Thema:
Durch. Mehr als OK +++ kpl. SPOILER auch zu Teil 1 +++ flat
Autor: michelangelo99
Datum:04.08.20 14:42
Antwort auf:The Last of Us Part II #3 von Gunpriest

Da die Diskussion hier gerade wieder etwas Fahrt aufnimmt, hier noch mein Crosspost aus dem PP.

Ist etwas länger geworden, da ich nichts unbegründet hinschludern wollte und ja sonst eher kaum was aufs Papier bringe ;)

Ich darf vorwegnehmen, dass das Spiel bei mir absolut gezündet hat, daher klingt das am Ende alles vielleicht etwas euphorisch und oft subjektiv. Aufgrund der Länge wollte ich da aber auch nicht mehr allzu viel rumbasteln, von daher spielen da vermutlich auch viele positiven Emotionen mit rein. Aber naja, etwas Lob bei all dem (durchaus berechtigtem) Gegenwind hat das Spiel imho jedenfalls verdient. Auf jeden Fall sorgt es noch immer für teilweise echt lesenswerte Diskussionen, bei denen ich alle konträren Meinungen zum großen Teil gut genug nachvollziehen kann.

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Es folgen unmarkierte Spoiler überall, und Achtung, das gilt auch für Teil 1!
Ich werde nichts auslassen, daher nicht weiterlesen, wer's nicht gespielt hat.

Nun, wo fange ich an, wie ordne ich am besten meine Gedanken, wie bringe ich Struktur in das, was mich die letzten 5 Wochen so intensiv begleitet und beschäftigt hat?

Ich denke, ich erkläre euch noch mal kurz den Background, wie ich zum Vorgänger stehe und was ich vom 2. Teil so erwartet habe. Vermutlich endet später alles in einer unübersichtlichen wall of text. Ja, bestimmt wird es so kommen.

TLoU 1 ist neben Breath of the Wild mein persönliches Spiel der letzten 10 Jahre, ich habe es einige Male auf allen Schwierigkeitsgraden durchgespielt,  sowohl auf der PS3 als auch das Remaster auf PS4. Ich würde behaupten, ich kenne da so ziemlich jeden Stein und noch so kleinen Dialog. Das Spiel hat mich damals auf mehreren Ebenen abgeholt und über die Jahre immer wieder gerne mal hat spielen lassen.

Da wäre zunächst das Setting "Zombie-Apokalypse". Ja, lass sie heißen, wie sie wollen. Infizierte, Beißer, Untote, egal. Auch wenn es mittlerweile ziemlich ausgekaut (hö) klingt, ich werde davon einfach nicht satt.

Alles, was mich irgendwie anknabbern und tot sehen will, habe ich gern vor der Flinte. Das darf dabei gruselig/horrormäßig/blutig daherkommen, nehme ich alles.
Endzeitszenarien sind ebenfalls genau mein Ding. Zu sehen, wie alles verfällt, was mal war, wie es ist und wie es wird. Welche Strukturen bilden sich nach Kriegen, nach Katastrophen und tödlichen Pandemien?

Wer überlebt, und wodurch? Was wird getan, um ein System zu etablieren oder zu stabilisieren? Ich finde sowas immer wieder faszinierend, quer durch alle Formate wie Film, Literatur und nicht zuletzt die interaktiven Medien.

Wenn zu den "üblichen" Problemen wie Zivilisationsverlust auch noch die Untoten-Komponente ins Spiel kommt, umso besser.

Dass man in TLoU die ersten Momente des Beginns des Ausbruchs mitbekommt, die nackte Panik, das Konfuse, das Bemühen, die eigene Haut und die Familie da irgendwie rauszuholen, und die verzweifelte Erschütterung, wenn einem dennoch das Liebste genommen wird, war in meinen Augen die Basis für das ganze Spiel. Und da wären wir auch beim zweiten Trigger, der mich vor allem emotional auf eine wilde Reise mitgenommen hat.

