Thema:
Re:Ich wollte es lieben flat
Autor: Droog
Datum:25.07.21 01:17
Antwort auf:Ich wollte es lieben von Jassi

>Seit drei Wochen wollte ich mich motivieren Hellsblade am Wochenende endlich mal fertigzuspielen, nachdem ich es sehr enttäuscht vor einigen Monaten zur Seite gelegt hatte.
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>Der Start der jüngsten Diskussion gab mir heute morgen den nötigen Antrieb es dann auch durchzuziehen. Als ich dann gegen Mittag fertig war, schaute ich natürlich auch hier rein und war über Verlauf und Form der Diskussion wenig begeistert.
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>Doch fangen wir lieber an wieso ich das Spiel damals abgebrochen hatte. Mir war damals im Vorfeld schon klar, dass mich die Spielmechaniken nicht vom Hocker hauen werden würden. Ich hatte aber immer noch die erste Stunde des nebenbei laufendem Let's Plays auf RBTV im Ohr und diese Soundkulisse fand ich schon damals sehr einprägend. Da mich zudem die dunklen und weniger erbaulichen Seiten menschlichen Seins schon immer interessierten, war ich trotzdem postitiv gestimmt über (repetetive) Gameplayschwächen hinwegsehen zu können.
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>Und da hab ich mich sowas von geirrt. Puh, sowohl Kämpfe als auch Runen"rätsel"
>sind leider sowas von spaßbefreit, ja noch viel schlimmer, sie schafften es mir irgendwie meinen guten Willen für das Spiel komplett zu entziehen. Entnervt von einem Rätsel hieß dann Spielabbruch für mich und das will bei mir echt was heißen, hab ich bei Videospielen die Mentalität eines Nachkriegkindes, das auch später im Leben kein Essen wegschmeißen konnte.
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>So gut nämlich die Präsentation auch ist, so schlecht sind die Kämpfe in ihrer Wiederholung und vor allem Bedeutung. Die ergeben angesichts der Thematik in ihrer Form für mich kaum Sinn. Weniger wäre hier mehr gewesen und obendrein hätte ich's es passender gefunden, wenn zumindest jeder überstandene Kampf (gegen Windmühlen) einem Phyrrussieg gleichkäme. Dennoch gibt's von mir Applaus für die elegante Idee durch die Stimmen Spielhinweise zu erteilen.
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>Überhaupt schaffen es Ninja Theory durchaus einem Halluzinationen (keine externer Reiz vorhanden) und Illusionen (hier aber schon) nahezubrigen. Auch hier finde ich die Idee mit den Runenrästeln eigentlich gut, was mich aber massiv gestört hat,dass ich mich für die Illusionen auf die Suche machen musste. Dabei ist doch die Krux an denen, dass die von selbst in Erscheiung treten. Und so sehr ich auch das Piktenszenario optisch ansprechend finde, wirkt es doch der von den Entwicklern beabsichtigten Rezeption entgegen. Wie soll ich Spieler in einer mir fremden ("Fantasie")welt, die zwischen der dort verankerten Realität und Gehirnspinsten mäandriert, das auf die realen Zuständen in meiner Welt übertragen?
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>Und dennoch gibt es Lob für die optische Umsetzung bezüglich der visuellen Wahrnehmung (z.B. Lichtempfindlichkeit, "körniges Sehen"). Auch hier wieder elegant: Laufe ich den falschen Weg, flackert es leicht rötlich am oberen Bildschirm.
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>Dem absoluten Laien mag es (aufgrund der "Fantasiewelt") nicht auffallen, aber man merkt dass Ninja Theory von Experten unterstützt wurde und man sich wirklich Mühe gegegeben hat das Innenleben eines Betroffenen darzustellen und zwar aus seiner Sicht nicht aus einer äußeren. Deshalb sind die optischen Illusionen und akustischen Halluzinationen in diesem Spiel auch essentiell, einem kataton Schizophrenen wird man z.B. nur wenig am Mienenspiel ablesen können.
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>Der große Wurf ist NT mit Hellblade m.E. nicht gelungen. Es ist nicht das erste mal, dass mir das Gameplay missfallen hat und ich einfach auf leicht gestellt hab und immer wieder in eine Komplettlösung reingelinst habe, um Zeit zu sparen oder mich ungefrustet auf andere Aspekte des Spiels zu konzentrieren. Und dennoch wünsche ich mir mehr solcher Spiele, die den Mut haben zu neuen Ufern aufzubrechen und nicht monetär bedingt sich nur in in sichere Gewässer wagen oder eventuell mit einem Indyprokjekt mal vorstoßen. (Wie man hier jede Ankündigung eines Remasters/Remakes feiert und auch noch nicht nachvollziehbar den Vollpreis zahlt, finde ich bedauerlich)
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>Trotzdem halte ich Wertungen im 80er- oder gar 90er-Bereich nicht für gerechtfertigt, auch wenn ich nachvolziehen kann wie es dazu kommt. Würde ich HB jemanden vorbehaltlos empfehlen? Nie und nimmer! Nur mit deutlichen Warnhinweisen oder mit dem Wissen, dass mein Gegenüber für Experimente (wie z.B. "The Beginner's Guide") oder die Thematik offen ist.
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>Was Videospiele von anderen Kunstformen (mit vielleicht wenigen Ausnahmen wie z.B. Spielbüchern) immens unterscheidet, dass das Werk den Spieler benötigt und dies vom Kreateur auch berücksichtig werden muss.
>Umgekehrt steht es aber dem Entwickler und somit Künstler frei wie er mit mir als Rezipienten verfahren will. Wenn sein Ziel Spielspaß ist, schön und gut. Trotzdem begrüße ich es sehr, wenn ich eine ander Intention erfahre. Auch wenn das bedeutet, dass besimmte Aspekte meiner Spielgewohnheiten weggfallen oder umgekrempelt werden.
>Ich für meinen Teil "mag" es sehr, wenn mich ein Kunstwerk auf dem falschen Fuß erwischt und mich dazu bringt über mich selbst zu ärgern.
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>Ich wollte Hellblade lieben und kann es maximal nur respektieren. Denn auch als Videopiel muss es sich bei mir mit anderen Kunstformen messen. Von daher weiß ich  was man prizipiell rausholen kann aus dem Thema, welches alles andere als neu ist: E.T.A.Hoffmans "Die Elixiere des Teufels", Dostojewskijs "Der Dopplgänger", Gogols "Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen" stammen alle aus der ersten Hälfte des 19. Jhts.
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>Man muss ja nicht wie ich oben im Elfenbeinturm leben (Gell?), aber nur weil man sich mit dem Spielen von Hellbalde sich aus dem gewohnten Keller jetzt ein paar Stockwerke höher in Sachen Anspruch meint, im Glauben sein, dass man es lobpreisen muss.



Interessant das du Physio-Therapeut und kein Psychologe bist.


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