Thema:
Ich hatte es mir anders vorgestellt... flat
Autor: lovecraft
Datum:08.04.22 21:24
Antwort auf:Ist mir einfach zu kompliziert von Boabdil

...aber finde es bisher großartig. Ich kenne die EU-, HoI- und Victoria-Reihe von Paradox, aber CK3 ist echt ziemlich anders - wie sad schon weiter unten geschrieben hat, mehr ein Rollenspiel. Das hatte ich gar nicht erwartet, weil es optisch mit der Karte ja tatsächlich fast wie EU IV aussieht.
Ich blicke auch noch längst nicht überall durch, die Steuerung und das UI haben ihre Mängel und auch das Tutorial erklärt nicht alles (allerdings habe ich beim Tutorial mehr mit der Steuerung zu kämpfen gehabt, als mich auf die Erklärungen zu konzentrieren) - würde deshalb dringend empfehlen, besser noch 2-3 YT-Videos anzuschauen. Aber ich finde es tatsächlich weniger sperrig als die o.g. Paradox-Reihen, v.a. habe ich bei CK3 einfach Spaß daran, gechillt drauflos zu spielen, mich treiben zu lassen und zu schauen, wo mich das Spiel hinführt. Scheitern stört mich hier nicht und bei jedem Durchgang lernt man dazu.
Lange habe ich meine Dynastien bisher auch noch nicht am Leben halten können :-)

Hier mal ein Beispiel eines sehr kurzen, aber auch sehr kurzweiligen Durchgangs:
Ich habe im Jahr 867 in der kleinen Grafschaft Montaigu begonnen, mein Protagonist, der Jarl des Landes, heißt Haestinn (oder so), ein Normanne, der auch noch an die nordischen Götter glaubt. Nördlich von mir die Bretagne, ein Vielfaches größer, östlich und südlich das Ost-Frankenreich, nochmal viel, viel größer. Alle hassen Haestinn, auch die eigenen Untertanen, weil es Christen sind und ihre Kultur französisch, nicht normannisch. Der Schwierigkeitsgrad ist mit "einfach" angegeben - ok?!?
Haestinn ist schon über 50 und hat einen 10-jährigen Sohn, Ragnar. Meine erste Idee ist, Ragnar schonmal mit einer Französin aus den Nachbarreichen zu verloben, um die Beziehungen zu verbessern. Schließlich finde ich eine Braut in der Bretagne, leider ist es keine Adlige, sondern lediglich ein Höfling, aber diesen Unterschied verstehe ich erst später. Also erstmal Verlobung. Dann habe ich die Idee, Haestinn die französische Kultur annehmen zu lassen und ihn zum Christentum zu konvertieren. Das bringt ihm tatsächlich einige Pluspunkte bei seinen Untertanen ein. Zwar hat er jetzt bei den Wikinger-Herrschern in der alten Heimat verschissen, aber egal, die sind weit weg. Außerdem lasse ich in der Hauptstadt Festungsanlagen und die Landwirtschaft in der Grafschaft ausbauen. Auch das Heer wird verstärkt, welches mit seiner Mannstärke den Nachbarn trotzdem hoffnungslos unterlegen ist. Ich fürchte deshalb einen baldigen Angriff, alle haben Ansprüche auf Haestinns Ländereien. Dann stirbt Haestinn plötzlich und unerwartet, aber er war ja auch schon über 50. Eine kurze Regentschaft. Nun muss der erst 10-jährige Ragnar ran, den ich von seiner Mutter mit dem Schwerpunkt Diplomatie erziehen lasse. Denn mir ist klar: Militärisch werde ich bei den übermächtigen Nachbarn nichts reißen können, meine einzige Hoffnung sind Bündnisse. Dann geschehen einige Events, die den Stress-Level Ragnars steigen lassen, v.a. sind das Streitigkeiten mit einem Sohn eines seiner Höflinge, die Ragnar arg zusetzen. Bei diesen Auseinandersetzungen zieht er meist den Kürzeren, ich kann aber einige positive Charakterschaften dabei für ihn gewinnen, die seinen Charakter formen. Außerdem bekommt er eine Katze , die er liebt, und bei der er mit Streicheln Stress abbauen kann. Am liebsten würde ich den Rowdy, der Ragnar ständig drangsaliert, vom Hof jagen, das ist theoretisch auch möglich, aber dafür fehlt es Ragar noch an Prestige, den sich der junge Herrscher erstmal verdienen muss. Das wird sein Verhängnis, denn nun geschieht ein Unglück: bei einem weiteren Streit wird Ragnar von dem Grobian verprügelt, er verletzt sich dabei am Bein und die Wunde entzündet sich. Schnell heuere ich noch eine der fähigsten Ärztinnen des Landes an, diese kann vorerst zwar Ragnars Leben retten, aber er verliert das Bein. Ich kann nun wählen, ob ich die Ärztin aufgrund ihres Versagens hinrichten lasse, aber ich lasse Gnade walten, schließlich will ich, dass Ragnar zu einem gütigen Herrscher heranwächst. Doch bekommt Ragnar nun die Attribute "schwerverletzt" und "einbeinig", was ihm massive Minuspunkte bei Fähigkeiten wie Kriegsführung und Kampfkraft beschert - er wird leider niemals an der Spitze seiner Ritter in die Schlacht reiten können. Dafür aber erhält er Boni bei Diplomatie, und mit seinen gesteigerten diplomatischen Fähigkeiten schafft er es schließlich, den Rüpel, der ihn zum Krüppel gemacht hat, zu mäßigen und nie wieder von diesem belästigt zu werden. Dies soll jedoch der größte Erfolg in Ragnars kurzem Leben bleiben. Denn, bereits geschwächt von seiner Amputation, zieht er sich auch noch eine Krankheit zu. Die Ärztin, bei der wir Gnade haben walten lassen, versagt erneut und Ragnar stirbt, kurz bevor er seine bretonische Verlobte ehelichen und Nachwuchs zeugen kann. Ragnar wurde nur 14 Jahre alt. Einen Erben gibt es folglich nicht - Game over.

Das ist nur eine kleine Geschichte aus CK3, bei der ich während meiner Regentschaft - auch aus Unwissen - bestimmt zig Fehler gemacht habe, aber ich finde die Art, seine eigene Geschichte zu schreiben und den Charakter seines Herrschers durch Entscheidungen, Erfahrungen und Ausbildung zu formen, einfach großartig. Dabei habe ich in dem o.g. Beispiel noch nichtmal eine einzige Schlacht geschlagen und nur an der Oberfläche, die CK3 spielerisch bietet, gekratzt.

Ich bin jedenfalls schon heiß auf den nächsten Durchgang, bei dem ich wieder eine Herrscher-Dynastie ins Verderben führe :-)


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