Ich bin selber Vater, Joel's Tochter Sarah war ungefähr im selben Alter wie meine Älteste damals, auch optisch sehr ähnlich und hat natürlich den Beschützerinstinkt in mir ohne Ende gefordert. Da hatte das Ende des Prologs natürlich einen enormen Impact auf mich, so dass ich letztendlich bei allem, was Joels Entscheidungen danach in Sachen Ellie betraf, voll mitgehen konnte. Bis zum bittersüßen Ende.

Ich will nicht vergessen zu erwähnen, dass ich auch Stealth sehr gerne mag. Ich liebe das Element einfach, schon seit MGS, Splinter Cell & Co. habe ich immer versucht, bloß keinen Schuss abzugeben und unbemerkt durchzukommen. So bekloppt das klingt, selbst CoD hat für mich die stärksten Momente und besten Missionen, wenn Stealth und Snipereinsatz gefordert sind.

Wenn all dieses Punkte gleichzeitig zusammen kommen, durch feines Storytelling filmreif inszeniert werden, das Spiel und dessen Spielbarkeit stets fühlbar sind und das audiovisuelle Grundgerüst einen dabei einfach nur in den Sitz drückt, kommt man Ende eben das dabei raus, was viele Leute einschließlich mir bis heute als eines der wegweisendsten Stücke Software der letzten Jahre feiern.

Natürlich steht außer Frage, was ich mir nach all den Jahren von einem Nachfolger erhofft habe. Etwas mehr von allem einfach, ein neues Level an Naughty-Dog-Perfektion, natürlich tolles Ellie-Joel-Teamplay und wieder ein top Writing, das mir gerne eine weitere emotionale Achterbahnfahrt bescheren und mir mal wieder ein paar Tränchen rausdrücken darf.

Um das alles in angemessenem Rahmen zelebrieren zu können, habe ich mir eigens eine PS4 Pro zugelegt, weil ich wirklich ungerne so ein Rumgezuckel wie in Days Gone zu Release auf der Base-PS4 erleben möchte. Apropos und bevor ich es später vergesse: ich vermute, angesichts der Qualität von TLoU2 dürfe es Days Gone schwer haben, jemals auch nur wieder einmal von mir gespielt zu werden, da bin ich glaube ich jetzt einfach versaut worden. Das ist mittlerweile wohl echt 2. Liga, so gerne ich es auch gespielt habe. Vor allem die Dialoge, Cutscenes und Story könnte ich mir nach dieser Offenbarung nun schwer nochmal geben, denke ich.

Aber keine Bange, ich steige mit meinen Eindrücken irgendwann auch mal ins Spiel ein, will das aber nicht tun, bevor ich hier noch kurz schildere, wie genau ich mir TLoU 2 in den letzten Wochen zurechtgelegt habe.

Ich habe 1-2 Tage vor Release noch schnell den ersten Teil durchgezogen, um wirklich auf den Punkt genau wieder alles frisch auf dem Teller zu haben. Und es war wieder großartig.

Meine Frau und ich haben danach TLoU2 abends zur Prime-Time jeweils ca. 2 Stunden auf Normal gezockt. Sie wie üblich den Exploring-, Sammel- und Craftingpart, ich die Gefechte und alles, was mit Gegnerkontakt bzw -vermeidung zu tun hatte. Danach habe ich oft noch meinen eigenen Spielstand auf Hard drangehängt und bis zu genau dem Punkt gespielt, an dem wir vorher aufgehört haben. Dadurch, dass ich schon 1-2 Stunden vorher auf normal eingespielt war, waren die Gefechte auf Hard kein wirkliches Problem, und der Sammelkram war auch schneller gemacht.

Danach dann, wenn noch ein halbes Stündchen übrig war, habe ich mir tatsächlich noch das Knallhart-Durchgenommen-LP von Nils und Simon zum Nach(t)tisch reingepfiffen. Einfach, weil man dabei wunderbar entspannen konnte, man noch mal linsen konnte, wo die beiden vielleicht ein Goodie mehr abstauben konnten als ich, aber einfach, weil die beiden das super unterhaltsam und sympathisch gemacht haben. Sehr zu empfehlen, btw.

