Thema:
Re:Mögliche Spoiler zu Oldboy und Apocalypse Now flat
Autor: token
Datum:04.08.20 10:07
Antwort auf:Re:Mögliche Spoiler zu Oldboy und Apocalypse Now von Kaneda4Life

>Das gilt natürlich immer. Ich glaube nur, dass ein Videospiel in Perfektion eine stärkere Immersion aufbauen kann als ein Buch oder Film in Perfektion, weil man noch mehr Sinne investiert. Muss jetzt nicht TLoU2 sein sondern ist für mich eher generell ein Thema. Kann aber auch falsch sein, weil bei einem Buch die Fantasie eine wesentlich stärkere Rolle spielt... kein Plan.

Ich würde intuitiv auch annehmen, dass ein interaktives Medium hinsichtlich Immersion mehr Potenziale mitbringt als die klassischen Erzählmedien.
Im Videospiel ist Immersion auch eines der vorherrschenden Themen in das viel investiert wurde und auch weiter investiert wird.
Und das passiert sowohl in Sachen Content als auch Technik.
Bei Content etwa der Kniff zum Spiel aus der Ego-Perspektive, aber auch Kleinigkeiten wo eine Idee hinter steht, etwa der stumme Protagonist. Ein Anschaubeispiel wie man sich mit frischen Ideen und bestehenden Ansätzen massiv um Immersion bemüht hat ist in meinen Augen Dead Space, was bspw. ein Meilenstein für ein organisches HUD war, was nicht als Overlay des Spiels daherkommt, sondern als Funktionsgerüst der Spielfigur wo alles im Anzug steckt.
Und technisch hat man mit VR einen noch recht frischen Meilenstein.

Gleichwohl ist Immersion für ein klassisches Erzählmedium auch schon immer ein zentrales Motiv gewesen, und auch dort wird viel ausprobiert. Zu Theaterzeiten war es maßgeblich das triggern von Empathie mit Stichworten wie Katharsis. Aber auch da herrscht kein Stillstand, der Kniff mit found footage hat bspw. gleich ein ganzes Subgenre aus dem Boden gestampft.

Ich würde so sagen, die Potenziale für Immersionskniffe sind bei Games dennoch größer, gleichwohl führen Immersionsbrüche bei Games auch zu größeren Reibungspunkten. Entsprechend kauft sich jemand, der gezielt mit solchen Stilmitteln arbeitet wie etwa einen Spieler dazu zu zwingen Aktionen auszuführen die er nicht ausführen möchte, auch ein dass so ein Kniff nicht nur dazu führt dass der Spieler einen intensiven inneren Konflikt durchlebt, sondern bei weiten Teilen des Publikums dazu dass Spieler immersiv ejecten. Und all das was du dir als Autor so überlegt hast bei einem weiten Teil des Publikums ins absolute Gegenteil verkehrt, statt sie zu packen, verlierst du sie, statt einen inneren Konflikt zu erleben, sitzen sie wieder entkoppelt auf ihrer Couch, halten ein Joypad in der Hand und schauen auf einen Fernseher. Sie sind nicht mehr in the game.

Heißt das, dass ein Spiel das nicht machen darf? Nein, alles ist erlaubt, und offenbar funktioniert es auch für einen weiten Teil des Publikums. Nicht alles muss jedem gefallen. Nur sollte man dann auch nicht überrascht sein wenn man dabei weite Teile des Publikums abhängt. Und diesem kannst du dann auch nicht mehr erklären dass sie sich falsch fühlen und eigentlich ergriffen sein sollten, denn Erlebnisse erlebt man, die sucht man sich nicht aus. Und Erzähler versuchen genau so ein Erlebnis mit Stilmitteln zu konstruieren.
Und da denke ich, solche Brüche mit seinem Publikum sollte man nur praktizieren wenn es nicht bessere Alternativen gibt, wo man dieses Publikum nicht verliert, aber die gleiche Wirkung triggern kann. Und die gibt es meines Erachtens. Und ND kennt diese Alternative, sie hat sie in Teil 1 schon erfolgreich inszeniert. Und dann mit dem Sequel ganz viele immersive Kniffe die in Teil 1 noch ausgearbeitet waren, bspw. eine Immersionswut und ein Zusammenspiel von Spiel und Erzählung gar bis in die Collectibles rein reichte, in Teil 2 vernachlässigt und nicht mehr auf so einem Niveau schultert, und zuweilen halt nicht nur vernachlässigt sondern auf links dreht, bspw. die lineare Erzählung mit einer nonlinearen Erzählung tauscht, aber den daraus resultierenden Bruch mit den Light-RPG-Mechaniken hin nimmt anstatt da nachzujustieren.

Wie gesagt, dieses Spiel hat sich die kontroverse Wahrnehmung seiner Qualitäten und Versäumnisse und seiner Missverständnisse sehenden Auges selbst eingekauft. All diese Perspektiven sind in meinen Augen valide, nichtsdestotrotz halte ich persönlich Teil 1 als Skizze für ein Naughtydogsches Erzählspiel für einen weit besseren und intelligenteren Entwurf für das Medium Videospiel. Bzw. dass man, wenn man eine andere Erzählstruktur wählt, in diesem Medium auch ein hohes Augenmerk darauf haben sollte, die Spielstruktur entsprechend anzupassen. Also statt Light-RPG mit autonomen Kapitelstrukturen arbeiten sollte, weswegen dieser Ansatz bei Uncharted erheblich weniger Reibungspunkte mit diesem Erzählformat hat als bei TLoU2. Als ein Beispiel.


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