Thema:
Typischer Kritikerliebling flat
Autor: token
Datum:05.11.21 16:26
Antwort auf:Deathloop - Täglich tötet das Murmeltier von Derrick

Kritikerliebling in dem Sinne als dass wenn etwas unglaublich anstrengend, nervig und fürchterlich ist, man zum Schluss kommt, boah macht das kein Bock, muss also brillant sein!

Vorweg, Deathloop ist im Kern ziemlich cool.
Das ganze Design inklusive Mucke ist einfach nur zum schnalzen.
Spielerisch macht das freie Vorgehen Laune.
Egal ob Schleichen oder Stürmen, alles sehr unterhaltsam, nicht herausfordernd oder mechanisch irgendwie versiert, aber macht Bock.
Und die Idee mit der Zeitschleife und der dahinter liegenden Spiel- und Progressstruktur ist unglaublich pfiffig.

An sich ist alles an Zutaten da um es Deathloop einen erfrischenden Hit und Crowdpleaser zu zimmern.
Einfach das nehmen was daran wunderbar funktioniert, und dem Spieler einfach nicht auf den Sack gehen.
Aber Kritikerliebling wird man so nicht, erst wenn etwas Scheiße nervig und sperrig und anstrengend ist, genau da wird aus "guter Unterhaltung" mehr, es wird zu "Kunst!".

Hier mal ein Missionserlebnis mit diesen Fürchterlichkeiten in einer Nussschale.
Grundsätzlich ist es so, es gibt 4 große offene Level.
Und 4 Tageszeiten.
Und in jedem Level ist zu jeder Tageszeit was anders.
Mal ist ein Charakter zu einer Tageszeit in einem Level und zu einer anderen in einem anderen.
Es gibt also vereinfacht ausgedrückt 16 Level im Spiel, pro Durchlauf kann man 4 davon spielen.
Und ein Logbuch mit Hinweisen weist einen teils auch recht gezielt darauf hin was für Optionen man hat um da irgendwie Progress zu machen, im Grunde ist Progress hier sowas wie eine nonlineare Schnitzeljagd.
Wie gesagt ist das rein vom Prinzip ziemlich geil.

Aber die Umsetzung.
Hier mal ein Erlebnis.
Ich nehme aus dem Logbuch eine Mission in der es darum geht ein Minispiel zu lösen.
Das ganze nennt sich am Ende "Erbschleicher".

Ich stehe in einer Hütte, da ist eine Karte in der Hütte mit blinkenden Punkten. Man schlussfolgert schnell, man muss wohl zu diesen blinkenden Punkten. Und kommen wir zu "Wie geht man Spielern auf den Sack - Part 1". Die Karte. Es gibt keine. Bzw. gibt es eine. Nämlich so ein grobes aus der Vogelperspektive gezeichnet Ding. Wer eine gute Orientierung hat, der braucht sie nicht. Der hat eine Mapstruktur durch laufen eh schnell in der Rübe, und die Karte ist dank viel nicht eingezeichnetem Vertikal- und dynamischen Labyrinthdesign mit Wegen die mal offen und mal zu sind, eh keine Hilfe.
Wenn man keine gute Orientierung hat, ist sie gleich überhaupt keine Hilfe. Ich mein, selbst in der City wo es noch analoge Karten gibt, gibt es dann zumindest den "You are here"-Punkt. Deathloop braucht selbst solch Ballast nicht. Wozu diese Karte gut sein soll? Keine Ahnung.

Weiter, ich stehe also vor dieser Karte mit diesen leuchtenden Punkten. Ich das was ich auf der Karte sehe in meinem Kopf nicht übersetzt in das was ich in der Welt sehe. Probiere es mehrfach, ist aber nur anstrengend! Also geht einfach eine brute force Suche los. Am Ende dieser werde ich jeden einzelnen Gegner auf der Map getötet haben und eine Stunde investiert haben. Unter anderem mit weiteren tollen Minispielen bei diesen Punkten wie etwa, es gibt 5 Schalter. Ziehe Schalter 1 und eine Uhr läuft los, jetzt musst du die anderen Schalter finden und ziehen und zwar in der genau richtigen Reihenfolge. Inklusive Springerei, einem perfide versteckten Schalter welcher der vorletzte ist und den man kaum erkennen kann und lustigem Runterfallen in eine giftige Nebelsuppe die man zumindest ablassen kann wenn man weiß wie.
Also schon richtig geile Highlights mit Gamedesign aus der Mottenkiste des Hasses.

