Thema:
Gehen wird doch mal auf die einzelnen Punkte ein... flat
Autor: Pezking
Datum:20.10.20 10:58
Antwort auf:Boykott brodelt von Sachiel

...denn es nervt mich gerade gewaltig, dass hier auf ein interessantes und nicht alltägliches Thema kaum inhaltlich eingegangen wird, sondern alle Welt nur (ohne vorher attackiert worden zu sein!) in die Defensive geht und das Thema bei persönlichem Desinteresse nicht einfach nur ignoriert, sondern pauschal durch den Dreck zieht und am liebsten ein verbindliches Totschweigen hier im Forum (oder Thread) erwirken will.

Haben wir hier etwa so einen Überfluss an unverbrauchten Themen, die auch mal über den Tellerrand schauen und bei denen man sich neues Wissen aneignen und neue Meinungen bilden kann?

Es kann doch nicht sein, dass man sich hier abseits von Gameplay-, Technik- und Preisdiskussionen alles verbittet? Dass Kritik jenseits von F2P und Gacha verpönt ist?

Deshalb jetzt mal zurück zur eigentlich für diesen Ast angedachten Thematik:

>- Am 20. August hat der offizielle Twitter-Kanal von Cyberpunk 2077 folgenden Antwort abgelassen: [https://www.denofgeek.com/wp-content/uploads/2018/08/cd-projekt-red-joke.png].
>
>Das Problem dahinter: "Did you just assume my gender" wird gerne benutzt, um sich über angebliche Reaktionen von Trans-Personen lustig zu machen. Thread-Ersteller Kjuuji weist darauf hin, dass Transsexuelle eher gar nicht über ihr Geschlecht reden, weil sie zu oft schlechte Erfahrungen gemacht haben.


Die Argumentation kann ich nachvollziehen, dieser Satz wird Trans-Menschen gerne in den Mund gelegt. Dennoch würde ich von diesem Tweet alleine noch lange nicht irgendeine latent vorhandene Anti-Trans-Agenda ableiten. Das ist potenziell vielschichtig, damit könnte man sich auch (mehr oder weniger erfolgreich) über Leute lustig machen, die diesen Satz stets reflexartig Transsexuellen zuordnen.

Nicht der geschickteste Tweet und sicher kein Fall von wohlüberlegter PR - aber auch nicht skandalwürdig, weil da genug Interpretationsspielraum bleibt.

>Es folgte eine Enschuldigung [https://i.imgur.com/iNXkq8a.png], ohne jedoch Fehltritte einzuräumen. Auch hier, meint Kyuuji, würden Transsexuelle daher wie so oft als Mitglieder einer Outrage Culture dargestellt. Der Fallout auf Twitter sah dementsprechend aus.

Das ist jetzt putzig, denn die pauschale Darstellung von Transsexuellen als Mitglieder einer Outrage Culture kam jetzt hier im Ast prompt vor. Kurioserweise als Antwort auf Sachiels Posting. Entweder hat man die Passage wiederholt überlesen, oder es war einem akut nach Double Down zumute.

>- Zwei Monate später nutzt der offizielle Twitter-Kanal von GoG das Hashtag #WonntBeErased im Zusammenhang mit klassischen PC-Spielen. Anmerkung "Yeah, was haltet ihr von dieser Anwedung von Hashtags. [https://i.kinja-img.com/gawker-media/image/upload/wtvymyraw3eme0ikoa5q.png]
>
>Das Problem: Das Hashtag trendete zur selben Zeit auf Twitter in Verbindung mit einer Anordnung der Trump-Administration, das Geschlecht allein Aufgrund der Genitalien zum Zeitpunkt der Geburt zuzuordnen. Wer später wechselte, hätte demnach einfach Pech gehabt. Der zuständige Social-Media-Mitarbeiter wurde gefeuert und heuerte bei einer Alt-Right-Webseite an.


Hier ist nun leider überhaupt kein Platz für Interpretationsspielraum mehr vorhanden. Das kann man nur mit Vorsatz erklären. Der Arbeitgeber des Social-Media-Mitarbeiters sah das offenbar genauso - immerhin.

Nur eine Frage: Was hat der Twitter-Kanal von GoG mit Cyberpunk 2077 und CD Projekt zu tun?

