Thema:
Re:Potter bleibt 'ne Gelddruckmaschine. Aber was Rowling... flat
Autor: token
Datum:30.09.20 09:57
Antwort auf:Potter bleibt 'ne Gelddruckmaschine. Aber was Rowling... von Pezking

>...angeht, frage ich mich echt, welchen Lack die gesoffen hat. Die ist stinkreich und hat eines der erfolgreichsten popkulturellen Franchises überhaupt geschaffen. Die gute Frau könnte bis an ihr Lebensende nur noch Applaus ernten, Geld ausgeben und mit ihrem Vermögen und ihrer Strahlkraft wirklich Gutes tun, wenn ihr danach wäre.
>
>Und dann sucht die sich ausgerechnet diesen Hügel aus, um darauf zu sterben? WTF?
>
>Wo zur Hölle kommt bloß so eine leidenschaftliche Transgender-Feindseligkeit her?
>

Ich hab das ganze nicht verfolgt, aber ihren sehr ausladenden Blogpost gelesen weil ich mich gefragt hab, was dieser ganze Zirkus soll.
Ich erkenne darin durchaus irrationale Überzeichnungen von Ängsten und Drohszenarien die argumentativ ihren Standpunkt unterfüttern sollen. An diesen Stellen wird es durchaus heikel. Allerdings wundert mich sowas bei einem Menschen der aufgrund geäußerter Ansichten zum Hassobjekt eines Mobs avanciert und von diesem auf's unsäglichste attackiert wird nicht, dass man sich in so einer Position (sie spricht im Blogpost durchaus mentale Probleme bei ihr selbst an welche durch den shitstorm getriggert wurden, und das ist eine sehr menschliche und natürliche Reaktion auf so einen bullshit) auch zunehmend in der Argumentation verzettelt.

Davon ab ist da aber ein sehr ambivalenter Gedankenhaushalt der auf mich ein wenig unsortiert wirkt weil irgendwie ein roter Faden fehlt der übergreifende Lösungen anbietet, vielmehr zeichnen vorgetragene Sorgen einen Widerspruchscharakter. Etwa, sexuelle Desorientierung ist bei jungen Menschen nicht bemerkenswert sondern weit verbreitet. Das sehe ich auch nicht als streitbar, das ist so in jeglicher Hinsicht. Erwachsen werden ist für sehr viele Menschen ein einziges durcheinander. Und da sei es bei medizinischen Eingriffen durchaus angebracht dass speziell junge Menschen intensiv begleitet werden und durch einige Reifen springen müssen wenn sie derart dramatische medizinische Eingriffe als einen Ausweg aus dieser Orientierungslosigkeit begreifen, weil sie in den meisten Fällen einfach nur mit weit verbreiteten Identitätsproblemen zu kämpfen haben die sich irgendwann auch so geben.

Das Problem sehe ich da, wo ein mögliches Lösungsmodell, nämlich ein Gendereintrag ohne Eingriff im Verbund mit gesellschaftlicher Akzeptanz einer solchen Eigenwahrnehmung, auch nur als Drohszenario begriffen wird. Ihr eigener problematischer Hintergrund durch Gewalterfahrungen ist da auch sicher nicht hilfreich im Hinblick auf eine objektive Bewertung, dennoch kann man kaum von der Hand weisen dass speziell für solche Menschen ein Single Sex Space einen Sicherheitsraum offeriert, der ad absurdum geführt wird, wenn ein Mann sagen kann, ich bin eine Frau, und er damit instant Zugang zu solchen Räumen bekommt.

Letztenendes sind beide Standpunkte sicherlich kontrovers und streitbar, aber das ist es auch. Rowlings Sorgen sind natürlich eine Einbahnstraße mit eben solchen Zickzack-Mustern in der Argumentation. Es gibt keine logische Stringenz sondern eine Ansammlung von gedanklichen Anekdoten die für sich betrachtet keine Skandale sondern valide Bedenken darstellen, aber im Gesamtbild fehlt mir da die Reflektion darüber dass der Haushalt an Sorgen schon selbst diverse Widerspruchsreibungen mitbringt und eben eine Auseinandersetzung mit diesen.
Dort wo sowas fehlt, liegt der Verdacht der irrationalen Phobie nahe, denn solche Argumentationsmuster sind genau für solche Standpunkte typisch.

Aber, Rowling verneint nicht dass es Menschen gibt die vom Kopf her mit dem falschen Geschlecht ausgestattet wurden und begrüßt in diesen Fällen eine Umwandlung, der sie freilich dennoch eine eigene Geschlechtskategorisierung abfordert, was aus nachvollziehbaren Gründen streitbar ist, nur sind wir hier schon so weit weg davon dass ein Stempel "leidenschaftliche Transgender-Feindseligkeit" adäquat erscheint wie der Mond von der Erde.

Die Feindseligkeit erkenne ich nicht in streitbaren Ansichten einer durchaus diskursfähigen alten Frau die zähnefletschend in eine Ecke gedrängt wird, sondern in einer Gesprächskultur die jegliches Gespräch verweigert, egal mit wem man es zu tun hat, und nach binären Entscheidungsmustern auf Gewalt setzt um die eigenen Interessen durchzuprügeln. Ekelhaft.

Wer Rowling für einen Transgender-Teufel hält darf auch mal mit seinen eigenen Eltern in Diskurs über solche Themen gehen und sich die Frage stellen ob "anschreien" und "beschimpfen" und mit einem Hassstempel versehen angemessene Reaktionen wären wenn man da auf Reibungen der eigenen Perspektive und ihrer Perspektive bei solchen Themen konfrontiert wird. Denn die wird es geben. Und kein normal denkender Mensch würde das wohl tun. Aber im Internet? Volle Kanne Hoschis!

Dumme Scheiße. Und ich finde es bedenklich zu sehen wenn hochintelligente Menschen anfangen solche Mob-Phrasen nachzuplappern. Gleichwohl zeigt es auch deutlich auf warum dieser degenerierte Diskurs heutzutage so erfolgreich ist.


< antworten >