Thema:
So. Durch! (Spoiler!) flat
Autor: Pezking
Datum:08.07.20 11:01
Antwort auf:The Last of Us Part II #3 von Gunpriest

Heute Nacht um 4 Uhr war es soweit, innerhalb von vier Tagen habe ich das Spiel durchgezockt, die letzte Session dauerte tatsächlich über acht Stunden. Es ist sehr selten, dass mich ein Spiel auf der Zielgeraden derart an den Eiern hat, dass ich einfach nicht aufhören kann und will. Das ist Jahre her.

Ich bin nach dem Abspann direkt in die Heia gegangen, habe mir noch keine anderen Spoilerthreads und -postings durchgelesen und schildere hier mal meine eigenen jungfräulichen Gedanken, ohne den Eindruck anderer Reaktionen.

Um es vorweg zu nehmen: TLOU2 ist bezüglich der erzählerischen Qualität ein Meilenstein. Absolute Referenz im Bereich Videospiele. Druckman setzt den Spieler einer Achterbahn der Gefühle aus. Einst gerechtfertigt wirkende Urteile werden auf den Kopf gestellt, der Spieler spürt zuweilen Abscheu und Reue gegenüber den "eigenen" Handlungen, Hass wird zu Mitleid, Rachsucht zur Selbstzerstörung, Feinde zu normalen Menschen. Und durch dieses emotionale Tohuwabohu führt einen Naughty Dog unfassbar geschickt und zielstrebig. Wie sich diese hochkomplexe Geschichte mit ihren stets realistisch und natürlich wirkenden Charakteren vor einem ausbreitet und den Spieler zum Mitleiden, Reflektieren und Nachdenken anregt - das ist ganz großes Kino, und so setzt man das Medium Videospiele tatsächlich mal auf eine neue Stufe.

Nehmen wir zum Beispiel mal Abby und Owen. Beide waren mir auf Anhieb höchst unsympathisch. Ich mag einfach Owens Art von Humor nicht. Aber er war zweifellos ein guter Mensch. Vielleicht der erste wichtigere Charakter im ganzen Spiel, der keinen Bock mehr auf die Spirale der Gewalt hatte. Dass man einen Videospielcharakter einmal gleichzeitig etwas nervtötend findet und trotzdem bewundert (und später um ihn trauert) - das spricht für die natürliche Tiefe der Charaktere in TLOU2.

Abby habe ich zu Beginn gehasst. Ohne zu Beginn sie und ihre Story zu kennen, fühlte sie sich auf Anhieb ungesund besessen an. Man hatte das Gefühl, gerade jemanden zu steuern der Unheil herbeiführen wird. Und dann ermordet sie Joel - eine Tat, die eigentlich jede Form von Erlösung unmöglich machen sollte.

Und dann lernen wie sie nach ihrer Tat kennen. Und merken, wie in ihr die Einsicht reift, dass ihr der Rachefeldzug überhaupt nichts gebracht hat. Wie sie dadurch nach und nach alles verliert. Wie sie (inspiriert von Owen) danach strebt, durch die Rettung zweier Feinde doch eine Art eigene Erlösung zu erzwingen.

Widerwillig übernimmt man zu Beginn der zweiten Spielhälfte ihre Rolle. Man war bereits von den ersten drei Seattle-Tagen mit Ellie hellauf begeistert - und wider Erwarten und gegen die eigene Lust darauf stellen sich die Abby-Kapitel am Ende sogar als wahrer Höhepunkt des Spiels heraus. Am Ende geht Abby buchstäblich in Haven durchs Fegefeuer - nur, um dann in ihrer neuen Hölle im Aquarium zu landen und vorübergehend wieder in alte, zerstörerische Verhaltensmuster abzudriften. Um dann von Lev gerettet zu werden und fortan gezielt nur noch nach Erlösung zu streben.

Und dazu musste sie ihren Endgegner, "unsere" Ellie, verschonen.

Ellie konnte nicht so früh loslassen. Sie konnte Abby und sich selbst (!) nicht vergeben, bevor sie nicht Joel verzeihen konnte. Als sie im letzten Kampf gegen Abby in Santa Barbara kurz davor stand, zum Äußersten zu gehen und diese nach ihrem monatelangen Martyrium zu ermorden, realisierte sie plötzlich, wie weit man gehen kann, wie sehr man vom richtigen Weg abkommen kann, wenn man jemanden aufrichtig liebt. In diesem Moment verstand sie, warum Joel sie damals vor den Fireflies gerettet hat. Ellie erlangte ihren Tiefpunkt - und war durch ihren Akt der Gnade endlich frei. Zu einem hohen Preis, denn jetzt ist sie wieder komplett allein. Und kann nicht mal mehr Gitarre spielen.

MENSCH, WAS FÜR EIN FEST DER GUTEN LAUNE!1!11

Zum Spielerischen will ich gar nicht viele Worte verlieren. Gameplay und Steuerung waren gut. Das Spiel war etwas zu lang, die gut funktionierenden Spielelemente nutzten sich bei mir schnell ab.

Und ich habe echt keinen Bock mehr auf Loot und Crafting. Ich will nie wieder, jeder erzählerischen Eile zum Trotz, wie bessessen durch jede Szene moonwalken und nach Schrauben und Pillen Ausschau halten müssen. Das nervt, stört den Spielfluß und untergräbt das Storytelling.

Der Schwierigkeitsgrad war erstaunlich knackig. Irgendwann stellte ich sogar auf "very easy" um - und starb dennoch weiterhin viele Tode. Eigentlich denke ich mir, dass der niedrigste von fünf Schwierigkeitsgraden nahezu ein Autopilot sein sollte. Das war hier überhaupt nicht der Fall. Man musste weiterhin hellwach sein und geschickt mit den eigenen Ressourcen haushalten.

Mehr fällt mir jetzt nicht mehr ein. Meisterwerk. Ganz einfach.


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