesem Moment zunächst kurz Basch und anschließend Reks in einer Nahaufnahme ihrer Gesichter zeigt. Reks' Fassungslosigkeit, der physische wie psychische Schmerz über das Geschehene steht ihm förmlich ins Gesicht geschrieben: Er zittert, seine Augen sind weit aufgerissen, bewegen sich hin und her und nehmen seine kurz darauf folgende Frage "Warum?" vorweg. Die Gesichtsmimik, so bitter auch für mich als Spieler dieser Moment leider ist, ist an dieser Stelle einfach meisterhaft gelungen. Die ganze Mimik ist an dieser Stelle so feinfühlig/authentisch, man kann sich eigentlich nur verwundert die Augen reiben, dass man es hier mit einem ursprünglichen PS2-Spiel zu tun hat. Für mich ist das einfach ganz großes Kino, was hier erreicht wird und die Gefühle, die Reks in diesem Moment empfindet, empfinde ich als Spieler (bis auf den physischen Schmerz) sehr ähnlich.

Kurz darauf geht Reks zu Boden und muss mit schmerzverzerrtem Gesicht die weiteren Geschehnisse mitansehen, ehe er kurz davor ist, sein Bewusstsein zu verlieren, seine verängstigte Atmung mit dem Wechsel in Reks' Ego-Sicht wieder deutlich zu hören ist, der Bildschirm vollständig dunkel wird und Reks noch ein letztes Mal nach seinem Bruder Vaan ruft. Der spielbare Intro-Abschnitt endet also nahezu so, wie er begonnen hat.

Die Musik unterstreicht diese Szene sehr feinfühlig und ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu spielen.

An dieser Szene zeigt sich mir, wie wichtig gutes Charakter-/Welten-/Artdesign bzw. eine gute Regie ist und dass wir schon länger an einem Punkt angelangt sind, an welchem die Technik mehr als ausreichend Möglichkeiten für ein glaubwürdiges Erlebnis in Spielen bietet und es für mich zweitrangig ist, ob ein Charakter jetzt aus 30 oder 50 Millionen Polygonen besteht.

Um es mal mit den Worten eines Vagrant Story-Liebhabers auszudrücken: Dieser Moment/diese Szene/Reks besitzt hier so etwas wie eine "Seele".

Diese philosophische Frage nach unserer Seele, welche auch in Vagrant Story eines der zentralen Themen ist, stellt sich mir an dieser Stelle ebenfalls, als Reks praktisch mit seinem letztem Atemzug nach seinem Bruder ruft.

Und es zeigt mir persönlich, dass dieses Spiel mich gleich zu Beginn emotional erreicht. Mag sein, dass es im späteren Spielverlauf abnimmt, ich werde darauf sicher weiterhin achten.

Aber was allein in dieser Anfangssequenz geboten wird, hat mich voll und ganz abgeholt und mich gleichzeitig nachdenklich gestimmt.

Einerseits ein ganz bitteres, aber vonseiten der Entwickler einfach unglaublich gekonnt inszeniertes Erlebnis.


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