Was ich damit sagen will, ich habe vermutlich so alles vom Spiel an Dialogen, Hinweisen und sonstigem Kram mitbekommen, ohne dass mir hier groß was entgangen sein sollte. Das möchte ich deshalb erwähnen, da  mir beim Querlesen durch viele Kommentare (was ich jetzt endlich nachholen konnte) aufgefallen ist, dass imho einige Leute entweder akustisch nicht alles mitbekommen haben, beim Zocken nicht aufmerksam waren, dabei gequatscht haben oder schlicht durchgerushed sind. Natürlich kam da im Laufe dieses doch recht langen Spiels einiges an Dialog und Text zusammen, es hat mich aber gewundert, dass da viele essentielle Sachen bei den Spielern nicht angekommen sind und so für merkwürdige Nachfragen und Subthreads gesorgt haben. Ja, auch -aber nicht nur- bei den Beans ist mir das aufgefallen, dass z. B. noch zwischen WLF und Wolfs unterschieden wurde oder man sich fragt, warum da so viele Gebäude so schnell durch "natürlichen" Zerfall zerstört sind. In den Foren kommen da natürlich viele Diskussionen zustande, die sich aber oft genug einfach entspannen ließen, wenn der ein oder andere besser aufgepasst hätte. Nunja.

Irgendwann vor langer Zeit (4 Wochen) haben wir also das Spiel gestartet, sind mit Ellie und Dina durch den Schnee geritten und gestapft, haben die ersten Movements gelernt, Häuser gelootet und Infizierte erlöst.

Wir haben mit Abby kurz danach auch einen für uns neuen Charakter gespielt, bei dem sofort klar war, dass das hier schnell auf finstere Bahnen gelenkt werden würde. Ich spiel das gerade übrigens noch mal auf Survivor+, also meinem 3. Durchgang, daher musste ich auch durch den Prolog nochmal durch. Mir ist sofort wieder dieser omnipräsente "Bedrohungs-Score" mit dem herrlichen Tiefbass aufgefallen, der das Unheil quasi herbeipumpt und schön subtil immer eindringlicher wird, je näher man sich dem traurig-berüchtigtem Höhepunkt des Prologs nähert. Wir spielen also Abby das erste Mal und wissen, dass wir auf keinem guten Weg sind. Wir lernen sie kennen als jemand, der die ersten Infizierten, die sich ihr in den Weg stellen, mit Wrestling-Moves zu Boden bringt und ihnen mühelos den Kopf zermatscht. Nett.

Einige Zeit später, wir sehen Joel, der Abby in letzter Sekunde vor einem Infizierten rettet. Da ging mir das erste Mal ein "Oh fuck" von den Lippen, da war sein Schicksal für mich quasi endgültig besiegelt, obwohl das vorher ja beim Ausblick auf Jackson fast klar war, als Owen Abby die Stadt präsentierte. Als Tommy sich und Joel dann nach der Rettung mit Vornamen bei Abby vorstellt, kann man sehr schön sehen, wie überrascht Abby von diesem Glücksfall ist und dieses erst begreifen muss.

Als ein paar Minuten später dieser verdammte, unwürdige Golfschläger das Spielfundament endgültig zementierte, stand mir auch erst mal der Mund offen. Das war er also, der Aufreger, der ominöse Leak, der Aufschrei. Oder etwa doch nicht? Ich hatte keine Ahnung, weil ich im Vorfeld so gut es ging einen mir selbst auferlegten Media-Blackout hatte. Ich war jedenfalls bedient, trotz aller dunklen Vorahnungen. Diese blöde Bitch, Ragemodus aktiviert. Golfschläger, ey. Hasskappe³.

