Thema:
Imo sehr underrated aufgrund des Triple-A-Status flat
Autor: strid3r
Datum:10.05.22 16:46
Antwort auf:Ratchet & Clank: Rift Apart [PS5] von Fred LaBosch

Achtung, wall of text:

Habe es jetzt zwei Mal durch und bin fast etwas betrübt, wenn ich hier so durch den Thread schaue (im Durchgezockt-Thread scheinen die Stimmen ja etwas positiver zu sein). Da klingt für mich sehr oft durch, dass man sich ja nicht von einem Triple-A-Spiel beeindruckt geben möchte. Und Rift Apart ist ja letztendlich nur ein effer 3rd-Person-Shooter, richtig? Falsch (think Arnie)!

Bei mir stellt es sich so dar, dass ich mit dem Ratchet & Clank-Franchise bisher nur einen Berührungspunkt hatte und das war der Reboot (?) auf der PS4. Diesen habe ich damals nach knapp einer Stunde recht unbeeindruckt abgebrochen. Entsprechend niedrig war meine Erwartungshaltung bei Rift Apart jenseits der Technik.

Habe das Spiel also recht nüchtern gestartet und… es hatte mich nicht nur visuell direkt bei den Eiern, sondern zu meiner Überraschung auch in Sachen Gameplay. Das hat mich nach der Erfahrung mit dem Vorgänger selbst dermaßen irritiert, dass ich das Spiel nach zwei, drei Stunden pausiert habe, um mir doch noch den PS4-Vorgänger zu geben vorher. Einerseits, um einen besseren Vergleich zu haben und dieses Mysterium effektiver ergründen zu können und andererseits, um den eventuellen Einstieg in das Universum dann doch nicht verpasst zu haben. Rift Apart war jetzt auch wohlgemerkt nicht mein Start in’s PS5-Gaming. Ich habe vorher God of War erstmals durchgespielt, in Horizon knapp vier Stunden reingeschaut und habe eine ganze Weile FF7R Intergrade gezockt. Vor allem aber habe ich mir zwischenzeitlich nochmal einen kompletten Uncharted 4-Durchgang gegeben und auch Sachen wie Control (brrrr) oder Returnal (hui) angespielt.
Gerade im Vergleich mit anderen Shootern ist mir dann klar geworden "hey, das Gunplay fühlt sich hier wirklich gut an im Vergleich". Die Bandbreite ist da nämlich doch gar nicht so klein, wie man meinen sollte bei so einem vermeintlich simplen Ansatz und Rift Apart macht eine Menge richtig bzw. besser, als andere Vertreter. Bei Uncharted 4 z. B. musste ich erst wieder realisieren "stimmt, hier ziele ja nicht richtig sondern halte einfach irgendwie drauf" und "stimmt, wenn die Deckung aufgebrochen wurde, wird das ja immer so eine elendige Hampelei". Die Shootouts habe ich hier sehr schnell wieder als störende Unterbrechungen wahrgenommen und nicht als den spaßigen Teil des Spiels. Noch krasser war’s bei Control. Ein Spiel, dessen Gunplay so wirkt, als hätte es die letzten 20 Jahre nicht gegeben. Träges Movement, verzögerte und schwerfällige Eingabe, alles lächerlich beschränkt und ein Telekinese-Feature aus der Mottenkiste, welches sich auch so anfühlt, während mir dieses Spiel aus dem Jahre 2019/21 allen Ernstes vorschlägt, dass ich via "crouch" vor Objekten diffus in Deckung gehen soll. Was natürlich dann auch eher schlecht als recht funktioniert. Es kommt einem so vor, als würde Remedy seit ihrer Gründung immer wieder das gleiche veraltete Spiel in anderem – mal mehr, mal weniger guten – visuellen und erzählerischen Kontext abliefern (und ich hoffe, zumindest dieser liefert hier ordentlich, denn das hat das Spiel bitterst nötig), aber egal.

Was Rift Apart nun ausmacht und weshalb es im Vergleich zum PS4-Ratchet nicht einfach nur "more of the same" ist, ist die Griffigkeit des Gunplays. War es im PS4-Teil noch so, dass man ständig von verflucht schnellen stray shots getroffen wurde, hat man bei Rift Apart die Geschwindigkeit der gegnerischen Bullets so angepasst, dass man nun gezielt über diese hinweg springen oder durch sie regelrecht hindurch tänzeln kann (diese Balance wird erst wieder auf den höheren Schwierigkeitsgraden zum alten Schema hin verschoben). Hatte man zuvor eine unsäglich lahmarschige unbefriedigende Schussfrequenz bei der Standardwaffe, rattert diese in RA direkt schön hochfrequent los, so dass man sich durch die Gegner mäht. Gab es beim Vorgänger noch kein Konzept für effizienteres Ausweichen, bekommt man in RA direkt zu Beginn den Phase Dash, der nicht nur den Nahkampf bereichert, sondern das Movement generell, während er gleichzeitig auch zu mehr Variation der Angriffsmuster bei den Gegnern führt – und somit letztendlich im Gameplay allgemein. Wirkte das Arsenal beim Vorgänger vor allem anfangs lückenhaft, hat man bei RA direkt die eigentlich offensichtliche Aufteilung zwischen Reichweite samt Präzision (Blast Pistol) für den Fernkampf vs. AoE samt Wumms (Executor) für den Nahkampf und das setzt sich dann auch nahtlos mit anderen Aspekten beim restlichen Arsenal fort. Inklusive diverser Synergieeffekte.

