Thema:
Paar erste Eindrücke flat
Autor: token
Datum:25.07.21 12:41
Antwort auf:Disco Elysium - RPG des Jahres? (PC) von phaxy

Alles noch recht gemischt mit Highlights und Lowlights.

Erstmal der Ansatz mit den Textwüsten.
Das trifft schon wie von manchen vermutet meinen Nerv.
Dabei bin ich speziell in Videospielen gar kein großer Freund ausladender Texte.
Selbst bei kurzen Dialogen denk ich mir oft, das hätte man straffen müssen, das stört den Spielfluss.
Aber im Grunde ist da eigentlich immer das Problem dass bspw. Dialoge hochgradig uninteressant sind, und solche Dinge dann auch keinen Beitrag zum Szenario leisten, weder inhaltlich noch stimmungstechnisch. Ich mag da eher zurückhaltende Ansätze, bspw. Inside was komplett drauf verzichtet und dennoch eine Geschichte erzählt. Speziell japanische Spiele finde ich erzählerisch oftmals fürchterlich aufgeblasen.

Disco Elysium, das sich über weite Strecken anfühlt wie ein altes Textadventure und gefühlt zu 90% aus Texten besteht, ist aber so verdammt gut geschrieben, durchgeknallt, humorvoll, intelligent, rhetorisch versiert, kreativ usw. dass ich da keinerlei Störgefühle habe.
Das ist irgendwie das Spiel, und dieses Spiel ist sehr gut.

Auch der ganze Artstyle mit einem starken Einschlag zu Francis Bacon ist wundervoll anzuschauen. Und die Musik bildet mit allem eine Einheit, die passt so gut dass man gar nicht richtig merkt dass sie da ist und leistet dennoch einen großen Beitrag zur Gesamtatmosphäre.

Spielerisch bin ich ein klein wenig verärgert. Ich begann das Spiel mit einer spezifischen Charaktererstellung, hab da echt viel rumgelesen bevor ich meine Entscheidungen getroffen habe. Ich hab es dann geschafft nach etwa 30 Sekunden Spielzeit zu sterben und musste wieder auf Anfang mit Erstellung und Einstiegsdialog. Beim zweiten Start war ich schon etwas pissed was das jetzt sollte, und hab einen vorgefertigten Char gewählt um sofort loszulegen, und da dann schon etwas weiter gespielt, und jetzt habe ich einen Char der komplett andere Stats hat, als das was ich intuitiv bevorzugt hätte.
Was man sich bei diesem Joke gedacht hat verstehe ich nicht, und auch selbst bin ich etwas unsicher ob ich häufiger Saves machen sollte und ob sowas nochmal derart schnell und komplett aus dem Nichts heraus passieren kann. Und ärgere mich halt über meine Stats will jetzt aber auch nicht zum dritten Mal neu starten.

Was Technik und Interfaces angeht.
Jooooooooooooooooooaaaa.
Mit der Technik hab ich kein Problem. Das passt schon und ist hübsch.
Mit den Interfaces und wie man da geported hat schon eher.
Mit dem rechten Stick skippt man sich quasi durch Interaktionspunkte auf dem Schirm. Das macht selten das was man will und wirkt dann eher hakelig wenn man drei-vier mal rumschlawenzt um den Punkt zu treffen den man treffen möchte. Sehr chaotisch gelöst. Warum kein Ansatz wie bei einem Radialmenü wo man vom Char ausgehend in die Richtung des gewünschten Interaktionspunktes zeigt? Ich finde es immer wieder erstaunlich wie schlecht manche Interfacedesigns in heutigen Spielen noch sind, so als würden die Leute die das bauen es selbst nicht nutzen, und wenn doch, einfach nichts merken, so als hätten sie noch nie andere Spiele gespielt von denen man deutlich bessere Lösungen einfach kopieren kann, die müssen ja nicht mal erfunden werden.

Auch nervt ein wenig dass manche Texteinblendung im Bild verschluckt wird, sprich, man triggert einen Gedanken, normalerweise wird im Bild ein Text eingeblendet, aber da wo er eingeblendet werden sollte, passt er wohl nicht ganz rein, und in Folge fehlt die komplette Einblendung.
Da krieg ich dann auch nichts mehr mit, da ich die Sprachausgabe abgestellt habe. Für mich torpediert sie nur die Atmospäre, die Texte sind derart lang und derart präsent dass es einfach zu lange dauert zu lauschen, auch wenn die Sprecher recht ordentlich sind. Aber wenn man eh dauernd skippt bricht man halt ständig den Sprecher ab. Im Gesamtbild gefällt mir das ohne das Gelaber deutlich besser.  

Ein ganz dickes Lob gibt es von mir für die deutsche Übersetzung. Das sind echt keine leicht zu übersetzenden Texte, die Sprache ist komplex, die Anspielungen fernab von Allgemeinwissen, die Tonart maändert von vulgär über elegant bis hin zu intellektuell. Wer das auf Englisch spielt und sich damit nicht schwer tut, Hut ab, auch für viele notorische O-Ton-Gucker dürfte das ein hartes Brot sein.
Umso besser dass die deutschen Texte das wirklich verdammt gelungen einfangen, zumal das der Aspekt des Spiels ist der ziemlich viel Raum einnimmt und wohl auch eine der größten Stärken.

Ein hochinteressantes Spiel das erfrischend anders daher kommt. Wobei ich merke dass ich momentan keine wirklich passende Stimmungslage dafür was das Spiel macht habe. Vielleicht kippt die noch, falls nicht heb ich mir das für meine Depriphase im Winter auf, wenn innen und außen alles grau ist bin ich gegenüber sperrigen Medien aufgeschlossener und kann mit diesen auch mehr anfangen ;)


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