Thema:
Re:Mögliche Spoiler zu Oldboy und Apocalypse Now flat
Autor: token
Datum:04.08.20 12:59
Antwort auf:Re:Mögliche Spoiler zu Oldboy und Apocalypse Now von gameshirtz

>Nur kurz. Es ist etwas vollkommen anderes diesen Twist interaktiv zu erleben als in einen Film als externer Beobachter. Das ist ein riesengroßer Unterschied. Daher bringen dir hier deine Filmvergleiche leider nichts.

Nur kurz, den Filmvergleich hast du angeführt.
Ich bewerte diesen nur im Hinblick auf "das schafft ein Film nicht" und komme zum Schluss, Filme haben das schon besser hingekriegt trotz fehlender Interaktion.

Könnte ein Videospiel so einen Twist mit mehr Wirkungskraft inszenieren als ein Film, wenn es auch erzählerisch auf so ein Niveau wie ein Filmmeilenstein käme, und nicht wie TLoU2 erzählerisch eher so auf ordentlicher Netflix-Serie unterwegs wäre?
Vielleicht. Vielleicht sogar wahrscheinlich.

Schafft schon TLoU2 dieses Kunststück?
Wenn das für dich so ist, dann ist das so.
Aus versuchter Objektivität kann ich der Argumentation dass das so wäre aber nicht folgen, also nicht mal rein deswegen weil es für mich nicht funktioniert, sondern eben auch weil ich qualitative Mängel sehe. Etwa im Hinblick auf motivierte Charaktere, Stichwort Tommy und wie seine Figur ganz anders gezeichnet wird als der Tommy der in Teil 1 etabliert wurde, ohne dass das wirklich schlüssig aufgebaut wird.

Oder darauf wie Schlüsselereignisse konstruiert werden. In Teil 1 überfährt Joel ohne zu fragen eine Person auf der Straße die um Hilfe fleht, obwohl immer Restzweifel daran bestehen könnten dass sowas eine Falle sein könnte. Joel ist nicht paranoid weil er überlebt hat, er hat überlebt weil er paranoid ist. Aus verdammt guten Grund, weil der Fremde immer erstmal eine Gefahr ist. Das Universum von TLoU hat vor allem eines, ein massives Vertrauensproblem.

TLoU2 versucht bei der Schlüsselszene so zu tun als gäbe es für die praktizierte Flucht keine Alternative. Schon an diesem Punkt ist man in der suspension of disbelief auf Anschlag, weil REIN ZUFÄLLIG läuft Abby Joel in die Arme, rein ZUFÄLLIG ensteht eine Situation in der es für Joel keine Alternative zu geben scheint, was fraglich ist, und selbst dann wissen Joel und Tommy nichts besseres anzufangen als ihre Identitäten auszurollen und eine bewaffnete Bande die man nicht kennt zum Kaffee einzuladen.

Das geht so in einem fort. Ellie verliert ihre Eltern, sie verliert ihre erste Liebe, sie verliert eine Vertrauensperson nach der anderen, und dennoch wahrt sich diese arg gebeutelte Ellie trotz all dieser Verluste und ihrer Angst allein zu sein ihre Integrität. Die Wut-Ellie hingegen pfeift auf alles, sie übt aktiv einen Verrat an ihrer Familie, an ihren Freunden, an ihrer Liebe, nur für eine Rache, auf die sie vorher in solchen Traumafällen nie aus war. Aber jetzt schon. Warum? Das Spiel verheimlicht anfangs dieses Motiv in seiner Gänze. Diese Ellie ist ja nicht mal allein sondern Teil einer Community. Entsprechend: Disconnect. Weiter, jetzt gibt es ein Motiv als im Nachgang serviertes Gericht. Trauma durch unfinished business. Oooooooookay. Und dann zeigt das Spiel noch eine Szene die aufzeigt, dass selbst dieses Motiv in erheblich kleinerem Umfang am Start war, weil man sich schon die Hand gereicht hatte. Sprich, das schon eh nicht sonderlich tragfähige Motiv im Kontext eines schon etablierten Charakters, wird als Schlusspointe noch weiter abgemildert.

Die ganze Posse verhält sich entweder idiotisch (Joel und Tommys Umgang mit der Gefahrenlage), wie Arschlöcher (Ellie in fucking JEDER Situation) oder nicht nachvollziehbar (Dina die früh Ellies blinde Wut durchschaut, etwa der Diskurs darüber warum man sie laufen ließ oder trotz Schwangerschaft und gefährlicher Krankheit loyal bleibt für einen Menschen dessen Beweggründe sie nicht teilt, obwohl sie eingeführt wird als ein Char der so selbstbewusst ist dass sie einem alles schmerzfrei ins Gesicht reibt). Hat man diese anorganischen Konstruktionen für die gewünschte Dekonstruktion von vom Vorgänger etablierter Charaktere erstmal durchschaut, und das hat man schnell weil die alles andere als subtil sind, wird es auch im Fortlauf recht vorhersehbar und nicht unbedingt besser in seinen Konstruktionen.    

Und wie bei jedem Zaubertrick gilt, und jede Erzählung ist wie ein Zaubertrick einfach nur ein Akt erfolgreicher Täuschung und Manipulation, liegt der größte Teil des showeffekts darin, ob man sich erwischen lässt. Und wenn man sich erwischen lässt, dann kann das daran liegen dass das Publikum auch aktiv darauf ist einen zu entlarven, es kann aber auch daran liegen dass die Ausführung nicht so toll war wie sie hätte sein können. Das bestimmte Manöver bei einem großen Teil der Zuschauer im Saal schlichtweg nicht aufgehen. Dass die Ideen und Motive die man hatte nicht so greifen wie man es sich vorher erhofft hat. Usw.  

Ich würde entsprechend nicht widersprechen wenn das für dich so war und auch auf einem höheren Niveau als bei etwa Filmen, weil, das ist dein Erlebnis, da weißt du am besten was dich wie hart kickt. Bewerte ich jedoch das handwerkliche Geschick hinter der Story und wie der Zuschauer manipuliert wird, dann wird das Eis für Druckmanns Geschicke abseits des Mediums Videospiel schon extrem dünn.


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