Thema:
Re:So. Durch! (Spoiler!) flat
Autor: token
Datum:08.07.20 23:21
Antwort auf:Re:So. Durch! (Spoiler!) von Gadon

>Kontext. Für mich erschloss sich die Vehemenz von Ellie erst so richtig in der wirklich letzten Filmsequenz mit Joel. Ellie hatte eine krasser Achterbahn hinter sich: der Mann, den sie wie ihren Vater liebt, hat sie verraten und belogen. Das hat sie komplett aus den Angeln gehoben und erschüttert. Sie hat gebraucht um sich wieder anzunähern und in dem Moment, in dem sie wieder dem Mann, der ihr alle Hoffnung der Welt gegeben UND genommen hat, wieder Vertrauen möchte, wird er brutal gekillt.
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>Die alte Ellie aus Teil 1 wurde von Joel zerstört. Mit seiner Lüge, die er mehrmals wiederholt. Aber sie schaffen wieder eine Basis und nähern sich an. Hier ergibt sich nun eine noch sehr unsichere Ellie, die durch die Entfernung und dem Verzeihen zu Joel sich neu erfindet. In genau diesen Moment wird wieder alles zertört: es gibt weder die alte noch die neue Ellie. Und die fühlt sich jetzt um alles verraten, was ihr Leben ausmacht. Diese Lücke füllt der Hass und die Rache, die sich erst wieder schliesst, als sie erkennt (durch Joel), dass ein Vergeben möglich und wichtig für den Neustart ist.
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Der Schlusspunkt zeigt einfach nur dass es eine Form der ersten Versöhnung gab. Das mag nicht die Aussprache und den Neuanfang darstellen der irgendwie optimal ist, ein traumatisches Vakuum was das Spiel anfangs suggeriert ist jedoch auch nicht gegeben.

Und Ellie ist halt immer in der Community. Ihre Beziehung zu Dina reißt ja auch etwa nicht ab oder bekommt Risse am ersten Tag der Reise, sie bekommt erste Konturen, sie reden über alles mögliche.

Ich sehe einfach nicht wie das Spiel so eine Ellie wie du sie beschreibst wirklich gelungen etablieren würde. Ich sehe einen zunehmend narzisstischen Wüterich der auch in so einem Schockzustand für mich so nicht unter einen Hut zu bekommen ist mit der Ellie die ich mag. Und die mag ich ja vor allem deswegen weil sie Charakterzüge mitbringt die so konträr zu ihrem Verhalten in Teil 2 stehen, dass mir das was das Spiel für eine derartige Dekonstruktion erklärend anführt, nicht reicht.

>>Ich erkenne auch Tommy nicht wieder. Tommy war der moralische Kompass von Joel, derjenige der noch irgendwas gecheckt hat. In TLoU2 ist Tommy instant so wie Joel, und zwar wie der kaputte Ur-Joel.
>>
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>Hier folge ich dir garnicht. Joel war der große Bruder, der Mann, für den Tommy ohne zu Zögern im ersten Teil einem Soldaten in den Kopf schiesst.


In der Situation hätte wohl auch Gandhi geschossen, mit Sitzstreik geht da nicht viel wenn gerade live tödliche Schüsse auf deinen Bruder und deine Nichte gefeuert werden, und das wohl auch heißt, dass die nächsten dann dir gelten würden.

>Wirklich viel mehr von Tommies Charakter erfahren wir nicht im ersten Teil. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass sich wahrscheinlich Joel von Tommy (in Teil 1) abgewandt hat...erst Jackson und die Zeit zwischen Part 1 und 2 lassen beiden wieder zusammenfinden. Dort findet Joel wahrscheinlich auch wieder zu seinem Pre Teil 1 Charakter zurück und ist Tommies großer Bruder, zu dem er aufschauen kann.

Ich hab ein anderes Spiel gespielt. Joel als der große Bruder zu dem Tommy aufschaut?