Zeitsprung, viele, viele Stunden später.
Wir haben uns mit Ellie und Dina mittlerweile durch viele Gefechte geschlagen, teils unbemerkt, teils im offenen Feuer mit dutzenden von Wolfs oder Seraphiten. Wir kamen durch viele, geile Gebiete, vom Open-Word-geprägten Anfangsgebiet in Seattle bis hin zu gewohnt lineareren Arealen, die jedoch immer allesamt so viel Luft zum Atmen ließen, dass man unzählige Taktiken ausprobieren konnte und immer einen Fluchtweg vor Augen hatte. Wir -also ich-  haben immer versucht, unbemerkt alle Gegner auszuschalten und ungesehen durchzukommen. Und das funktionierte teilweise überragend und echt filmreif. Ich bin anschließend viele Sachen im Kopf nochmal durchgegangen und habe das natürlich mit in den Schlaf genommen. Ist bei mir immer ein Zeichen, dass mich ein Spiel so richtig bei den Eiern hat, kann die Nächte und Träume aber auch ungewollt aufregend machen.

Kam es dann doch mal unvermeidlich zu Gefechten, wurde alles aufgefahren, was ich im Gepäck hatte. Und meine Güte, war das teilweise durchschlagend, im wahrsten Sinne. Wenn man bei den Melee-Waffen oder Faustkämpfen schon denkt "wuchtig, wuchtig, trallerla" wurde ich bei Gefechten mit Schusswaffen dermaßen in den Sitz gepustet, dass ich bei Beschuss oft genug die Zehen und die Knie durchgestreckt habe. So eine intensive Erfahrung habe ich dank des phänomenalen Gunplays und durch das optische und akustische Trefferfeedback in dieser Güte noch nie erlebt. Die Shotgun brüllte, die Minen detonierten, überall spratzte es Gehirn und Körperfetzen. Die armen Schweine, die nicht gleich draufgingen, lagen noch Sekunden mit fehlenden Gliedmaßen und schreiend in ihrem eigenen Blut. Teilweise hab ich mir angesichts der Effektivität einiger meiner Todbringer echt die Hand vor den Mund gehalten und wusste nicht, ob ich pietätlos kichern oder angesichts der angerichteten Schweinereien und der musternden Blicke meiner Frau einfach schweigen sollte. Was eine Schlachtplatte, was eine Dröhnung für Auge und Ohren. Hätten wir Nachbarn Wand an Wand, hätten wir die Polizei hier gehabt. Isch schwör.

Storytechnisch haben wir bis dahin auch schon einige Highlights gehabt, tolle Flashbacks mit Joel und Tommy, natürlich Take on Me, viele erinnerungswürdige Schauplätze und immer noch getrieben vom Gefühl, die Gruppe um Abs irgendwann stellen zu können und uns einen nach dem anderen vorzunehmen. Tja, und nachdem wir dann im Aquarium einiges, hchch... sammermal, nicht ganz so högscht elegant gelöst haben, wurden wir durch Abby im Theater gestellt und die Welt war plötzlich eine andere.

"Ey, ich spiel die jetzt nicht!1 KHADD!1 Warum liegt denn da Loot für die? Denken die ernsthaft, ich rüste die jetzt auf? Nee, is' klar."
Und so ging das weiter, Minute für Minute, erst 1 Stunde, dann 2.  Selbst die Beans haben permanent das Gleiche von sich gegeben wie ich.
"Ja klar, das ist alles so durchschaubar!1 Die Entwickler wollen mir Abbies menschliche Seite präsentieren, Mitgefühl wecken, mir den Spiegel vorhalten, Blub. Die finde ich nie gut!1"
OK, das war also der weitere Aufschrei im Netz, richtig? Ja?  Dann haben wir das ja jetzt abgehakt.

