Thema:
Re:Naja, geht so... flat
Autor: token
Datum:23.07.20 15:11
Antwort auf:Re:Naja, geht so... von Ness

>Um auf den Punkt zu kommen, mir bieten solche Titel insgesamt einfach zu wenig Überraschung und Mut, um nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben und ein Meisterwerk zu sein.

Ich zieh das Zitat mal nach oben weil hier gehe ich mit. Ein "Meisterwerk" sehe ich auch nicht, dazu kommt auch mir zu wenig Erfrischung/Innovation rum bzw. mangelt es für so eine Kategorisierung daran dass irgendein Element richtig herausragend umgesetzt wurde und die gesammelte Konkurrenz in den Schatten stellt. Ich sehe ein etabliertes Konzept das sehr versiert in ein gelungenes Gesamtpaket gewickelt wurde, mit sehr viel polish an allen Flanken. Jedes Rädchen im Getriebe ist schlimmstenfalls par of the course, ein paar Rädchen sind dann auch richtig tolle Ideen die dem Genre Impulse geben könnten, etwa das angesprochene Wind-Guiding. Für sich stehend extrem gute Lösung, aber eben auch nichts was das Spiel auf ein episches Niveau hebt.
Ich sehe einfach ein Top-Notch-Entertainment-Paket, und das ist auch das worauf ich in Videospielen aus bin. Wenn mir sowas auf so einem Niveau angeboten wird, ist mir persönlich ein "ja, ist nett" einfach zu wenig, wenn man mal kuckt wie viele Games das was GoT macht probieren und dabei in ihrem Gesamtpaket stark abfallen. Für mich ist GoT etwa das bislang unterhaltsamste Spiel in diesem Jahr (spürbar unterhaltsamer als etwa TLoU2, das ich immer noch sehr gut fand, von dem ich aber letztlich auf hohem Niveau enttäuscht war) und übt auch einen starken Will-Weiter-Spielen-Sog aus.

>Wobei man natürlich darüber streiten könnte, ob das Fehlen einer Zielfunktion bei Kämpfen (im Zusammenspiel mit der nicht immer optimalen Kamera)

Ich denke der Verzicht auf Lock-On ist okay, aber auch nichts was das Spiel besser macht. Im Grunde ist es auch meist so dass die meisten Gegner obwohl sie angreifen könnten warten bis sie an der Reihe sind, und man im Attack am Gegner bleibt und eine Schlagserie nicht zwischen Gegnern rotiert. Also Schlag 1 Gegner Anton auf zwölf Uhr, Schlag zwei Gegner Thomas auf 15 Uhr und Schlag drei Gegner Gustav auf 18 Uhr. So eine Dynamik haben etwa Spiele wie Spidey, Mordor oder Batman, hier rotiert man innerhalb von Kombos die Gegner und irrwischt zwischen denen. Entsprechend passiert da auch mehr, etwa der Zoom-Out im Kampf für bessere Übersicht. Da wundert es halt warum SP meint, ohne Lock-On sei hier besser, wenn sie eben keine Abläufe drin haben, wo so ein Verzicht einen Zweck erfüllen würde. Und on top das Mapping der Schläge auf Facebuttons, für mich der größte Stinker im Game.
Vor dem Hintergrund des Gesamtpakets aber halt auch nichts schwerwiegendes, die Vielzahl der guten Lösungen erschlägt die paar kleinen Flaws.

>und Trial & Error-Abschnitte wirklich so gelungene Gameplay-Entscheidungen waren.

Nein, aber halt auch ziemlich wurscht weil die Problematik so selten vorkommt. Kurioserweise hat man hier auch beides, Sneaks mit Abbruch, aber auch Sneaks wo das "Nicht gesehen werden" Bonusziel ist. Letzteres Yay, und das motiviert mich dann auch perfekt und konzentriert zu spielen. Oder bleib beim Story-Partner. Mal harter Abbruch, mal geht das Spiel in eine Missionspause wo der Partner wieder "abgeholt" werden kann, und man kann komplett andere Dinge zwischendurch machen. Es fehlt halt die letzte Konsequenz für ein Design mit Freiheiten für den Spieler, aber die "tatsächlichen" Probleme des Tunneldesigns sind letztlich so marginal dass es fast schon egal ist.
Also nichts was das Spielerlebnis wirklich spürbar runterzieht, sondern einfach paar dumme Momentaufnahmen.

>Auch bin ich - wie zuvor erwähnt - schlicht kein Fan von dem „modernen“ Gameplay-Element der Pseudo-RPG-Systeme, indem man teils ganz normale Standardmoves freischalten muss, z. B. Freischalten der Ausweichrolle.

Da gehe ich nicht mit, weil das zwei Zwecke erfüllt, zum einen natürlich Freude darüber was freizuschalten, was dich halt nicht catched. Fair enough. Aber das sind auch verkappte Ingame-Tutorial die heimlich und versteckt peux a peux das Interface aufbauen und ausweiten. Nimm mal Spidey was schon vom Start weg komplett überladen ist in der Steuerung, da wird einem erstmal schwindelig. Ghost hat so einen extrem schlanken Aufsatzpunkt und erweitert diesen organisch ohne dass es der Spieler merkt, weil es ins Skilling gewoben wurde. Auch so ein Beispiel für die Vielzahl an extrem guten Lösungen für gängige Standardprobleme des Genres.

>Allerdings habe ich bereits das Gefühl, genau zu wissen, was mich die nächsten 20 Stunden erwarten wird.

Jepp, das ist auch so.
Wie gesagt, mir ist Meisterwerk too much, deine 7/10 wird der Leistung von SP aber imo auch alles andere als gerecht, weil das heißt für mich halt "Nett" und wenn das "Nett" ist frag ich mich halt warum Ubi sowas rundes nicht mal in drölfzig Iterationen hinbekommt. Das ist imo schon ne ziemlich starke Leistung die hier abgeliefert wurde.
Ein Game für die Geschichtsbücher? Naja, geht.
Fantastische Unterhaltung in einem stimmigen und top polierten Gesamtpaket? Yes!


< antworten >