Das liest sich alles sicherlich sehr banal und als würde das Spiel hier lediglich Basics hinbekommen. Dass genau das aber gar nicht so banal ist, merkt man wenn man sieht, wieviele andere Spiele an diesen scheitern, während es vergleichsweise in einem RA oder Returnal einfach grundlegend Bock macht, die Spielfigur durch die 3D-Welt zu jagen. Man hat hier einfach die Kontrolle, die man in z. B. einem Control nicht hat (scnr). Und es ist auch beileibe nicht die einzige Qualität von Rift Apart. Es ist tatsächlich einer der wenigen Triple-A-Titel, die ich auf der PS5 bisher gespielt habe, der für mich dem Anspruch gerecht wurde, den ich an solche Titel stelle. Nämlich den, dass sowas auf den Punkt gebrachte und von mir aus auch seichte Unterhaltung ohne Ballast ist. Man braucht nur in den Horizon-Thread schauen um zu verstehen, was ich damit meine und wie diesen Aspekt vor allem in den letzten Jahre immer mehr große Titel völlig in den Sand zu setzen scheinen. Für mich selbst war das beste Beispiel hierfür God of War – ein kurioses Spiel, dessen beste Momente (Walkürenkämpfe) gleichzeitig auch die schlechtesten sind. Vor allem zeigt es auf, wie unfassbar überladen und künstlich aufgeblasen viele große Titel in der Richtung sind, die eigentlich gar nicht die Substanz für sowas bieten und sich dann auch erwartungsgemäß verheben. Ich schaue bei sowas immer öfter auf howlongtobeat.com und denke mir dann "ach du Scheiße, ich will doch kein GoW über 20 Std. zocken". In God of War z. B. habe ich jetzt aufgrund meiner Nextgen-Begeisterung trotzdem sehr viel Zeit investiert und sicherlich weit mehr, als ich es unter anderen Umständen getan hätte (es dürften weit über 30 Std. gewesen sein) und die Erkenntnis war genau die, dass das Spiel gerne viel kürzer und vor allem reduzierter hätte sein können – und es wäre damit ein wesentlich besseres (Spiel-) Erlebnis gewesen. Wenn ich da an Scherze zurückdenke wie die Einbahnstraßen-Teleporter und das resultierende Rumgeeiere oder elendig lange Rumgepaddel, die furchtbare Map, die den vielen Einbahnstraßen und dem Umfang der Welt nicht ansatzweise angemessen ist, die schlimmste und konfuseste Menüführung ever, die ich je bei einem Rüstungsinventar gesehen habe, oder daran, wie das Kampfsystem versucht ein Niveau vorzugaukeln, welches es offensichtlich nicht hat, wenn man grundlegende Mechaniken unter die Lupe nimmt. Oder u.a. ganz banal feststellt, dass die Designer unter Special Moves und Skill-"Upgrades" eine Menge Dinge verstehen, die einen im Kampf effektiv ineffizienter machen. Oder auch an das willkürliche und unlogische Level Up- und Crafting-System, selbstverständlich inklusive ermüdender Farming-Komponente für x verschiedene Materialien. Und es ließe sich sicher noch mehr aufzählen.

Vor diesem Hintergrund sehe ich es nicht als Mangel oder mangelnde Tiefe an, dass ein Rift Apart nicht derart künstlich aufgeblasen ist und sich dabei potentiell in etlichen Bereichen (die man lieber anderen Entwicklern überlasst) verhebt. Erfindet es das Rad neu oder ist es innovativ? Nein, in keiner Weise. Aber das war ein Donkey Kong Country damals auch nicht. Das war einfach auf den Punkt gebrachte Jump’n Run Goodness, visuell und in der Präsentation für die Zeit grandios verpackt und ohne Störquellen. Genau da würde ich auch den Vergleich ziehen. Rift Apart bringt Gameplay, Pacing und Visuals perfekt unter einen Hut auf eine Art, wie ich es von einem solchen Titel erwarte und woran immer mehr große Produktionen in meinen Augen scheitern. Und das kann man durchaus würdigen und lobend anerkennen, ohne das einem ein Zacken aus der Krone des abgeklärten Elitegamers bricht, der sonst natürlich nur "anspruchsvolle" Videospielkunst konsumiert. ;) Ich bin jedenfalls heilfroh, dass sich Insomniac nicht dazu berufen fühlte, hieraus ein 30-stündiges Epos zu basteln mit Skilltree im Skilltree im Skilltree und mit Gems, die man in Gems setzt, um sie mit Gems auszurüsten und wofür man 500.000 Felle, natürlich in unterschiedlichen Varianten (Eisbärfell, Braunbärfell, Gummibärfell), sammeln muss, damit sich der Defensivwert um 0,0000000001% verbessert. Ist schon okay, dass man hier einfach knapp 10 Std. lang konzentrierten und sich hervorragend spielenden aber simplen Ballerspaß hat, der visuell auf Referenzniveau präsentiert ist. Könnte es mehr Abwechslung und Variation bei den Gegnern bieten? Auf jeden Fall. Und ich hoffe, dass man bei Nachfolgern genau da ansetzen wird und nicht anderswo.