Aber irgendwann, ich weiß gar nicht so genau, wann das passiert ist, habe ich mal nicht über den ganzen Scheiß mit dem Golfschläger nachgedacht, jedenfalls nicht dauernd.
Ich habe sehr intensive Momente mit den Seraphiten erlebt, bin in Ground Zero durch die Hölle gegangen, habe gegen einen Sniper gekämpft, Verluste erlitten, immer wieder.
Owen und Mel tot, Alice, der Rest der Gang. Am Ende alle gegen sich, Wolfs, Seraphiten, Ellie, die halbe Welt.
Ja, und dass man während dieses ganzen Schlamassels auch noch einen jungen Schützling an die Seite bekommt, der ebenfalls zu deutlich und permanent erfahren muss, was Verlust und Schmerz bedeutet, greift dann doch ganz zart einige Parallelen zum Vorgänger auf.

Als Abby und Lev nach der sinnlosen und verlustreichen Schlacht um Haven wieder beim Aquarium ankommen und dort erneut die ganze Wucht an Trauer und Verlust erfahren müssen, als sie die Leichen von Owen, Mel und dem Hund Alice finden, konnte ich natürlich schon nachvollziehen, dass sich die Spirale der Rache und Gewalt erneut in Gang setzen muss. Aber als ich im Theater mit Abby plötzlich hinter Ellie her sollte, war das erste, was ich gemacht habe, dass ich das Magazin meiner Pistole vollständig leer und in die Luft geschossen habe, so dass ich auch ja nicht in die Versuchung komme, auch nur einen Schuss auf Ellie abzugeben. Soweit haben mich die Entwickler in meiner Sympathie dann doch nicht umbiegen können. Der Golfschläger blieb weiterhin unverzeihlich. Ich wollte Ellie nicht totprügeln, jeder Schlag tat mir als Spieler ein klein bisschen weh.

Wir nähern uns langsam dem Endspurt, aber manchmal zieht sich das dann doch noch etwas länger hin, so auch, wie überraschend jetzt, in diesem Spiel.

Ich persönlich habe 1-2 Mal gedacht, dass JETZT! ABER! der Bildschirm ausfadet und die Credits laufen. Ich wäre mit dem Schlussbild von Ellie und JJ auf dem Traktor schon beinahe zufrieden gewesen. Dass danach dann aber nochmal das -zugegeben- sauschöne Santa Barbara besucht wird, damit hätte ich dann nicht ganz gerechnet. Hatte schon ein bisschen was von TRotK und der Rückkehr ins Auenland, bei dann doch noch wieder was kam. Und nochmal. Aber -und das sage ich jetzt schon mal- ich war dankbar für jede einzelne Stunde, die ich mit diesem Spiel verbringen durfte.

Und es ist dann schon wieder einfach verblüffend, wie schnell man gegenüber einigen Spielfiguren, wie die jetzt neu eingeführte Gruppierung um die Sklavenhalter "Rattlers", Hassgefühle entwickelt. Kurz aber fies eingeführt, und schon so 'nen Hals auf die Penner. Also ok, wieder in den Krieg ziehen, in die finale Schlacht.

Ich wollte an der jetzt beschriebenen Stelle nochmal richtig klassisch stealthen und dabei beim Beginn eines Encounters direkt einen Hundeführer aus der Ferne per Pfeil aus dem Spiel nehmen. Hat auch famos funktioniert, ich hatte nur vergessen, vorher meine Sprengpfeile auszutauschen. So kam es dann, dass Hund und Halter "teilweise" über der Map verstreut lagen und es wieder mal anders kam als geplant. Ich habe ja oft das Luxusproblem, dass ich mir die besten Waffen und besonders explosives Equipment gerne mal zum Ende aufspare, weil ich Angst habe, beim Endgegner zu wenig davon zu haben. Diesen Gedanken habe ich diesmal aus irgendwelchen Gründen über den Haufen geworfen und für das finale Gefecht beim "runden Haus" nochmal alles rausgehauen, was geht. Einfach, weil ich geahnt habe, dass es kurze Zeit später eh nicht mehr benötigt werden sollte. Und ich hatte so Recht. Gut, die Räumlichkeiten sahen danach aus wie in einer halbvollen Gulaschpfanne, aber hey.