Als Joel mit Ellie zu Tommy unterwegs sind, hat Joel Sorge dass Tommy ihm den Kopf abreißt, weil sie sich so zerstritten haben. Joel redet mit Ellie darüber. Als sie ankommen ist nichts davon zu sehen, Joel wird empfangen. Tommy zeigt sich da schon als jemand der sich nicht zwanghaft in Wut und Ärger verbeißt.
Weiter gibt Tommy Joel das Foto seiner Tochter, was wohl auch eher in die Richtung gehen dürfte, dass Tommy es wohl für eine gute Idee hielte, wenn sich denn Joel mal mit seinem Verlust versöhnt.
Als Joel von Tommy einfordern will, dass Tommy Ellie zu den Fireflies bringt, schlägt Tommy aus. Warum? Das ist gefährlich. Er hat da Familie. Tommy ist ein Mensch der wahrt, der wenn auch Maria federführend ist, was mit ihr aufbaut. Der schützt. Familie schützen. Ich hab Familie. Dann halt andere! Nein Joel, auch die haben Familie. Du kriegst jeden Support, aber die Leute bleiben hier und stürzen sich nicht in so ein halsbrecherisches Abenteuer.
Und als Joel wütend wird und Tommy erzählen will was er für ein geiler Bruder war und was er ihm schuldig sei weil er ihn beschützt habe, sagt Tommy, fuck this shit, so zu überleben ist es nicht wert, ich habe Alpträume aus dieser Zeit und ist kurz davor ihm eine zu ballern. Und ist aber nach dem er abkühlt und etwas Ellie-Drama was er begleitet, und dabei weitere Gespräche mit Joel führt, dennoch bereit diese Mission, deren Ziel zumindest nicht weniger als die Rettung der Menschheit in die Waagschale wirft, doch zu übernehmen wenn Joel es nicht macht.

Snap.
Tommy sagt Joel, er hätte wie er gehandelt. Das passt. Familie über alles, retten, schützen, wahren. Das ist Tommy.
Und dann begeht der Typ, der auch Familie verloren hat und dem sowas wichtig ist, und Joel zur Versöhnung helfen wollte, und selbst gelernt hat was das heißt sich mit etwas zu versöhnen und keinen Quatsch zu machen und dass diese Scheiße die Joel getrieben hat ein einziger Alptraum sind, macht dann mal eben einen Menschenjagdexekutionstrip. Okay. Familie über alles? Scheiß auf Maria. Scheiß auf meine Verantwortung. Ich bin dann mal mördern, was könnte es gerade wichtigeres geben, und why not, ich allein gegen mindestens ein Dutzend Leute, wird schon schief gehen. Yolo.

Und wäre das nicht genug, geht dann genau dieser Typ der alles zerstört was ihm einst so wichtig war dass er nicht mal bereit war ein sinnhaftes Risiko zu gehen, geht nun auch proaktiv hin und will ihr die Leviten lesen weil sie gerade so meint: Naja, hier ist Baby und Dina und so, ich bin jetzt nicht unbedingt darauf aus loszuziehen und mich in Lebensgefahr zu bringen um jemanden bestialisch abzumurksen. Und der so voll empört!

Wir halten fest, der coole Mr. Familienmensch der die Lektionen dieser Welt eigentlich schon gelernt und umgesetzt hat und auch schon vorher einiges hinter sich hatte, für den so ein Fuckup also auch nicht komplett neu ist, verlangt als Schlusspointe dass das was für ihn an Familie noch übrig ist sich in den Abgrund stürzt aus dem er selbst mal gekrochen ist, und dass sie hierbei auch gut und gerne selbst verrecken könnte, spielt auch keine Rolle mehr.

Deswegen kriege ich diesen Tommy2.0 nicht unter einen Hut mit Tommy1.0 und auch hier sehe ich nicht was genau das Spiel tut um so einen Wandel zu einem abgestürzten Protoarschloch zu etablieren.


>Was passiert: anders als Ellie muss Tommy bei allem zusehen: Den Verrat, dem Anschiessen, dem Quälen und dem Töten von Joel. Tommy geht genau wie Ellie auf Rachefeldzug und verliert am Ende sogar noch mehr als Ellie:  Seinen Bruder, seine Gesundheit und wohl auch seine Frau.
>
>Ellie hat ihren ersten, kleinen Abschluss bzw Konfrontation im Theater. Das hatte Tommy nicht. Er verliert hier nur seine Gesundheit und erfährt nicht, dass Abby eben auch den Kreis der Gewalt durchbricht und sowohl Dina als auch Ellie am Leben lässt. Das Tommy jetzt noch verbitterter und kaputter ist, finde ich also verständlich.
>

Wie gesagt, Tommy ist kein unbeschriebenes Blatt. Er hat die Scheiße schon hinter sich, seinen Bruder so zu verlieren ist sicher schlimm. So wie es sicher schlimm war seine Nichte zu verlieren und Actiontime mit Joel schien ihm letztlich auch eher ungeil. Tommy erlebt etwas schreckliches hat eben auch Kontext. Nämlich Kontext zu dem als was Tommy von Teil 1 etabliert wurde. Der Tommy in TLoU gibt zudem paar Einblicke in seine Ansichten und handelt dort auch nach diesen, und diese verlaufen so ziemlich konträr zu dem was er in Teil 2 tut.


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