Thema:
Re:Nö flat
Autor: token
Datum:23.09.20 09:16
Antwort auf:Re:Nö von spinatihero

>>Es geht ja nicht nur um das digitale, sondern was die digitale Flatrate alles mitbringen wird, bin gespannt, ob es in ein paar Jahren noch solche großen Story Games wie TLOU2 gegen wird, oder ob sich das alles verschiebt und GaaS Standard wird.
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>Natürlich wird es die in ein paar Jahren geben, warum auch nicht? Wenn Du keine PS5 und die Spiele kaufst, dann natürlich nicht.
>
>Bei Stadia hat Token auch das Ende der Konsolen prophezeit.
>Stattdessen ist Streaming weiterhin kaum Thema und die Nachfragen nach Konsolen sehr hoch.


Nein, hab ich nicht, jedenfalls nicht so dass hier irgendwas über Nacht passiert wie du es mir hier unterjubeln willst.
Ich hab lediglich geschrieben, und das schon bevor Stadia angekündigt war, dass ich in stationären Konsolen langfristig ein Auslaufmodell sehe und die Zukunft in Streaming von Spielen auf schlanken Clients oder in Apps auf gängigen Clients. Und dass ich sowas persönlich eben nicht negativ sehe, sondern viele Vorteile ausmache. Aber auch dass dieser Wandel noch weit in der Zukunft liegt.

Bei Stadia war ich nur nach dem ersten sehr professionell gemachten Promovid das offenkundig an Coregamer gerichtet war, nur ziemlich baff dass schon jetzt ein Player wie Google sowas derart konsequent als Hauptdienst anschiebt. Der Gedanke war, wenn Google sowas macht, dann hat das Hand und Fuß. Da hatte ich Google einfach hoffnungslos überschätzt und als in Folge konkretisiert wurde wie deren Paket eigentlich ausschaut hab auch ich nur kurz gekichert, mit dem Kopf geschüttelt und in bester Maniac-Manier meine Vorbestellung storniert.

Und bei GP hatte ich lange keine Bedenken weil MS und das halt so ein Zweitdienst war den ja auch ich bei den "Alles muss raus"-Deals über einen längeren Zeitraum abgeschlossen habe. Erst als MS anfing mit den Milliarden um sich zu werfen und damit signalisiert hat dass sie es komplett ernst meinen und komme was wolle durchziehen werden, hab ich mir das angesehen und "fuck" gedacht.

Ich würde alles unkritischer sehen wenn MS zumindest den Day1-Markt gegen GP abgrenzen würde, so wie es bspw. EA gemacht hat. Denn da liegen die Hauptsorgen, was ist in 5 Jahren? Falls das Erfolg hat wird es Kunden in ihrem Preisgefühl umerziehen, die Verfügbarkeit von Flatrates hat noch überall die Gesamtumsätze durch Käufe kollabieren lassen, das ist die Natur solcher Verfügbarkeiten zu solchen Preisen, und insofern erwarte ich bei Games keinen anderen Effekt. Wie soll also ein 3rd oder ein anderer Plattformbetreiber eine Produktion im dreistelligen Millionenbereich stemmen, wenn die Refinanzierungsmasse durch Day1-Verkäufe, wo aktuell der Löwenanteil der Refinanzierung herkommt, signifikant abbaut?

Falls es so käme wie ein anderer User fragte, "Wird TES Microsofts Mulan?", sprich, es fände eine Abgrenzung zum Sales-Markt statt, würden schon zwei bis drei Sorgenfalten ob dieser Strategie verschwinden. Aber da MS ernst macht und aktuell das komplette Xbox Studios Portfolio Day1 in den GP spült, sehe ich genau das nicht kommen.