Dann hab ich also nach über einer Stunde und kompletter Auslöschung der Map noch einen Punkt übrig und kann diesen nicht finden, weil halt keine Map. Irgendwann stolper ich per Zufall drüber. Ein Schalter muss gezogen werden, eine Tür öffnet sich, es startet im Raum den man betreten kann ein Timer von 3 Minuten. Ich irr da rum und versuche rauszufinden was das Rätsel von mir will. Als ich es hab, hab ich es nicht schnell genug, der Timer ist abgelaufen, und jetzt heißt, nice try, aber das war's, komme im nächsten Loop zurück.

So.
Was will man zu sowas eigentlich noch sagen?
Was bitte?
Ich verstehe die Reizpunkte von Sperrigkeiten und Fallhöhen. Wie sowas anspornen "kann".
Aber solche Quests verstehe ich nicht darunter. Hier wird echt alles aufgefahren was man seit den 90ern verdrängt hat und von dem man gehofft hat dass es nie wieder jemand für eine gute Idee hält Spielern solche Sachen zuzumuten.

Für mich könnte Deathloop eine 9/10 sein.
Alles was diesem Spiel für mich persönlich fehlt ist jemand mit gesundem Menschenverstand der ein wenig Streamlining bei der Kiste betreibt. So jedoch gibt es immer wieder absolute Tiefpunkte statt einer sauberen Pace. Und ich weiß, ich hab da teils einfach kognitive Schwächen die so einem Design entgegenstehen. 4 Levelstrukturen bekäme ich vielleicht noch rein, aber durch je 4 Varianten davon und teils auch Querbezüge wo ein Schalter auf Map A zum Zeitpunkt X eine Tür auf Map B zum Zeitpunkt Y öffnet sind dann aber auch ein derartiges Endgame dassw sich mein Hirn kampflos in den Staub wirft und jeder Run für mich so ist als hätte mich jemand geblitzdingst. Da kommt keinerlei Routine rein die mich irgendwie weiterbringt und mir Wissen gibt was Dinge schneller und einfacher macht.

Und sehr viel an Deathloops Questdesign sind für mich persönlich Dinge die mal in Spielen gängig waren, aber über die im Jahr 2021 auch der Mantel des Schweigens gehört statt sowas auszubuddeln und sein Publikum damit zu foltern. Aber vielleicht gefällt sich Arkane ja in der Rolle des Kassengifts das Höchstwertungen einstreicht. Vielleicht ja auch zu Recht. Ich persönlich find sowas einfach nur anstrengend, das einzige wozu mich solche Erlebnisse motivieren ist der Abbruch. Dabei kann scheitern motivieren, siehe Souls. Und das ist dann auch der feine Unterschied zwischen anspornenden Sperrigkeiten und kompletten bullshit der einfach nur nervt und sonst nichts.

Ich verstehe es auch nicht, denn im Grunde ist ja viel an Streamlining da was den Zugang zum Game stützen soll statt einem ins Gesicht zu scheißen und auf den Sack zu gehen.
Aber vielleicht gibt es bei Arkane auch einen Antispaß-Beauftragten der schauen muss dass alles in Balance bleibt damit es sich bloß nicht gut verkauft.
Ja, gut, dann bekommt die KI Amnesie damit der Spieler Spaß mit seinen Fähigkeiten haben kann und Sandbox-Gunplay bekommt. Aber dann braucht es auch Instakiller und eine Invasionsmechanik!
Okay, dann darf es einen Questmarker geben der dem Spieler durch diesen Irrgarten hilft, aber dann darf es keine Map geben, wir brauchen Zeitschalterrätsel, wir brauchen harte Abbrüche ohne Sinn und Verstand die zur Wiederholung von ewig langen und unspannenden Zeitfressern zwingen.

Whatever, ich find's einfach nur dumm, anstrengend und komplett unnötig. Raubt mir alles an Lust da drin zu versinken, ich stell mein Vorgehen entsprechend auch mal um auf Abschluss. Dabei hätte ich grundsätzlich total Öcke darauf gehabt was das Spiel im Kern treibt. Aber so wie es ist bin ich ständig lost oder könnte ausflippen.


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