Thema:
Durchgespielt - Fazit ohne Spoiler flat
Autor: Ness
Datum:31.07.20 14:23
Antwort auf:Ghost of Tsushima - Sucker Punch - PS4 von Pfroebbel

Ich habe die gelungene Haupthandlung beendet sowie einen guten Teil der Nebenmissionen abgeschlossen. So sehr mich das Spiel bei Handlung und Spielwelt überzeugen konnte, so sehr nehme ich dem Spiel das völlig ideenlose und formelhafte Missionsdesign übel.

Neben der schön gestalteten Spielwelt, fand ich vor allem die Hauptstory gelungen. Die Geschichte ist spannend und hat einige interessante Momente. Speziell die finalen Kapitel der drei Abschnitte fand ich toll. Klassische Themen wie Ehre, Familie und Tradition werden gut eingesetzt und auch das Kriegsszenario wird konsequenter umgesetzt als bei einem Großteil anderer Spiele. Gefühlt werden Kriegsszenarien in vielen Spielen nur oberflächlich für den Rahmen ausgenutzt sowie für 1-2 kalkulierte Schocker im Verlauf der Handlung. Ghost of Tsushima nutzt das grundlegende Setting des Angriffs der Mongolen sowohl bei der teils heftigen Darstellung im Verlauf der Handlung und Nebenmissionen als auch bei der Spielwelt in meinen Augen überzeugend.

Die Spielwelt von Ghost of Tsushima sieht wirklich atemberaubend und zählt zu den schönsten Open Worlds in Spielen. Dabei gelingt es zudem gut eine faszinierende Atmosphäre aufzubauen, indem man auf den Wegen zwar stets malerische Orte findet und die Spielwelt wunderschön in Szene gesetzt wird, aber auch die Folgen des Angriffs der Mongolen an allen Ecken deutlich zu sehen sind. Die Navigation durch die Spielwelt funktioniert mit Hilfe des Windes ganz gut, der eine clevere und bessere Darstellung des üblichen Navigationspfeils ist. Ansonsten ist die Spielwelt mit den üblichen Open World-Sammelaufgaben und Nebenmissionen gefüllt. Ghost of Tsushima umgeht größtenteils das Problem, dass sich die Welt trotz der großen Anzahl an Aufgaben überladen anfüllt. Nebenmissionen und Sammelaufgaben müssen zu einem guten Teil erst in der Spielwelt gefunden und oftmals sind mehrere Nebenmissionen an bestimmte Nebencharaktere gebunden, sodass die nächste Nebenmission in der Regel erst sichtbar wird, wenn die vorherige Mission zu einem Charakter abgeschlossen ist.

Leider empfand ich das Gameplay in Ghost of Tsushima überraschend schwach. Ich hatte zwar erwartet, dass man bei einem solchen Spiel eher auf bewährte Mechaniken aus anderen Spielen setzt und keinen Innovationspreis erhält, aber am Ende war ich dann doch sehr ernüchtert. Das Kampfsystem mit den vier Haltungen ist cool und hat mir speziell bei den Einzelkämpfen gut gefallen. Allerdings täuscht das im Prinzip gute Kampfsystem nicht darüber hinweg, dass 95% Missionen stumpfer Standardkram sind. Größtenteils werden in den Missionen Horden von Gegnern niedergemetzelt oder Trial & Error-Schleichpassagen absolviert. Das wäre nicht mal das große Problem, wenn es wenigstens durch gutes Design der Missionen ideenreich verpackt werden würde. Gerade bei den Schleichpassagen fällt dann zudem deutlich auf, dass die Gegner nicht gerade clever sind.

Meine Enttäuschung liegt daher vor allem am Missionsdesign. Dieses ist selbst für Open World-Spiele erschreckend formelhaft und schwach. Man merkt bereits nach wenigen Stunden, dass es nur ein sehr begrenztes Set an Missionszielen und einzelnen Komponenten (z. B. Fußspuren folgen oder Gefangene beschützen) gibt, die sich ständig in kurzer Zeit wiederholen und nicht wirklich originell umgesetzt sind. Irgendwelche Überraschungen oder interessante Wendungen beim Missionsdesign muss man wirklich mit der Lupe suchen. Es spricht Bände, dass mir die Mission in Erinnerung geblieben ist, bei der ein Schiff aus der Distanz vor anderen Schiffen beschützt werden musste. Ansonsten gibt sich das Spiel nicht mal große Mühe die mangelnde Abwechslung und Ideenlosigkeit irgendwie zu verbergen. Das „Highlight“ in der Hinsicht war, dass man an einem Punkt im Spiel den Auftrag erhält sechs Schlüssel zu besorgen. Alle sechs Schlüssel laufen ohne irgendeine clevere Idee komplett identisch ab. Nun finde ich das eigentliche Gameplay in Spielen von Rockstar auch eher durchschnittlich, aber zumindest sind die Missionen größtenteils interessant gestaltet oder bieten Überraschungen.

Paar Dinge fand ich aber noch am Spiel gut gemacht. So habe ich jeden Schrein gerne abgeschlossen, da diese als simple Kletterpassagen im Stil von Uncharted und Tomb Raider im Vergleich zu den anderen Missionen angenehm entspannt sind. Speziell die mystischen Geschichten haben mir als aufwendige Schnitzeljagd mit spannender Hintergrundgeschichte und eigener Einleitungssequenz aber besonders gefallen. Letztlich fand ich auch das Belohnungssystem gelungen. Zwar sind die Nebenmissionen unheimlich formelhaft, aber dafür können zumindest interessante Belohnungen motivieren. Wobei ich auch nach Beenden des Spiels nicht davon überzeugt bin, dass man Kampfhaltungen und Standardaktionen erst freischalten muss.


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