Thema:
Sehe ich anders flat
Autor: token
Datum:23.09.20 13:21
Antwort auf:Mich nervt diese Aufkaufgeilheit. von Pezking

Ein Plattformbetreiber kann ganz anders kalkulieren als ein freier Publisher.
Sprich, er kann seine Produktionen auch aus Perspektiven bewerten die über deren reine Wirtschaftlichkeit von Verkaufszahlen in Relation zu Produktionskosten hinaus gehen und Mehrwerte ziehen, die einem Publisher nix bringen.

Konkrete Beispiele:
1. Image
Arkane Studios ist eigentlich ein Prestige-Entwickler. Ihre Produkte bekommen teils sehr hohes Lob von Kritikern oder von Spielern, sind aber für sich betrachtet nicht unbedingt krasse Kassenschlager. Von dem Prestige was Arkane-Produktionen generieren kann sich Bethesda aber nichts kaufen, denn niemand stellt da irgendwelche Querbezüge her, wie geil ist denn Bethesda, weil Bethesda einfach nur Publisher und keine Plattform ist. Dass diese Spiele einen guten Ruf haben, ist nichts wovon sie sich was kaufen können, es geht primär darum mit diesen Produkten Gewinne zu erwirtschaften, so etwas wie das Image eines Publishers ist nicht unwichtig, aber eben signifikant unwichtiger als der Ruf einer Plattform und die dort verfügbaren Produkte.

Ein Arkane unter der Schirmherrschaft eines Plattformbetreibers kann entsprechend sinngemäß deutlich freier agieren, Verkaufszahlen sind nicht irrelevant, aber wenn man Kritikerlieblinge produziert, stiftet das ausreichend Werte für einen Plattformbetreiber, so dass dieser sie auch bei eher leidlichen Gewinnen machen lassen wird, solange sie diese Qualität abliefern die einen gewissen Imageeffekt mitbringt.

2. Produktionszeiten
Erneut kommt die Kalkulation des Publishers ins Spiel. Jede Minute die ein Titel im Produktionsstrang festhängt erzeugt laufende Kosten und bindet verfügbare Ressourcen die man in Produktionen einsetzt. Ein unabhängiger Publisher wird also so kalkulieren dass er im Hinblick auf die Produktionsdauer einen sweet spot aus Qualität und Wirtschaftlichkeit trifft. Auch hier kann der Plattformbetreiber anders kalkulieren und ein sehr viel höheres Augenmaß auf den Aspekt Qualität legen. Es gibt auch freie Publisher denen sowas wichtig ist, und auch Entwickler die einen hohen Eigenanspruch an das Endprodukt haben und auf it's done when it's done setzen. Aber grundsätzlich findet sich dieses Phänomen dass Endprodukte durchpoliert sind eher bei Produktionen von Plattformbetreiber wieder, was halt auch verständlich ist weil die anders kalkulieren können. Sowas wie Fallen Order wäre als exklusive Plattformproduktionen wohl noch länger im Ofen belassen worden, jo, ihr habt's drauf, schaut super aus, aber braucht noch Zeit um perfekt zu werden. EA sagt natürlich, ey, das ist ausreichend gut, das wird sich so verkaufen, euch ein Jahr mehr Zeit zu geben kostet uns mehr als es an möglichen Mehrverkäufen generieren würde, also raus damit.

3. Synergieeffekte
Speziell Sony hat in der PS4-Gen gezeigt, dass Studio-Übergreifende Zusammenarbeit, wenn sie gut gesteuert wird, jedes Studio besser machen kann als es eigentlich für sich betrachtet ist. Es ist jedenfalls auffällig wie viele Querbeziehungen man bei Sonytiteln gesehen hat, und das hat sowohl die Qualität der Titel als auch die Evolution der Studios befruchtet. Du hast einen Pool von unterschiedlichen Stärken und Schwächen wo eine clevere übergreifende Strategie Stärken katalysieren und Schwächen kompensieren kann. Hierbei haben wir auch gesehen, dass diese Synergien nicht mal auf den Pool der eigenen Studios geklammert sein muss. Bei Death Stranding gab es eben genau so eine Zusammenarbeit, man durfte die Horizon-Engine nutzen und auch schon Features der Engine abgreifen die eigentlich erst für die Folgegeneration implementiert wurden und hat guten Support genossen.


Ich persönlich sehe absolut nicht dass solche Dinge auch aus dem freien Markt heraus so fokussiert werden, wie man es bei Studios von Plattformbetreibern erkennen kann. Entsprechend bin ich ein großer Freund von Exklusivproduktionen da dort die Trefferquote für creme de la creme signifikant höher ist imo. Und das liegt in der Natur der Sache weil eben in einer Art und Weise kalkuliert und quersubventioniert werden kann, wie es im freien Markt nur schwer möglich ist.

Ich finde es natürlich auch maximal behämmert wenn sich jemand einfach nur freut dass sein "Konsolenfeind" bestimmte Produktionen nicht bekommt. Sowas wie timed exclusives sind Geschichten die ich selbst komplett unnötig finde und als Unart begreife wo es nur darum geht dass sich irgendwelche Giganten gegenseitig ins Becken pissen. Aber in Exclusives sehe ich aufgrund eines anderen dahinter stehenden Produktionscharakters etwas ziemlich tolles und etwas dass sich eigentlich auch nur Plattformbetreiber leisten können und leisten wollen.  
Natürlich kommt sowas nur dann zu Stande wenn ein Plattformbetreiber auch so denkt, so agiert und diese Strategie auch mit einer guten Kompentenz bei der Steuerung seiner Studios verfolgt. MS konnte das mal auch ganz gut. Aktuell werfen sie viele Fragezeichen auf was dieses Skillset angeht. Aber prinzipiell ist das ein guter Move der schon lange überfällig ist imo.


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