>- Im Juni 2019 sorgte eine Ingame-Werbung für Aufsehen: Eine hart sexualisierte  Trans-Frau, deren Penis sich deutlich sichtbar unter dem Body (das Kleidungsstück) abzeichnet, die Werbung für einen Energydrink namens Chromanticore macht. Der Slogan: Mix it up. [https://g33kp0rn.files.wordpress.com/2019/06/d803fwowkaezcw3.jpg]
>
>Die Verteidung: Ist doch alles Satire, wir wollen zeigen, wie kaputt die Welt von Cyberpunk ist. Transsexuelle beklagen dennoch, dass Medien sie zumeist entweder for the lulz oder hypersexualisiert darstellen. Satire scheint hier nur als Deckmanten zu dienen, entsprechende nicht-PC Darstellungen einzubauen.


Schwierig. Ich finde hier eigentlich beide Argumente plausibel. Dass Cyberpunk so ziemlich alles überzeichnet, ist offensichtlich. Es macht einen Unterschied, ob eine derart hypersexualisierte Trans-Frau in einem zynisch-satirischen Cyberpunk-Universum auftaucht oder im neuen Professor Layton.

Gleichzeitig tauchen Trans-Menschen in bodenständigen Gegenwartsszenarien so gut wie nie auf, sondern werden gerne nur in zynischen Freakshows verarbeitet. Natürlich ist das ein frustrierendes Ungleichgewicht.

Ein positives Beispiel ist hier sicher "Mass Effect: Andromeda". Aber Cyberpunk will halt auch gar nicht Science Fiction sein. Insofern hat Cyberpunk hier vielleicht eine Chance vertan, aber es ist auch nicht ihre Pflicht, Transsexuellen in Sachen öffentliche Wahrnehmung unter die Arme zu greifen.

Der goldene Mittelweg wäre sicher der Verzicht auf die prominente Darstellung einer Trans-Frau mit riesigem Penis, verkörpert durch ein heterosexuelles Model, gewesen. Dass man damit in ein Fettnäpfchen springt, müsste jedem im Jahre 2020 klar sein. Und nimmt man das bewusst in Kauf, ist das halt nicht unbedingt besonders nett.

>Um noch mal auf die eingangs erwähnte Sache mit dem Geschlecht und der Stimme zurückzukommen: Trans-Personen sehen sich in der Form nicht ausreichend berücksichtigt. Warum ein derartiges Feature einbauen, dann aber nicht den letzten Schritt gehen? Denn gerade die Stimme stellt für viele Trans-Personen ein besonderes Hindernis dar, da sie sich nicht einfach mit Hormonbehandlung ändern lässt. Der Verdacht ist, dass es auch wieder nur als Gag dient, damit Spieler eine eine voll lustige Frau mit Schwanz als Charakter spielen können.

Diese Interpretation geht mir zu weit. Ich sehe hier keine vordergründige Verhöhung, jedoch sehr wohl eine bewusst eingebaute Begrenzung eines Charaktereditors, der einem sonst schier unendliche Freiheiten einräumt. Da stellt sich schon die Frage, warum die Wahlmöglichkeiten bei der Charakterkreation plötzlich hier enden?

Das ist doch fast mehr Aufwand und erfordert mehr bewusstes Nachdenken als auch hier zu sagen: Wir öffnen restlos alle Türen?

>Die aktuelle politische Lage in Polen – Verfolgung von LGBT-Aktivisten – sorgt zusätzlich dafür, dass auf derartige Vorfälle mit Skepsis geblickt wird. [https://www.codastory.com/disinformation/lgbtq-activists-in-poland/]

Und genau deshalb finde ich hier so manche Entscheidung von CD Projekt schon etwas kurios. Das Thema wird in Polen sehr prominent diskutiert. Das erschwert es, hier einfach nur punktuell von Unwissen und Unachtsamkeit auszugehen.

Insgesamt reicht das wohl alles nicht, um CD Projekt ernsthaft an die Wand nageln zu können. Dafür sind die einzelnen Punkte zu unterschwellig und zuweilen nicht eindeutig genug.

Aber diskussionswürdig sind die einzelnen Vorkommnisse schon. Und halt deren gemeinsame Richtung. Letztendlich geht es hierbei eh weniger um Schuldzuweisungen, sondern um Sensibilisierung. Wenn man andere Menschen nicht ohne Not marginalisieren und diskriminieren will, ist es wichtig, dass man dafür anhand solcher Beispiele ein Gespür entwickelt. Insbesondere dann, wenn es um Bevölkerungsgruppen geht, mit denen man in der eigenen Lebenswirklichkeit wenig bis gar keine Berührungspunkte hat.


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