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Durch flat
Autor: heffer
Datum:03.06.21 00:47
Antwort auf:Days Gone von Deadly Engineer

Dramaturgisch startet das Spiel katastrophal, nahezu jede Szene ist entweder nicht zu Ende geschrieben oder, deutlich wahrscheinlicher, nachträglich gekürzt worden. Man spürt alle paar Sekunden, dass etwas fehlt. Dazu wird kein Charakter konsequent in die Story eingeführt, insbesondere die Anführer der ersten beiden Camps und lange Zeit auch Boozer bleiben völlig blass. Zudem fehlt der Story anfangs jeglicher Fokus, sie springt von einem Thema zum anderen.

Und dann kommt der Mittelteil (etwa ab Lost Lake) und fast alles, was das Spiel bis dahin falsch gemacht hat, macht es plötzlich richtig. Das Erzähltempo wird deutlich entschleunigt, die Story konzentriert sich auf eine Hand voll Charaktere und deren Beziehungen zueinander - und plötzlich wird aus Days Gone ein ausgereiftes, tiefsinniges Charakterdrama.

Es gibt z. B. eine Szene, in der Deacon vor der Umsetzung einer wichtigen Entscheidung steht. Kurz vorher hält er nacheinander mit den drei wichtigsten Charakteren Rücksprache. Dreimal Gänsehaut, volle Wucht.

Man kann es sich nach den ersten Spielstunden kaum vorstellen, aber es steckt wirklich unglaublich viel Arbeit und Herzblut in den Charakteren und gerade in den ruhigen Momenten brilliert Days Gone geradezu. Im Grunde genommen ist es im Mittelteil genauso wie Walking Dead immer hätte sein sollen.

Leider, leider macht es dann, wenn die Story auf das Ende zusteuert, nochmal einen komplett neuen Plot auf. An dem Punkt hat es mich schlicht verloren, ohne dass jetzt irgendwas wirklich schlecht wäre, das hätte es nur schlicht nicht gebraucht. Das ist übrigens ziemlich genau der Moment, an dem hier im Thread schon mehrfach gefragt wurde, wie lange das Spiel jetzt noch geht. Schön, dass nicht nur ich es so empfinde, dass es hier hätte enden sollen. Ich gehe sogar noch weiter und sage, dass bei diesem Song hier (Minispoiler:)

[https://www.youtube.com/watch?v=nYpGK7c1mh4]

...die Credits hätten laufen sollen. Das wäre mal mutig gewesen und hätte zum Nachdenken angeregt.

In Summe aber immer noch eine wirklich tolle Erfahrung, die ich auf keinen Fall missen möchte.

Ich fand es auch spielerisch ziemlich gut. Es fühlt sich in vielen Punkten wie TLOU an (Spieltempo und Authentizität, begrenzte Ressourcen, Wechsel zwischen Stealth, Nahkampf und Shootouts) und leidet nun natürlich ein bisschen darunter, dass TLOU2 zwischenzeitlich in allen Punkten nochmal eine Schüppe draufgelegt hat (storytechnisch finde ich Days Gone allerdings wesentlich besser, mein Ernst). Aber es ist mE auch spielerisch immer noch überdurchschnittlich und durch die Open World samt zahlreichen feindlichen Truppen, die man überfallen kann, darf man sich hier im Gegensatz zu TLOU auch mal richtig austoben. Selbst die Hordenkämpfe, obwohl sicherlich nicht immer fair, fand ich ziemlich cool und packend. Nervig nur, dass man nie entspannt durch die Open World fahren kann, weil immer irgendwelche Untoten auf einen zulaufen.

Insgesamt aber wirklich, wirklich gut und dass viele hier im Thread Werbung für das Spiel gemacht haben, ist in Summe absolut berechtigt.


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