Thema:
It's the end of the world as we know it flat
Autor: token
Datum:22.09.20 05:39
Antwort auf:MS kauft Zenimax/Bethesda von 2d2d2d

And i DON'T feel fine.

Ich hatte ja schon einen längeren Post zu meiner Perspektive auf Game Pass geschrieben. Im Grunde könnte ich hier genau das gleiche schreiben.
Lediglich der Satz dass MS nun den letzten Zweifel ausgeräumt hat ernst zu machen, der da noch auf den EA-Deal gemünzt war, kann man nach dem Zenimax/Bethesda-Deal in Großbuchstaben schreiben, mit drölfzig Ausrufezeichen versehen, und vielleicht noch paar Martinshörner an diesen schrauben.

Was hier passiert ist einfach folgendes.
Microsoft ist bereit jetzt über mehrere Jahre hinweg, über Jahre hinweg, Jahr für Jahr in diesem Geschäftsfeld Milliarden zu verlieren. Das ist genau das was auf einer fiktiven Kassenposition passiert. Jedes Jahr wird man MILLIARDEN mehr an Ausgaben als an Einnahmen haben. Nicht ein mal, nicht zwei mal, nicht drei mal. Häufiger. Und all das soll dann auch noch durch einen Turnaround wieder reingeholt werden.

Das ist nicht das was in der Bilanz passiert, dort hat man Wachstumsprognosen, sieht Game Pass als Investment, wo diese Milliarden über Jahre hinweg abgeschrieben werden. Und da gibt es halt Annahmen dass das nicht schlimm ist, weil es einen Turnaround zu einem einträglichen Geschäftsfeld geben wird.

Ich würde gerne diese Annahmen und die dahinter stehende Rechnung sehen. Was da steht kann wenn man sich diese Zahlen vor Augen hält und vor Augen hält wie dieser Markt bislang funktioniert hat, einfach nur komplett irre sein. Nicht ein wenig irre, komplett irre.

Game Pass, ausgeführt mit einer derartigen Konsequenz und mit einem Konzern im Rücken der so ein Experiment stemmen kann, und offenbar daran glaubt und auch stemmen will und stemmen wird (solche Beträge nimmst du nicht in die Hand und lässt 24 Monate später von der dahinter stehenden Strategie ab, egal wie es läuft), ist nichts wo es irgendwie um MS vs. Sony und Xbox vs. Playstation geht.

Game Pass betrifft jeden Player der Branche dessen Standbein Sales-Modelle abbilden. Alle sind betroffen. Nicht nur Sony. Auch Ubi. Auch Acti. Sega. Nintendo. Alle. Profitieren tun lediglich Unternehmen die auf Service- oder F2P-Modelle setzen. Sie werden da etwas sehen was die Potenziale erhöht eine höhere Hardwarebasis in den Markt zu bringen, und somit auch eine Erhöhung von Kundenpotenzialen.

Aber jeder der auf Sales-Modelle setzt hat nun gleich mehrere Probleme. Game Pass übt eine hohe Entwertung von Content aus. Du verkaufst ein Spiel zu Kosten die ein 3/4-Jahr Game Pass als Gegenwert haben. Ist SO ein Gefälle vor der Kundschaft tatsächlich noch tragfähig? Da habe ich Zweifel. Und genau das wird alle treffen, so eine Verschiebung des Preisniveaus von Content ist nichts was in einer Aboblase stattfindet sondern jeden trifft der Content verkaufen möchte.

Aus Vogelperspektive heißt das, du hast einen Player der über einen längeren Zeitraum hinweg MASSIV unter den Marktkonditionen agiert welche die Überlebensgrundlage für eine ganze Branche bilden. Dieser Player verändert so die Spielregeln der ganzen Branche. Stell dir vor dein Geschäft ist es Brötchen zu verkaufen, und da kommt jemand in den Markt und verkauft nun über Jahre hinweg Brötchen zu einem Preis der noch unter den Kosten der dafür notwendigen Zutaten liegt. Und während ihm selbst dieser Move komplett schnuppe ist, musst du in so einem Markt weiter deine Gewinne erwirtschaften und gehst daran kaputt wenn dir das nicht gelingt. Denn diese bilden deine Existenzgrundlage.
Aber wie soll das gehen wenn schon die Zutaten teurer sind als die Verkaufspreise die Kunden noch bereit zu zahlen sind?