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An dieser Stelle, nachdem ich mein Geschreibsel nochmal überflogen habe, muss ich mal kurz einwerfen, dass das oben Geschilderte überhaupt nicht meiner Spielweise entspricht. Man könnte ja fast denken, ich spiele hier ein Doom... Ich habe eigentlich fast immer nach dem Entdeckt-Werden auf Restart geklickt, um jeden Abschnitt so "sauber" und unbemerkt zu spielen wie irgend möglich und jegliche offene Gefechte zu vermeiden.
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Der Endkampf mit Abby war richtig schwer. Nein, nicht spielerisch. Weil ich ihn nicht mehr gewollt und fast nicht mehr gekonnt habe. Ich hab echt ein paar Mal gesagt, komm, ist gut jetzt, aufhören. Ich will das nicht mehr.

Und dann gab es da den einen Moment, diesen einen, kleinen aber dennoch großen Moment, da hatten sie mich. Und zwar da, wo sie mich die ganze Zeit haben wollten. Als Abby mit dem Kopf schon gefährlich lange unter Wasser ist, sich kaum noch wehren kann und ihr müdes, aber trauriges Gesicht zu sehen ist und das ganze Drama für einen Moment tatsächlich in ihren Augen sichtbar zu sein scheint. Als es stiller wird. Und ich endlich Mitleid mit ihr hatte. Kurz bevor der kurze Flash mit Joel auf der Veranda kommt. Und ich verdammt froh war, dass Ellie von ihr abgelassen hat.

Die Schlusszene an der Farm habe ich auch kommen sehen ("auch", weil ich übrigens vergessen hatte zu erwähnen, dass ich zu meiner Frau am Anfang wortwörtlich sagte "Sie ist bestimmt die Tochter von einem dieser OP-Ärzte", kurz bevor Abby Joel tötete). Ellie kommt also nach Hause, hat alles verloren. Ihren Freund und Vaterersatz, ihre Lebensgefährtin, ihre Familie, ihre Finger, selbst das Gitarrenspiel. Sie mag auf den ersten Blick gebrochen und auf ihrem persönlichen Tiefpunkt angekommen sein, aber ich denke, sie hat dennoch einen Grund, weiter zu machen. Sie hat gelernt, loszulassen, zu verzeihen. Joel zu verzeihen, selbst Abby und letztlich auch vielleicht dadurch auch sich selber. Selbst der Spieler bzw. ich habe gelernt, zu verzeihen und loszulassen.
Vielleicht ist sie also trotz aller Verluste dadurch mit sich im Reinen, ordnet ihre Motivationen und ihr Leben neu und kämpft irgendwann für einen neue Chance mit Dina, wer weiß. Das lässt das Ende für mich nicht ganz so trostlos und sogar eine wenig hoffnungsvoll dastehen. Trotzdem war es natürlich hart zu sehen, dass lediglich ein paar Kisten und Kartons noch für sie übrig waren.

Dass -und auch die Art und Weise- wie sie am Ende die Gitarre an das Fenster stellt, ist der für mich auch der finale und symbolische Akt, dass sie Joel (das Gitarrenspiel war stets der Trigger für die Erinnerungen an Joel) loslässt und ihren eigenen Weg ins "Licht" gehen kann. So wie ihr Symbol, die Motte.

Ich habe hier und da mal durch die Wertungen und vor allem in den Foren mal quergelesen und kann die zahlreichen, oft auseinandergehenden Meinungen gut und zu meisten Teilen nachvollziehen. Dass die Story aneckt, war klar und musste so kommen. Dass man dadurch viel Fans vor den Kopf stoßen wird, ebenso. Dass viele mit der Erzählstruktur und vor allem der Entscheidung, quasi auf dem Höhepunkt erst mal in dieser Form ausgebremst zu werden und den Antikörper schlechthin spielen zu "müssen", nicht klar kommen und sauer waren, war auch zu erwarten. Dass es dermaßen viele - auch wirklich gehaltvolle- Diskussionen zu dem Spiel gibt, zeigt imho aber auch , dass hier zumindest einiges richtig gemacht wurde, um die Spieler zum Nachdenken und zum Dialog anzuregen.

