Thema:
Mega Turrican (1CC) Turrican Flashback Collection / PS5 flat
Autor: Shoryuken
Datum:16.11.21 09:45
Antwort auf:Durchgezockt Nr. 39 - Jedem Ende wohnt ein Zauber inne von Schlomo

Die Turrican-Sammlung war gerade im Sale und meine Strictly Limited Anthology Version wird vielleicht in hundert Jahren mal ankommen und da ich nach Castlevania mal wieder Bock auf was geradlinigeres hatte, kam mir das gerade recht.

Hatte erst ein bisschen mit Turrican 1 rumgespielt und kam direkt recht weit (Welt 4-1 oder 4-2 glaube ich), aber das Teil ist schon ziemlich janky - also direkt erstmal geskippt (und den Zweier auch) und in Mega Turrican gestürzt.

Wir haben damals das Original auf dem Amiga gezockt, war für die Kiste imho eine ziemlich beeindruckendes Spielchen, sowohl in Sache Präse als auch Spielbarkeit. Kam für mich immer dem Gefühl von "Konsolenspiel" sehr nahe, was auf den Heimcomputern und MS-DOS nicht allzu häufig war.

Die Contras habe ich vor kurzem erst alle mal wieder durchgeballert und im direkten Vergleich merkt man schon das Mega Turrican in Sachen Hitboxen, Haltbarkeit der Popcorn-Gegner, Angriffspatterns und Co. nicht auf dem aktuellsten Stand der japanischen Entwicklungen seiner Zeit ist. Wobei nicht ganz klar ist, ob das überhaupt das Ziel war - den für ein konsoliges Turrican macht das Spiel eigentlich alles richtig.

Ich mag den Spagat zwischen Actionschlauch und Oldschool-Labyrinthen, man kann das straight spielen, aber es vergeht eigentlich kein Bildschirm ohne irgendwelche Geheimgänge, Boni oder Extraleben. Gerade letztere sind ja klassisch Turrican, meinem Eindruck nach schmeisst gerade der erste Teil mit den Dingern förmlich um sich um die beschissene Kollisionsabfrage abzumildern und überhaupt schaffbar zu werden. In Mega Turrican fühlt es sich aber tatsächlich so an als ob man nicht jedes Leben aufklauben müsste um Meter zu machen, man kann das tatsächlich auch gut spielen und kommt vorwärts. Trotzdem konnte ich mich bei diversen Bossgegnern nicht  mehr an die korrekte Art und Weise diese Auszuschalten erinnern und habe einige, inklusive finalem Boss zu Tode gesmartbombt.
Aber zurück zu den Leveln, dem Spiel wird ja nachgesagt es sei so linear, sicherlich hat es nicht die ausufernden Welten des ersten Teils, aber spätestens im Aliennest ist es einfach ein fucking Labyrinth mit saustarker Atmosphäre (Musik und wabernder Hintergrund sind chef's kiss),inklusive einiger Stellen in denen man sich auch verfransen kann (ich kam tatsächlich einmal nicht mehr auf den Hauptweg zurück und wusste nicht wie weiter, da half nur Selbstmord). Wenn man dann erstmal an das Labyrinth gewöhnt ist, inklusive der Gegner und Fallen kommt erstmal "bionic train" inklusive eines sehr tollen Mehrebeneneffekts und guter Tiefenwirkung - ein brutaler Actionschlauch mit krassen Sprungeinlagen, einmal falsch gestanden laufen die Leben nur so durch. Die Kontraste halten das Spiel angenehm frisch. Auch die vielen Gags wie bspw. auf der Schrotthalde mit den demolierten Gegnern aus den Vorgängern ist echt cool.

Leider wirkt es so als ob nach der Fabrik der Speicher ausgegangen ist, da wüsste ich gerne ob noch mehr geplant war - aber das Ende ist dann doch irgendwie abrupt und wirkt unfertig (Fabrik -> Boss -> Finaler Boss wtf), gerade weil das Spiel bis dahin die Level relativ logisch verknüpft hat (Turrican taucht ab und ist dann in einem Unterwasserlabyrinth oder stürzt mit einem Donnergeräusch im Hintergrund ab und landet dann auf der stürmischen Oberfläche des Schrottplatzes). Erstaunlich ist das Mega Turrican zwar so kleine Skriptsequenzen drin hat, aber damit eigentlich nichts macht - Contra 3 bspw. hatte viel mehr solche Cutscenes, auch abseits der Heldenfigur.

Überhaupt ist die Inszenierung der Bosse etwas bieder im Vergleich zu den Contras, die sind alle mehr oder weniger irgendwie da - selbst THE MACHINE wird ohne große Zeremonie auf den Screen geschmissen (auch wenn der große Kopf natürlich was hermacht). Da wäre vermutlich insgesamt mehr drin gewesen, aber die Bosse sind eh nicht die große Stärke des Spiels, im Zweifelsfall werden die halt weggenuked und gut is.

Und dann isses aus und man kriegt einen schönes Anime-artiges Outrobild. Schöner Ritt mal wieder. Das Suchen nach Secrets und Erforschen der Level macht Spaß wie eh und je, die Optik ist trotz der mageren Inszenierung fett - der Detailgrad der Sprites und vorallem der Hintergründe ist fett und die Farbpaletten sind durch die Bank ganz großes Mega Drive Kino, das sieht richtig, richtig gut aus. Auch der Sound ist toll, und bringt oft so richtige 80er Vibes mit sich, eigentlich kompletter Gegenentwurf zu den ganzen modernen Techno-Tunes von Koshiro oder Contra HardCorps - imo nicht zu unterschätzender Aspekt der Gesamterfahrung Mega Turrican, irgendwie hypnotisiert die Mucke regelrecht. Und der Alien Hive Sound ist IMO einer der atmosphärischsten Tracks die es auf Mega Drive gibt, finde ich richtig geil und passt super zu der lebensfeindlichen Umgebung.

Gepimpte Steuerung für die Collection hat mir auch gut gefallen (Rope auf linken Trigger, Rolle auf rechten Trigger), hat sich imo nie besser gespielt.

Insgesamt ein tolles Spiel, viel spielbarer als die Heimcomputer-Originale und trotzdem den Geist dieser bewahrt (auch wenn Puristen und Hardcore-Turrifans das anders sehen). Als reines Actionspiel für mich nicht an vorderster Stelle auf dem Mega Drive, aber in seiner Nische Ballern mit explorativen Aspekt schon recht einzigartig. Hier hat es zwar noch nicht ganz gereicht zu den Japanern aufzuschließen (dazu brauchte es erst Super Turrican 2), aber für eine europäische, sogar deutsche Produktion finde ich das Spiel schon sehr bemerkenswert in seiner Qualität. Und das bei einem humanen Schwierigkeitsgrad und ohne tagelang üben zu müssen (was früher vielleicht ein KO-Kriterium gewesen ist, mir heute aber gut in die väterliche Abendplanung passt).

4/5 "ONE-UP"


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