Thema:
Tactics Ogre: Let Us Cling Together flat
Autor: Ness
Datum:15.07.20 00:04
Antwort auf:Durchgezockt Nr. 38 - Vorwärts immer! von Lynne

Strategie-Rollenspiele im Stil von Final Fantasy Tactics zählen seit meiner Jugend zu meinen Lieblingsspielen, weshalb mich auch Tactics Ogre: Let Us Cling Together interessierte (nicht zuletzt wegen der Queen-Anspielung im Titel). Nun habe ich das Spiel in einer der alten Versionen in den vergangenen Wochen endlich nachgeholt und war sehr beeindruckt, weshalb ich paar Gedanken zum Spiel schreiben möchte. Gerade unter Berücksichtigung des Erscheinungsdatums der Super Famicom-Version sind vor allem Präsentation, Handlung und Gameplay noch heute faszinierend. Tactics Ogre: Let us Cling Together ist in der alten Version sowohl ein frustrierendes Biest als auch ein ambitioniertes Meisterwerk.

Das Gameplay zeigt bereits viele Stärken, die später unter anderem auch Final Fantasy Tactics auszeichnen. Man merkt sofort Gameplay, dass die entscheidenden Personen (u. a. Yasumi Matsuno) an Final Fantasy Tactics mitgewirkt haben. Es gibt zwar paar Unterschiede beim Gameplay, aber wer Final Fantasy Tactics oder einen ähnlichen Titel gespielt hat, der wird sich auch hier sofort wohlfühlen. Allerdings ist Tactics Ogre: LUCT im Vergleich zu den Final Fantasy Tactics doch etwas anspruchsvoller und gerade in den alten Versionen unbarmherzig schwer. Die Spielprinzipien werden zwar bereits sehr ausführlich in einem spielbaren Tutorial erläutert und man kann sich in Kämpfen mit Select jederzeit Beschreibungen anschauen (Itembeschreibung, Statuswerte, etc.), jedoch ist das Spiel an anderen Stellen weniger zugänglich als neuere Titel. Das Ausrüsten der Figuren erfolgt noch etwas sperrig und es gibt im Kampf keinen gemeinsamen Beutel für Verbrauchsgegenstände, sondern jeder Verbrauchsgegenstand muss als Equipment dem jeweiligen Truppenmitglied angelegt werden. Auch lassen sich Bewegungen nicht mehr rückgängig machen, wenn eine Figur einmal fest an eine Stelle bewegt wurde und noch keine Attacke durchgeführt hat. Dies kann gelegentlich dazu führen, dass man zu spät merkt, dass die Figur auf einer ungünstigen Stelle steht und nicht angreifen kann oder die Reichweite des Gegners unterschätzt wurde. In der Regel wird eine ungünstige Stellung einer Figur auch gnadenlos vom Spiel bestraft, da der Gegner dann gezielt gegen diese Figur vorgeht. Dabei ist zu beachten, dass es erst gegen Ende vom Spiel einen Zauber zur Wiederbelebung gefallener Truppenmitglieder gibt und diese ansonsten bei einem Ableben komplett aus dem Spiel sind. Das Spiel kann im späteren Verlauf dadurch schnell frustrierend werden, wenn man nicht gelegentlich Zeit in das Aufleveln der Truppenmitglieder investiert. Dennoch ist das Gameplay natürlich zeitlos genial.

Neben dem wegweisenden Gameplay zählen für mich vor allem die Handlung und die Präsentation zu den Highlights des Spiels. Tactics Ogre: LUCT hat eine sehr erwachsene und komplexe Handlung, die sich am Zerfall von Jugoslawien und den anschließenden Kriegen orientiert. Dementsprechend werden im Spiel komplexe und ernste Themen behandelt, z. B. Unterdrückung von Bevölkerungsgruppen, Massaker in Dörfern und Folgen von Folter. Solche schweren und politischen Themen derart stark in einem Spiel umgesetzt zu sehen, das 1995 auf dem Super Famicom erschienen ist, ist schon außergewöhnlich. Zwar werden grausame Kriegsfolgen zum Teil auch in anderen Spielen aus dieser Zeit behandelt, jedoch hat Tactics Ogre eine deutlich erwachsenere Grundstimmung als die meisten anderen Spiele mit einer solchen Thematik und scheut sich auch oft nicht davor das deutlicher zu zeigen. Die ambitionierte und düstere Handlung von Tactics Ogre: LUCT ist mit Sicherheit eine der besten Handlungen, die ich bis dato in einem Spiel gesehen habe. Dies liegt auch an der Vielzahl an interessanten und gut geschriebenen Charakteren. Zum Glück lassen sich die Beschreibungen der Charaktere zwischen den Kämpfen stets anschauen und werden beim weiteren Fortschritt laufend aktualisiert, sodass man trotz der hohen Komplexität einen guten Überblick behalten kann. Darüber hinaus ist die Hauptfigur kein farbloser Held und steht mehrfach im Verlauf der Handlung vor schwierigen Entscheidungen. Tatsächlich können die gewählten Entscheidungen sogar die Handlung und verfügbare Truppenmitglieder maßgeblich beeinflussen. Insgesamt gibt es drei Routen (Neutral, Law und Chaos) und mehrere Nebenmissionen mit versteckten Truppenmitgliedern. Allein für die Law-Route habe ich knapp 45 Stunden benötigt und es wären noch deutlich mehr geworden, wenn ich Zeit mit dem versteckten Dungeon Hell Gate verbracht hätte.

Die Handlung vom Spiel profitiert vor allem von der herausragenden Präsentation des Spiels. Das Spiel verfügt über eine wunderschöne und detailverliebte Grafik. Diese Detailverliebtheit zeigt sich unter anderem in den schön gestalteten Räumen und Umgebungen, aber auch in den Animationen der Figuren. In einem sehr informativen Artikel von Hardcore Gaming 101 [http://www.hardcoregaming101.net/tactics-ogre/] wird erwähnt, dass sich die Veröffentlichung der SFC-Version sogar mehrere Monate verzögerte, weil man die Schwerthieb-Animation verbessern wollte. Diese Detailverliebtheit bei den Animationen kommen gerade bei den teils minutenlangen Zwischensequenzen zur Geltung. Die anspruchsvolle Handlung wird stilvoll und selbstsicher in längeren Sequenzen inszeniert. Nahezu jede Sequenz ist ein eigenes Highlight und wundervoll gestaltet. Auch sind die Soundeffekte und die Musik hier hervorzuheben, die Story-Sequenzen untermalen. Natürlich hatten auch andere Titel aus der Zeit toll inszenierte Sequenzen für die Handlung (z. B. Opernszene in FF6), jedoch fand ich die Leistung von Tactics Ogre: LUCT dennoch herausragend. Bereits die Opening-Szene zeigt paar der genannten Aspekte: [https://youtu.be/SkVIHKnQ7jk?t=202].

Letztlich zählt Tactics Ogre: LUCT für mich zu den besten Spielen in diesem Genre, das jedoch durch den hohen Schwierigkeitsgrad viel Geduld erfordern kann. Ist der (leider etwas schlampige) PSX-Port schon beeindruckend, kann man kaum glauben, dass ein derartiges Spiel 1995 mit dem Super Famicom tatsächlich möglich war. Wobei das PSP-Remake durch Zusatzinhalte und Anpassungen beim Gameplay wohl die beste Version darstellt.


< antworten >