Um mal kurz vom großen Ganzen und der Konklusion wegzukommen, bevor es damit gleich nochmal unten weiter geht, muss ich noch einmal kurz zum Spiel an sich zurückkommen, um da ein paar Punkte noch entsprechend zu würdigen:

Ich habe ja oben schon von Details gesprochen, aber letztlich muss man das alles mal gesehen haben, um es zu begreifen. Die vielen blutigen Details und... nunja, Ekligkeiten hatte ich ganz oben ja schon kurz erwähnt. Bei Headshots werden ganze Wände neu gestrichen, Blutnebel legt sich auf die Grasspitzen und färbt diese rot. Wasser, in dem eine frisch erschossene Leiche liegt, färbt sich langsam rot. Staubbedeckte Fussböden kann man durch Auf-dem-Boden-robben blank polieren. Gepackte Gegner, die man im Nahkampf bearbeitet, fallen in Fenster, zerstören dadurch die Glasscheibe und werden dann noch gegen den Fensterrahmen geschlagen und gefinisht. Weil da halt ein Fenster war und es ging. Simpel.

Apropos simpel. Ich fand das herrlich reduzierte HUD famos, den wieder so schnörkellosen, unaufgeregten Font und die einfachen, klaren Menüs. Kein Bling, schön übersichtlich. Ein Klick aufs Steuerkreuz, einmal X, craften, fertig. Dann die Werkbank. Sieht auf den ersten Blick so unspektakulär aus, aber da sitzt dann jeder Handgriff, jedes Detail, die Sounds greifen, alles klingt, wie es muss. Vor dem Pimpen wird die Munition entnommen, am Ende dann wieder geladen. So muss Gunporn wohl sein. Vermute ich.

Das Sounddesign muss ich hier auch einfach noch mal extra erwähnen, weil das wirklich vom anderen Stern ist und diese ganze Spielerfahrung wirklich noch besser macht als eh schon.
Wenn Ellie bspw. angespannt oder ausgepowert ist, atmet sie schneller, wenn Abby nahe an Abgründen steht, atmet sie plötzlich aufgrund ihrer Höhenangst flach und wimmert leicht. Häuser haben ihren ganz eigenen Sound, da knarzen alte Türen, Metallkonstruktionen reiben aneinander, ab und an fällt mal was um, Schüsse hallen leicht aus der Ferne. Das Gewitter, speziell die krachenden Donnerschläge und der Regensound hier sind einfach Referenz.
Die Waffensounds in all ihrer erschlagenden Bedrohlichkeit tun ihr Übriges dazu bei, die Wucht, Rohheit und Tödlichkeit darzustellen. Bei Beschuss spürt man förmlich den dumpfen Einschlag der Gegnerkugeln, und das geht dann wirklich so weit, dass ich körperlich mit Beinen und Füssen auf dem Sessel mitgehe. So intensiv, so sensationell.

Abschließend nur noch 2 Dinge. Ich habe jetzt mit Erschrecken die ganzen Sachen nachgeholt und -gelesen, von denen ich mich absichtlich während des Spielens ferngehalten habe. Die Leaks, die Review-Bombing-Geschichte, die Drohungen gegen Druckman, Johnson und Co., die Anfeindungen, den Hass (see the irony?). Unglaublich, peinlich, beschämend, widerlich. Was ein erbärmlicher Haufen Abschaum.
Da will ich auch gar nicht weiter drauf eingehen, es lohnt die Mühe schlicht nicht.

