Thema:
Paar abschließende Gedanken flat
Autor: token
Datum:15.10.20 08:42
Antwort auf:Oculus Quest 1 + 2 + 3 - Part 2 von Midnightmaster

Irgendwie scheint keiner was zur Hardware schreiben zu wollen, aber das soll mich nicht davon abhalten ;)

Quest 2 hätte das Potenzial zu einem Killerhybriden gehabt, aber da wo es auf der technischen Seite mit Performancewerten klotzt und mit großem Arbeitsspeicher daherkommt und auf dem Papier formidablen Displaywerten spart es sich an anderen Stellen mit teils absurden Entscheidungen die Butter vom Brot und lässt Oculus-Untypisch beim Blick ins Detail einiges an Feinsinn vermissen, einem Feinsinn den das Unternehmen bislang ausgezeichnet hat.

Wirklich idiotisch ist die IPD-Mechanik, wo man sich einfach wundern kann wer das durchgewunken hat und warum. Mir fehlt die Fantasie um zu verstehen wie man mit sowas tatsächlich Produktionskosten sparen könnte, wir reden hier von Plastik mit Einraststufen, ob das jetzt 3 oder 5 oder 8 sind sollte eigentlich egal sein, warum man dort eine derart grobe Kelle ansetzt muss man nicht verstehen.

Dies ist ein funktionales Detail, das wiegt schon schwer. Es gibt auch eine Reihe von so halb funktionalen Details. Etwa dass man in der höchsten IPD-Einstellung recht deutlich die eckigen Screenränder sieht. Ich hab eine Einstellung wo ich einen halben Shift zwischen Stufe 2 und 3 gemacht hab, was nicht einrastet, aber für den Moment stabil hält, und schon da kann ich ein Stück weit Ränder sehen.

Den anderen Punkt hab ich gestern bzgl. Headstrap angesprochen. Beim CV1 ist ein feiner stofflicher Überzug über der Gummierung am Hinterkopf, hier fehlt sowas, wer eine Glatze hat wird das merken.
Aspekte wie der fehlende Stoffüberzug im Innenraum sind funktional Wumpe, hier fehlt dann einfach nur ein gewisses Wertigkeitsgefühl.

Das größte Problem ist der LCD-Screen der sich im Verhalten bei Schwarzwerten als exakt so furchtbar herausstellt wie im Vorfeld befürchtet. Die Through-the-Lenses Videos die hier angeführt wurden sind äußerst unkritisch, sie paddeln schön an den Schmerzpunkten vorbei und schicken die Technik nicht in bei VR-Content vielfach gegebene Stresssituationen.

Bei einem Tetris-Effect muss ich nicht mal den OLED-Vergleich mit eigenen Augen gesehen haben um zu verstehen was da an Rauscheffekten verloren geht. Das merkt man schon im Spiel. Bei Games wo ich vergleichen kann tun sich in hellem Grau leuchtende Abgründe auf.
Nehmen wir HL:Alyx. Hier teasert schon das Valve-Logo was im Spiel Phase sein wird. Im CV1 stehst du in der Finsternis, die rot leuchtende Valve wird automatisch zum Fokuspunkt, zu düsteren atmosphärischen Klängen ist die Kopfdrehung nur erahnbar, dann kann man sie erkennen. Schon das Logo bringt einen auf Temperatur. Im Quest 2 mit seiner grauen Leuchttapete klappt die Wirkungskraft dieses Intros in sich zusammen. Es zieht sich im Spiel fort, der Horror den du im CV1 in Taschenlampenpassagen hast kollabiert und selbst bei nur leicht dunklen Ecken mit Schattenfall durch die dynamische Beleuchtung merkt man deutlich, hier fehlt was, und das was ist nicht kosmetisch, es ist das Fundament der Atmosphäre und Immersion dieser gezielt dunklen Inszenierungen. Der Witz eines Spiels wie Phatasmaphobia dürfte in einer Quest 2 brutalst leiden, ich persönlich will das nicht mal mehr testen, weil die Enttäuschung vorgezeichnet ist.

Solch ein Eindruck ist nicht allgemeingültig sondern hängt von persönlichen Präferenzen und der eigenen Wahrnehmung ab, aber für mich persönlich geht das gar soweit dass ich das als echten Dealbreaker begreife um das CV1 in Rente zu schicken. Höhere Auflösung schön und gut, aber gerade bei solchen Titeln komme ich persönlich zum Schluss dass der Downer des miserablen Schwarzwerts bei dunklen Umgebungen wo Schwärze dominiert deutlich schwerer wiegt als der Mehrwert des hervorragend minimierten Fliegengitters im Einklang mit klarerer Detailsicht. Das Potenzial zum Killerheadset war da, so wie es ist grenzt man sich dann aber doch ziemlich deutlich von hochwertigen Standalone-Lösungen für PCVR ab. Meine Meinung.

Da war jetzt viel negatives. Ich bin nichtsdestotrotz unheimlich begeistert über die Quest 2, das betrifft aber das Anwendungsszenario Standalone-VR mit voller Freiheit, wie fucking sauber da Content wie Beat Saber oder Pistol Whip oder Thumper oder oder oder performt. Ein unglaublich flashiger Gamechanger der komplett neue Anwendungsfelder möglich macht und sich bei manchen Games gar als unerwartete Aufwertung von Spielprinzipien erweist die für mich im Kabelbetrieb gar nicht möglich sind. Space Pirate Trainer hat mir mit Kabel kein Bock gemacht. Hier macht es Bock und zwar so richtig. Beat Saber 360-Grad-Level geben dem bekannten Prinzip mit der zusätzlichen Dimension ein Erlebnis mit wo ich geradezu baff bin wie krass anders das ausfällt und wieviel geiler das ist, als schöpfe dort das Game sein wahres Potenzial erst aus. Hab ich so nicht erwartet. Es ist auch alles so unkompliziert und schnell, spontan aufsetzen, freie Wahl der Spielfläche, Sitzend, Liegend oder stehend mit Roomscale-Gameplay, Wahnsinn. Und es sind letztenendes genau solche eher einfach gehalteneren Arcade-VR-Erlebnisse die mir in VR am meisten geben, nicht die "großen" Games, und hier ist die Quest 2 einfach nur ein Traum.
Ich liebe die Kiste und würde sie sofort und ohne mit der Wimper zu zucken erneut kaufen.
Ich hoffe dennoch dass man sich bei einem eventuellen Nachfolger wieder ein wenig besinnt was die Sparmaßnahmen angeht, oder zumindest zwei Modelle anbietet wo der technische Chipofen identisch ist, ich als User aber auch eine teurere Variante habe die sich nicht durch die Speichergröße unterscheidet, sondern über sowas wie Single-Screen vs. Dual Screen, Bums-IPD vs. Feinjustierung und vor allem LCD vs. OLED.


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