All das wäre nicht schlimm, wenn das Modell von Microsoft wirklich gewinnträchtig wäre. Dann könnte man sagen, das sind die Zeichen der Zeit. Branchen verändern sich. Wer als Player in einer Branche agiert muss in der Lage sein sich unter sich verändernden Marktkonditionen neu zu erfinden. Das gilt aber natürlich nur dann, wenn diese Marktkonditionen tatsächlich gewinnträchtig sind. Heißt, wenn sich unter solchen Konditionen per se keine Gewinne erwirtschaften lassen, was zum Henker willst du dann machen?

Schon krass wie selbst in einem Freakforum wie hier beim Großteil der User jegliches Fahrgefühl dafür fehlt, dass hinter ihrem Content ein Markt steht bei dem Gewinne erwirtschaftet werden müssen. Dass dieser nicht von Luft und Liebe lebt. Dass hinter Contentgeneratoren Mannschaften stehen die eine jährliche Kostenstelle im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich bilden, und wo dieser Invest dann per Release mit Sales-Modellen überkompensiert werden muss und es wenn das auch nur einmal nicht aufgeht schon Puff für den Laden machen kann.

Man sieht nur, boah, ich kriege Spiele "geschenkt", aber sich damit auseinandersetzen was das bedeutet möchte man nicht. Die werden sich ja schon was bei gedacht haben, gell?
Was das eigentlich heißt wenn ein Konzern sagt, yeah baby, könnt ihr euch dran erinnern wie geil das war als das noch mit Raubkopien so einfach ging? Hell yeah, das machen wir jetzt legal, Raubkopien für alle.

Denn die Wahrheit hinter Raubkopien ist ja, die sind nicht UMSONST. Rohlinge, Videothekenverleih, Käufe auf Schwarzmärkten, Umbauten von Konsolen, es ist auch ein großer Markt mit großen Umsätzen gewesen, Kosten für RK-Gamer dürften übers Jahr gerechnet durchaus ähnlich zum GP-Abo gewesen sein. Nur ist da halt jedem klar warum die Branche nicht in der Lage ist solche Konditionen selbst anzubieten. Weil sie unter solchen Konditionen nicht wirtschaftlich gewesen wäre. ES SEI DENN! Viel Viel Viel Viel Viel mehr Menschen würden Videospiele spielen.

Vereinfacht veranschaulicht, wenn ich für 80 verkaufe, und derjenige der ein Verlustgeschäft macht für 10, dann kann ich nur dann einträglich für 10 verkaufen wenn ich ACHT MAL SO VIELE Kunden habe. Ist das für die AAA-Industrie wirklich ein realistisches Zielbild? Again, wie gerne würde ich mal die Annahmen auf dem Paper sehen wie man GP jemals in eine Gewinnzone holen möchte, welche nicht nur einträglich ist, sondern auch noch ein bis dann mindestens zweistelliges Milliardeninvestment wieder über die Zeit reinkehren soll.

Whatever. Was Microsoft gerade treibt schlägt aktuell zu Recht verdammt hohe Wellen. Wir sind live dabei wie ein Player einen Gamechanger für eine ganze Industrie ins Feld trägt, Ausgang ungewiss. Das Mindset von MS ist hierbei natürlich Weltherrschaft. Das ist es immer. Das ist halt das womit sie sich beschäftigen, nicht die kleinen Fische, komplett uninteressant. Aber das ist kein lieber Onkel. Das ist ein Unternehmen was nach einer anderen massiven Investmentphase plötzlich Knall auf Fall beschlossen hat dass es den Retailmarkt abschaffen will und einen neuen Watercooler ins Wohnzimmer stellen wollte, als sie nicht ganz zufrieden damit waren lediglich Augenhöhe in einem Markt erarbeitet haben, in dem sie initial sehr viel höhere Wachstumspotenziale antizipiert haben als er letztlich hergab.