Für mich persönlich ist The Last of Us: Part II eine der besten Spieleerfahrungen, die ich je machen durfte. Qualitativ habe ich noch nichts gespielt, das einen dermaßen ausgereiften Eindruck macht. Was da an Arbeit, Detailversessenheit, Herzblut und leider wohl auch Überstunden drin stecken muss, vermag ich mir kaum auszumalen. Bisheriger Platzhirsch in Sachen technischer Perfektion war für mich bislang bisher RDR 2, gerade in Anbetracht der Tatsache, dass man dort in einer Open World zu tun hat. Dennoch halte ich mich lieber in Naughty Dogs famos designter, kaputter Welt auf, vielleicht auch, weil alles so viel leichter und nicht so sperrig von der Hand geht wie in RDR2. Es werden zudem an so vielen Ecken kleine Geschichten erzählt, alleine dass irgendwo scheinbar unwichtige Dinge rumliegen, die aber bei näherer Betrachtung der Umgebung ihre ganz eigenen, kleinen Geschichten erzählen. Ganz feines Environmental Storytelling, auch abseits der vielen, vielen kleinen Story-Zettelchen und Briefe.

Ist TLoU 2 nun besser als der erste Teil? Ich habe diese Frage abschließend noch nicht für mich beantwortet. Es ist auf jeden Fall nicht schlechter. Vielleicht gibt der Survivor-Durchlauf am Ende noch den Ausschlag nach oben, wer weiß. Mehr Unterhaltung auf so einem Level hatte ich bislang jedenfalls kaum, das letzte Mal hatte ich mit Breath of the Wild durchgängig solch langen Spaß in ähnlicher, aber technisch nicht so dermaßen ausgereifter Güte. Und ja, wenn ich hier von Güte spreche, dann meine ich das im wahrsten Sinne. Man spürt in jeder Faser, zu jedem Moment, dass man hier etwas Großes spielt. Ich habe selten Games und Filme gesehen oder Bücher gelesen, die mich im Nachhinein so beschäftigt haben. Ich schaue mir jetzt im Nachgang noch Youtube-Videos an, versuche die vielen Meinungen unter einen Hut zu bekommen und den ganzen Hate zu verstehen.

Ich habe hier keine simple Rachestory gespielt, keinen Revenge-Flick gesehen, keine 08/15-Schwarzweißmalerei erlebt. Das war auf sehr vielen Ebenen sehr düster, aber vielschichtig und in vielen Grautönen gemalt. Es gibt am Ende keine klaren Protagonisten, kein klar definiertes Böse. Jeder hat hier Dreck am Stecken, auf mehr oder weniger finstere Art und Weise. Je länger ich drüber nachdenke, umso mehr fügt sich gedanklich vieles für mich zusammen.

Dieses Vater-Tochter-Ding konnten sie hier kaum ein zweites Mal durchgängig bringen, weshalb ich da dieses Mal emotional nicht die 100% gegangen bin. Die Entscheidung, Joel für die initiale Zündung, den hassgetriebenen Antrieb und Katalysator der Story zu opfern, war mit Sicherheit keine leichte für ND. Aber im Nachhinein für diese Geschichte eine imho vielleicht sehr sinnvolle. Wie sehr Joel aber insgesamt fehlt, haben bspw. die großartigen Flashbacks im Museum oder von der Suche nach den Gitarrensaiten gezeigt. Ja, da beißt die Maus keinen Faden ab, Joel fehlt.

Naughty Dog haben auf jeden Fall meinen höchsten Respekt, dass sie hier die Eier hatten, diesen Weg zu gehen, auch wenn ich selber nicht zu jeder Zeit davon überzeugt war. Aber gerade durch den letzten Punkt ist die Erkenntnis am Ende des Spiels und die Einsicht umso klarer, den Konflikt für beide Seiten beenden zu wollen, ohne weiter zu töten. Am Ende ist es ganz große Kunst, mir das Gefühl zu geben, hier was wirklich Großes gesehen und gespielt zu haben und letztendlich eine Entscheidung der Spielfigur mitgetragen zu haben, hinter der ich stehe. Und das haben sie verdammt nochmal geschafft. Am Ende bleibt kein Hass mehr, keine Wut.

Chapeau.

Ganz großartiges Spiel.


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