Kurz, meine Befürchtung ist, MS macht da was bei dem es sukzessive die Wertigkeit von Content angreift, was der kompletten Industrie zu knabbern geben wird, und hätte als Treppenwitz selbst nichts in der Hand, was rentabel funktioniert, weil es das mögliche Wachstum im Coremarkt für Videospiele, also die erreichbare Anzahl an Abonennten, gnadenlos überschätzt und selbst nicht über diese kritische Masse die es braucht damit so ein Dienst zumindest für sie läuft, hinaus kommt. Um mal Größenordnungen anzuführen, schaut man nur auf die Abokosten und geht von 100 Mio. dauerhaften Abonnenten aus, wo ich pi mal Daumen schon eine ziemlich gute Marktsättigung sehen würde, hätte man auf den reinen Abopayments einen Jahresumsatz von 12 Milliarden bei nem 10er.
Ich weiß dass das stark simplifiziert ist, die Umsätze sind höher weil sehr viel mit Ingame-Transaktionen gearbeitet werden wird, durch Umsatzausfälle wird man kompensieren müssen, sprich, ITX wird durch ein GP Modell befeuert werden, was ich auch nicht cool finde aber ich schweife ab...

Nochmal, diese 12 Milliarden die man bei fast schon optimaler Marktsättigung sieht sind ein Pups wenn man auf die eigentlichen Gesamtumsätze der Industrie schaut, aber wenn GP zum Standard wird, dann spielt da auch schon die Musik. Der ganze Apparat, von Microsoft über Sony bis hin zu Läden wie Ubisoft und freien Entwicklern die sich mal hier und mal dort publishen lassen, isst aus einem gemeinsamen Suppentopf. Und wenn die Suppe in diesem Topf signifikant weniger wird, werden viele Esser verhungern und speziell Produktionen die auf Day1-Käufe im Millionenbereich angewiesen sind, haben ein Riesenproblem wenn die Day1-Kaufbereitschaft in der Breite signifikant zurück geht.

Und wenn all das durch ein Geschäftsmodell ausgelöst wird, das schon nach meinem Empfinden für den Auslöser nicht rentabel sein kann, jedenfalls nicht in der Form wie man es aktuell betreibt und bewirbt, dann sehe ich halt nix was unseren Contentmarkt und Hobby bereichert und cooler macht, sondern einfach nur wieder einen Frontalangriff auf die Industrie, getrieben davon dass man sich von diesem Markt mehr versprochen hat, und halt auch mehr aus ihm rausquetschen möchte.

Und wo man sich mit der One vom Coregamer abgewendet hat und den Casual mit einer körpergesteuerten Wohnzimmerzentrale anvisiert hat weil die Kundenzahl im Coregamermarkt nicht genug für die eigenen Ambitionen war, und damit eine hanebüchene Fehlannahme hatte, wo am Ende der Wii-Casual nicht rübermachte zu MS sondern sich nach dem kurzen Gamingausflug mit Körpersteuerspielen schon wieder ein anderes Hobby gesucht hat, hat man zudem auch noch den eigentlich treuen Coregamer verprellt und zur Konkurrenz gescheucht. Und jetzt tun sie es schon wieder, nur eben mit der Rechnung, dass der Coregamermarkt seinen Cap eben nicht bei pi mal Daumen 100 Mio. pro Plattformgeneration je Anbieter hat sondern eigentlich viel viel größer wäre, wenn Spiele nur günstiger und einfacher verfügbar wären.  

The world is not enough. Und wenn die Realität des Mediums mit der Natur seines Contents nicht mehr hergibt, dann wird halt der Wunsch zum Vater des Gedankens. Dass man mit solchen Multimilliardenexperimenten die Spielregeln der gesamten Industrie per Holzhammer auf den Kopf stellt, einfach weil man es kann, drauf geschissen. Wenn es sich nicht rentiert wird man sich endgültig vom Acker machen und einen Scherbenhaufen hinterlassen.

Ich hab auch keinen Abschluss an der Nostradamus-Universität, es sind persönliche Schlüsse zu denen ich hier komme wenn ich das Gesamtbild betrachte, und nichts wünsche ich mir mehr als diesbezüglich kompletten Unfug zu schreiben.
Aber das ist halt aktuell die Einschätzung zu der ich komme.
Und ich hab auch noch nichts gelesen was mich ob dieser Einschätzung beruhigen würde.


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