Was werden sie sich wohl das nächste mal ausdenken wenn sie mit so einer Grundsatzproblematik konfrontiert werden, und ist dann überhaupt noch jemand am Leben der dem ein Gegengewicht setzen kann?
History repeating. Nur mit dem Unterschied dass man damals immerhin noch nach den Regeln des Marktes agiert hat, und nicht mit einem Geschäftsmodell angeritten kam was diesen komplett auf links gedreht hat.

Ich mache mir nun aufrichtige Sorgen um die Überlebensfähigkeit von Sony und unabhängigen Softwarekonzernen. Ich hoffe dass zumindest die Nische in die sich Nintendo verkrochen hat halbwegs stabil bleibt. Ich versuche es für mein Hobby pragmatisch zu sehen. Wir haben einen funktionierenden Indiemarkt, dieser kann aufgrund deutlich geringerer Produktionskosten wo selbst irgendwelche 1-Mann-Projekte mitunter überzeugen können, auch in einer Welt in der es GP gibt funktionieren, vielleicht gar von sowas profitieren. Solche Produktionen sind vor dem Hintergrund was ein AAA-Produkt an Kosten in ihrer Produktion verschlingen ein Taschengeld und die ganze Szene könnte von dieser Geberlaune in der sich MS aktuell befindet insgesamt massiv profitieren. Und es gibt auch pfiffige Midtiers die auch mit kleinen Teams erstaunliche Schauwerte auf die Kette kriegen die sich nicht allzu groß vor Giganto-Produktionen verstecken müssen, siehe sowas wie "A Plague Tale".
Und selbst wenn Microsoft irgendwann doch merken sollte dass ihre Rechnung hanebüchen war, dann Remodellierungen von Preismodellen macht welche die Kundschaft dann nicht mitgehen möchte, und dann die Lust verliert und sich lieber woanders ausprobiert und einen Scherbenhaufen hinterlassen sollte, kann man aus einem solchen auch wieder auferstehen. Es wäre nicht der erste Crash.

Aber ob man mittelfristig überhaupt noch so Spiele ein TLoU2 stemmen kann? Ich weiß es nicht. Wenn GP Erfolg hat, wird es nur ein Unternehmen geben was die Ressourcen dafür aufbringen kann, weil es ihnen egal sein wird, dass dieser Invest auch über Sales wieder refinanziert werden muss, und zwar instant um die nächste Produktion zu stemmen, und nicht in 10 Jahren in einer fiktiven und wahrscheinlich wahnwitzigen Managementprognose.

Klar ist aber auch, Leute die das ähnlich kritisch sehen, sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich kann weiter Spiele kaufen und das Modell unterstützen was ich für tragfähig halte weil es offenkundig tragfähig ist, und das andere Modell aus Überzeugung sabotieren, obwohl es mir weh tun wird weil es dort interessante Produkte geben wird. Es interessiert einen Toten.
Es gibt was "umsonst". Was das für das eigene Hobby heißen wird und wo das hinführt? Drauf geschissen. Yolo. Sind ja eh alles Raffgeier die in Milliarden ertrinken und uns nur melken und verarschen, so einfach ist das. Auch hier scheint in der Breite keinerlei Fahrgefühl für vorzuherrschen dass am Ende des Tages Gewinne erwirtschaftet werden müssen, Spiele nicht vom Himmel fallen, und dass das was MS da gerade probiert keine autonome Insel ist sondern ein massiver Wirbelsturm den man durch die ganze Industrie zirkulieren lässt.


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