Thema:
Re:Typischer Kritikerliebling flat
Autor: token
Datum:05.11.21 19:21
Antwort auf:Re:Typischer Kritikerliebling von G'Kyl

>>Kritikerliebling in dem Sinne als dass wenn etwas unglaublich anstrengend, nervig und fürchterlich ist, man zum Schluss kommt, boah macht das kein Bock, muss also brillant sein!
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>Du weißt ja sicherlich, dass ich das nicht böse meine, aber das ist ein sehr unsinniger Vorwurf. :) Allermindestens müsstest du das irgendwie herleiten, denn "anstrengend, nervig und fürchterlich" sind meiner Beobachtung nach keine Attribute, die gut bewertet werden. Im Gegenteil wird Kritikern sogar eher mal vorgeworfen relative n00bs zu sein und die inneren Werte tendenziell sperriger Spiele deshalb tendenziell zu verkennen.*
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Es ist kein Vorwurf sondern ein Seitenhieb, basierend auf meinem persönlichen Vorurteil, Kritiker neigen dazu Werken die sperrig sind Qualitäten zu attestieren die nicht da sind weil sie sich als edgy inszenieren wollen ;)

Das ist aber auch nur eine unnötige Randnotiz.
Die Kritik wäre verkürzt und versachlicht folgende:
Deathloop zeigt keine (mir ersichtliche) konsistente Linie in seiner spielerischen Ausrichtung. Es zeigt viele ersichtliche Ansätze um Zugänglichkeit zu ringen die um ein breiteres Publikum werben, vermengt diese Ansätze aber durchgehend mit Fahrigkeiten die arschhart nerven, irritieren, verwirren, Zeit fressen, frustrieren.

Ich nenne sie Fahrigkeiten weil sie einen Widerspruch zum modernen Design, was in Deathloop ja durchaus am Start ist, bilden. Sachen die ich als Schüler gerne gemacht habe und dann auch stolz war wenn es gemeistert wurde. Die Maprätsel-Strukturen eines klassischen Tomb Raiders, die Schalterrätsel von Oldschool-Shootern usw., Hinweisketten die fast schon erfordern dass man handschriftlich Notizen führt.

Da verbringst du aber teils Stunden in einem Game wo spielerisch nicht wirklich was passiert wiederholst ständig Dinge hinter denen keinerlei Challenge liegt sondern die einfach nur Arbeit sind die Lebenszeit gegen einen build up im Game eintauschen den braucht um die Challenge eigentlich starten zu können oder die Belohnung einzufahren.

Aus heutiger Sicht bin ich für sowas einfach nicht mehr zu haben, da ist mir meine Zeit zu kostbar. Da will ich in solchen Aspekten einfach klares Guiding und ein Design ohne hirnrissige Dickmoves, etwa komplett ohne irgendwas zu telegrafieren alles abzureißen was sich ein Spieler über eine Stunde lang mühsam aufgebaut hat.

Wenn Challenge, dann auch bitte Challenge wo was passiert, etwa ein harter Arenakampf oder ein Boss, ein Battlepuzzle wo man beißen muss und hart auf's Maul kriegt, aber eine hohe spielerische Dichte hat, so dass der Invest von Zeit griffig was zurück liefert, auch wenn man zwischenzeitlich aus dem Arsch blutet.
Und wenn es Rätsel sind, dann halt clevere Kopfnüsse wo halt nicht viel passiert auf dem Schirm weil man denkt, aber viel passiert im Kopf "weil man denkt" ;)

Aber dieses Oldschool-Design wo es nur um Zeit und Fleiß und Frustrationstoleranz geht wenn man wieder mal einen unmotivierten Tritt ins Gemächt kriegt oder halt ewig die Nadel im Heuhaufen sucht, bwäh!

Deathloop ist halt ein Spiel wo ich mir bei aller Kritik die ich bspw. selbst an Ubi übe wünschen würde, dass so ein Ubi-Design die letzte Polishing-Meile von sowas wie Deathloop leisten würde. Einfach die ganzen guten Sachen klar und zugänglich strukturieren, kein Autopilot mit HUD-Massaker, aber eben auch keine Bullshit aus dem Jahre 1992.
Eine Art Lektorat für ein Videospiel. Wie bei einem Buch, du hast auf der einen Seite den Künstler mit einem Strauß an Ideen aber eben auch einem Strauß an Fahrigkeiten und Blödsinn, und dann hast du den Handwerker der diesen Rohstoff veredelt. Imo fehlt diese Veredelung Deathloop an allen Ecken und Enden.

