Thema:
Hartes Game flat
Autor: token
Datum:02.09.20 08:48
Antwort auf:Nioh 2 von Faerun

Ich hab hier noch keine abschließende Meinung.
Es gibt vieles was mir hier schlicht zu ausladend verkopft ist.
Ich schätze Bloodborne dafür dass es sich im RPG-Unterbau auf ein Arcade-Level reduziert.
Es ist recht überschaubar was man da verstehen muss, ist man schnell drin.
Souls ist da ausladender, aber immer noch recht überschaubar.
Nioh 2 ist crazy. Komplett durchgeknallt.

Weiß gar nicht wo man anfangen soll. Nioh 2 hat etwa 13 Skilltrees, also mehr Trees als manch Game Skills mitbringt. Innerhalb der Trees hat man dann noch deutlich mehr Äste und Punkte zum Freischalten, dabei sind Äste auch noch kontextuiert. Die Skilltree eines Waffentyps schaltet etwa eigene Skills zu den unterschiedlichen Waffenhaltungen ein, denn auch da wird aufgefächert, mit der niedrigen, mittleren und hohen Waffenhaltung, die alle ihre Eigenheiten und eigenen Moves mitbringen. Zu den Freischaltungen gehören dann auch eigene Kombos. Das ist auch längst nicht alles, Waffenskilltrees müssen über den Gebrauch der Waffe freigeschaltet werden, diverse Skills sind blockiert weil sich erst durch andere Anforderungen, wie den Abschluss von Missionen, verfügbar gemacht werden müssen. Das ist noch nicht alles, aber es reicht. You get the idea.

Diese Form von ausladendem Auffächern auf den Mechaniken zieht sich wie ein roter Faden durch alle Layer der gegebenen Spielsysteme. Weitere Scherze wie eine Bestienform, Specials von Bestien in Normalform, Seelenkerne die diese Specials beinahlten und gereinigt und eigesetzt werden müssen, und Loot Loot Loot wo Waffen und Rüstungen und Items droppen, wobei erstere auch jeweils eine Wagenladung von Perks mitbringen.

Ich schließ mal ab. Nioh 2 ist ein einziges Fest für Spielertypen die es lieben sich in Spielsystemen die eine Wissenschaft für sich sind zu vergraben, und dort mit builds die Spielfigur schon fast auf Sandbox-Niveau customizen zu können. Gleichwohl muss man um das können diese Wissenschaft erstmal verstehen. Was durch die irrsinnige Menge an Möglichkeiten echt nicht einfach ist, speziell wenn man wie ich, auf genau sowas gerade eher wenig Öcke hat.

Es ist nichtsdestotrotz sehr beeindruckend was für ein Mechanikmonster hochgezogen wurde. Speziell Endgame-Fans von Diablo sollten sich das hier mal wirklich dringend ansehen, es dürfte ein gerade solchen Spielertypen ein riesiges Vergnügen sein sich da auszutoben, ich denke, beim Betrachten der Skills, dass es hier zudem auch möglich sein sollte die Kernmechaniken über spezielle Builds auszuhebeln und sich wirklich krasse Motherfucker hochzuzüchten. Des einen Freud ist da aber auch des anderen Leid, wer Light-Mechaniken schätzt wird von Nioh 2 initial geohrfeigt bis die Backen brennen.

Cool ist, dass sich diese Optionswut zum customizen durch alle Aspekte des Spiels zieht. Du willst die Steuerung verändern. Tob dich aus wie du magst. Absolut vorbildlich, hier ist alles am Start was ich bei BoT noch vermisst habe. Und der Chareditor gehört zum besten was ich da je gesehen hab. Ein Traum.

Geil ist auch die Technik. Ich hab mir nur den Performancemode angesehen, aber hier sind die 60fps auch sattelfest. Zwar gibt es Situationen wo es dropt, aber die sind selten. Das ist ein echter 60fps-Modus und nicht der Framerate-Fahrstuhl wie man ihn von den meisten anderen Spielen die sowas haben kennt.

Zuletzt der SKG. Mein erster Gedanke nach einer Stunde Spielzeit war, lecko mio, das meinen die doch nicht ernst? Das liegt aber auch daran dass Nioh vom Spieler erwartet sich eigenartige Grundmechaniken des Kampfsystems anzueignen. Wichtig ist da der KI-Impuls. Wenn man schlägt verbraucht man Stamina, so weit so bekannt. Nach dem letzten Hieb den man ausführen möchte gibt es ein kurzes und eigentlich nicht schwer zu treffendes Zeitfenster wo man eine Taste drückt um einen KI-Impuls zu zünden. Zu Beginn ist das vor allem für das Stamina-Management essenziell. Nutzt man die Funktion nicht, hat man da nämlich ein Problem, rein- raus- Angriffe machen nicht genug Damageoutput um Kämpfe äußerst zäh geraten zu lassen, und da selbst einfache Gegner recht harte Angriffe die weh tun mitbringen, gehen lange Tänze an die Nerven. Man muss also den Impuls nutzen um bei effektiven Angriffen nicht plötzlich mit heruntergelassener Hose vorm Gegner zu stehen. Aber solche eigenwilligen Mechaniken muss man mit Ü40 erstmal in den Kopf kriegen. Wenn ich mich konzentriere und den Impuls aktiv im Hinterkopf halte, krieg ich das schon ganz gut hin, von einer Automatisierung dieser Mechanik bin ich aber noch weit entfernt. Nioh 2 wäre auch nicht Nioh 2 wenn am Impuls nicht noch viel mehr hängen würde und man da auch gewisse Dinge über Skills customizen könnte, aber damit fang ich gar nicht erst an.

In Summe bin ich also ziemlich bedient, wer Bock auf so ein Sandbox-System hat, den erwartet ein Festmahl. Wer nicht, den erwartet ein clusterfuck von Funktionen und Synergien.

That being said, gibt es aber auch etwas in Nioh 2 was diesen ganzen Wulst massiv entzerren kann. Nämlich den Coop. Dieser scheint keinerlei Skalierung mitzubringen welche das Spiel im MP schwerer macht. Schon mit zwei Spielern wird der SKG so von Stahlbad zu einem nicht anspruchslosen Spaziergang, und es gehen gar drei Spieler im Coop. Die Netztechnik funktioniert auch blasenfrei, da gibt es kein Generve. Zwar ist das rufen von Mitspielern an ein Verbrauchsitem gebunden, aber dieses kann man sehr unkompliziert und rasch und quasi überall recht leicht farmen. So kann man da wo Spieler gestorben sind, deren Leichen zu einem Kampf herausfordern. Überhaupt kein Ding.

Das Spiel wird im MP also derart einfacher, dass man auch gut unterwegs ist, wenn man sich nur oberflächlich mit dem mechanischen Unterbau beschäftigt.

Gerade für Coop-Freunde erweist sich Nioh 2 so als unerwartete Perle, bei der man sich von dem Ruf des Spiels hinsichtlich SKG und Komplexität nicht abschrecken lassen sollte, da die Wucht dieser Aspekte im Coop trivialisiert wird.


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