Thema:
Koreanisches Kino flat
Autor: Sunspecter
Datum:10.07.20 23:39
Antwort auf:The Last of Us Part II #3 von Gunpriest

Ich bin etwas irritiert. Habe das Spiel gerade durchgespielt und diesen Thread komplett gemieden. Hab auch keine Leaks und wenige Trailer gesehen, Teil 1 liebe ich. Ich dachte, ich komme jetzt zurück und lese hier und auf Metacritics eine Lobhudelei nach der anderen - das Gegenteil ist der Fall.

Ich hab so 50-60h in das Spiel gebuttert (auf Überlebender hat's mir gameplaytechnisch sehr viel Spaß gemacht), geflasht bin ich aber vom Storytelling und den Charakteren. Der ganze Vibe als parallel erzähltes Rachedrama hat mich total an das koreanische Rachekino erinnert, namentlich Sympathy for Mr. Vengeance - das Finale kam mir direkt bekannt vor. Auch diese Demontage der Hauptcharaktere und das beide Perspektiven eigentlich total nachvollziehbar sind - voll Asia-Kino. Dazu noch abgetrennte Gliedmaßen, there you go.

Ich fand's mega mutig, dass man nicht so eine billow Fanservice-Story gemacht und Teil 1 neu aufgelegt hat. Allein das Intro mit Joel und der überraschende Perspektivwechsel mit Abby und ihre Motivation - alter, das war so mutig, allein dafür gebührt Druckmann die GoTY-Plakette. Mich hat das jedenfalls sehr berührt und das 1. Finale im Theater war für mich das emotionale Highlight, ja fast schon schizophren. Als würde man sich selbst ohrfeigen. Kann verstehen, warum man als Fan die Entwickler dafür hast, weil man einen geliebten Character so dermaßen demontiert. Ich fand's einfach nur wahnsinnig mutig, Hut ab.

Dabei haben mich alle Seiten emotionalisiert. Abby, Alter. Als fiese Uncharted-Antagonistin vorgestellt und sie dann mit Owen und Mel eine ähnliche Dreiecksbeziehung durchleben lassen. Dazu noch der Scars-Junge als Joel-Counterpart. Diese Parallelität, auch im Verlauf der sich zuspitzenden Spielstränge, hat mich überrascht und begeistert.

Und am Ende? Nach all der Tortur? Kann Ellie ohne ihre fehlenden Fingerglieder nicht mal den Joel-Song zu Ende spielen. Das war schon eine ziemlich heftige Ohrfeige an alle "Sie muss denn alten Mann rächen"-Actionspieler.

Fast als Randnotiz: Ich bin in dieser Konsolengeneration grafisch nicht mehr flashable - dachte ich. An TLOU2 hat mich jedes Set-Piece optisch umgehauen. Da war keine faule Textur dabei, keine Copy-and-Paste-Elemente (okay, die ps3 vielleicht) und die ganze Welt hat sich wie ein wunderschönes Gemälde angefühlt. Ich bin froh, dass mir hier kein Open-World-Spiel mit einer Kompromissgrafik kredenzt wurde. Ja, etwas offener und weitläufiger hätte es schon sein können. Weniger Kulisse, mehr Dark Souls-Shortcuts. Aber mei, vielleicht ja auf der ps5.

Einzig das Epilog-Finale war vll. too much. Das war eine Fraktion zu viel, die einfach keinen Sinn ergeben hat. Warum sie Abby und den Asia-Boy am Pfahl haben verrotten lassen, hatte nach meinem Empfinden auch nur den Zweck des SCHOCKERS. Hat aber dazu geführt, dass ich Abbys Charaktermodell kaum wiedererkannt hab. Da hatte das Theater-Finale - auch spielerisch - viel mehr Impact und das hätte das richtige Ende sein müssen.

Dennoch: Krasses Spielerlebnis.


< antworten >