>Was das beschriebene Rätsel angeht: Ich hab das ganz anders wahrgenommen - und das, obwohl ich da ebenfalls erst mal rumgeirrt bin und diesen einen Punkt genau so nicht gefunden hab. Musste den Loop dann ebenfalls neu starten, fand das aber nicht schlimm und hab das Rätsel letztendlich sogar so gelöst, dass ich ohne das Auslösen des Alarms auskam. Auch weil die Art des Puzzles wohlige Arkham-Vibes versprüht hat, fand ich das Ganze deshalb ziemlich klasse und hatte wie in vielen anderen Situationen einfach verdammt viel Spaß damit. Ein bisschen Beißen muss manchmal schon sein und kommt dem guten Erlebnis hier imho nicht in die Quere.
>

Ich mag da auch vieles, so ist das nicht. Etwa Umgebungsrätsel wo es aber auch klare Hinweise. Stromkreise wo man drauf kommt dass die gebildet oder aufgelöst werden müssen, und wo man Schläuchen folgt und sich Zugang verschafft. Oder jetzt dieser Moment wo es mir durchgeknallt ist war ja auch cool, da dort eine Zahlenkombination im Raum versteckt wurde, auch so dass man kurz überlegen muss, nicht zu schwer, nicht zu einfach.
Das sind halt die Sachen die oldschool und sperrig aber auch gut sind, Sachen wo Ideen und Mühen hinter stecken, mich so fordern dass mich das kitzelt.
Ein Timer der plötzlich losläuft und dir eine Stunde Progress resetted ohne dass du das auch nur ahnst gehört nicht dazu. Timerschalter die per Try&Error in richtiger Reihenfolge angelaufen werden müssen ebenso nicht. Querverbindungen die im Loop einmalige Optionen schaffen aber über Vorschritte erstmal mühsam und schwer begreiflich aufgebaut werden müssen auch nicht.

Dieses rough around the edges hat in diesem Titel für mich persönlich keinerlei schrulligen Charme sondern steht einfach nur der eigenen Klasse im Weg.
Imo ist alles da was es zu einem cleveren Gassenhauer braucht, aber so wie es ist, ist es halt eher was für "Liebhaber". Das tut mir dann auch tatsächlich leid für Arkane weil imo schon länger ersichtlich ist, dass sie gerne mehr in die Breite gehen würden, aber ohne sich der Seichtigkeit zu verhuren, und ich finde Deathloop ist hierbei nur ein weiteres Kapitel wie sie dabei an sich selbst scheitern.

Natürlich kriegt man dafür auch recht einzigartige Games die Dinge machen die überraschen. Wobei es genug Studios gibt die zeigen dass man Qualität und Innovation und spielerische Herausforderungen auch verdaulicher verpackt bekommt.

>* ... Letztlich ist imho ohnehin nicht die tatsächlich Position von Kritikern und Nicht-Kritikern das definierende Moment ihrer Beziehung, sondern die Tatsache, dass die eine Gruppe die andere als nicht ihrer gleichgesinnt ansieht. Aber das ist natürlich ein anderes, großes Thema.

Ich seh's mittlerweile so.
Breite Resonanz des gemeinen Pöbels für ein Werk erzeugt bei mir Interesse.
Noch höheres Interesse erzeugen dann spezifische Einzelmeinungen von Menschen die auch Kritiker sein dürfen. Da macht man sich mit der Zeit ein Bild wer diese Menschen sind.
Und breite Resonanz von Kritikern die einheitlich ausfällt interessiert mich mittlerweile weder in die eine noch die andere Richtung. Weil es genau da immer wieder Trends gibt die mir das Gefühl geben dass sehr viel ins gleiche Horn geblasen wird und man dabei mehr aufeinander als auf das Produkt schaut. Sprich, die Metawertung von Kritikern halte ich persönlich tatsächlich für das unzuverlässigste Indiz für Dinge die mich ansprechen.

Wenn Kritiker unisono feiern begreife ich das nicht als Warnung und wenn sie unisono motzen auch nicht gleich für ein verkanntes hidden gem, meist kommt diese Einhelligkeit ja nicht von ungefähr. Aber es interessiert mich einfach nicht mehr, da hab ich schon zu viel gezockt wo ich zum Schluss komme, der Großteil der Wertungsbranche ist überfordert mit autonomen Stellungnahmen. Bei Hypetiteln traut man sich oftmals nicht mal valide Kritikpunkte die ganze Communities schon 6 Stunden nach Release auf Trab halten auch. nur. anzureißen.
Und brechen Games mit etablierten Mustern und die Macher haben kein Prestige ist es Lotterie. Und haben die Macher/Trademarks Prestige könnten sie auch auf den Tisch scheißen und bekommen vorsorglich dennoch den Gold-Award weil man sich nicht die Blöße geben möchte etwas nicht verstanden zu haben.


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