Zur Grafik und Präsentation noch: die ist für mich tatsächlich das eingelöste Versprechen, auf das ich mindestens seit der PS360-Ära warte. Ich erinnere mich noch, wie da groß 1080p angekündigt wurden und es die ersten Bullshots zur neuen Unreal-Engine mit den Monstern aus Gears gab. Und am Ende sah’s dann alles zwar immer noch beeindruckend, aber doch wieder nicht so doll aus, wie versprochen und lief dann zudem nur in verwaschenen 720p in 30fps – mit Dips und Tearing versteht sich. Die nächste Gen war dann schon was besser, aber auch da hinkte man spätestens mit 4k wieder den Möglichkeiten der Panels hinterher mit ähnlichem Ergebnis.
Meinem Eindruck von Rift Apart kommt jetzt natürlich zugute, dass ich es erst jetzt mit VRR-Update gespielt habe, was nochmal ein feiner Schub in Sachen Performance war und mich auch von diesem Feature überzeugt hat. Jedenfalls: wie denda schonmal angesprochen hat ist der Detailgrad fast jedes einzelnen Assets hier völlig absurd. Ich weiß gerade nicht, ob es bisher noch irgendein anderes Spiel gibt, dass durch die Bank so ein hohes Niveau fährt. Abweichungen oder Makel muss man wirklich mit der Lupe suchen und es greift einfach alles so geil ineinander, wirkt alles so rund und organisch (u.a. auch wie unterschiedlich Materialien hier aussehen und wirken). Das Maß an Finetuning, welches hier vorgenommen werden musste, damit alles derart rund wirkt UND dann gleichzeitig Bildrate, IQ und Raytracing auf diesem Niveau bleiben können, mag ich mir gar nicht ausmalen. Genau diese Kombination ist es aber, die es für mich ausmacht. Denn hier gibt es keinen Kompromiss mehr. Es stimmt endlich alles (ja, paar LoD-Pop Ins noch und Fell wird nicht gespiegelt > geschenkt). Bei GoW oder U4 fielen einem direkt wieder die Einschränkungen bei der Auflösung auf und es war natürlich ernüchternd zu sehen, dass "ältere" Titel schon wieder derartige Einschränkungen überhaupt haben. Ich hoffe entsprechend wirklich, dass Ratchet & Clank der neue Goldstandard wird (von mir aus auch, weil man erkennt, dass sich hier bestimmte Art Directions eher anbieten, um diesen zu erreichen). Es wurde ja schon oft geschrieben, aber hier hat man grafisch wirklich etwas vor sich, was sich vor aktuellen Animationenfilmen nicht zu vestecken braucht, während es eben perfekt auf modernen Displays aussieht und läuft. Das Niveau, auf dem die Figuren hier modelliert und animiert sind, ist entsprechend ebenfalls absolut unglaublich. Ich nutze wirklich so gut wie nie die Screenshot-Funktion, erst recht keine Photo-Modes. Einzige Ausnahme war glaube ich mal irgendwann bei Fallout 3, weil ich da nach gefühlt fünf Stunden im Editor so stolz war, dass mein Charakter unglaublicherweise nicht wie ein Gesichtselfmeter aussah. Bei RA hingegen bin ich vor allem im zweiten Durchgang immer mal wieder in den Photo-Mode gewechselt um Charaktere, Animationen, Assets oder Umgebungsgrafiken regelrech zu sezieren, nur um dann erstaunt zu sein, wie gut das Meiste selbst bei direkter Nähe noch aussieht, wie selten Fehler sind und wie unglaublich viel Liebe zum Detail hier drin steckt. Bei einem verdammten Launch-Titel! Einfach sehr geil und eine derartige Begeisterung für Grafik hatte ich wirklich sehr sehr lange nicht mehr.
Zusätzlich bin ich dankbar, dass die Handlung wirklich nur Vehikel dafür ist, die Charaktere sympathisch zu präsentieren und den Spieler von einem zum nächsten Schauplatz zu bringen. Kein peinlicher Superhelden-Weltschmerz oder aufgesetztes Drama, womit Mahvel heutzutage meint, das Publikum peinigen zu müssen.


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