Thema:
Antwort an Bronco flat
Autor: Sachiel
Datum:03.07.20 11:39
Antwort auf:The Last of Us Part II #3 von Gunpriest

Unten geht das nur, äh, unter.

Nochmal: Spoiler! Unmarkiert. Zu allem. You have been warned.

>I didn't like see Donny go, wie es schon der Erzähler in The Big Lebowski am Ende festhielt, und so ist es auch hier: Ich mochte nicht, dass Joel sterben musste aber dennoch hätte diese Geschichte einiges dem Last of Us Universum hinzufügen können. Leider hat Naughty Dog einige Entscheidungen getroffen, die irgendwie nicht zu der vom Studio selbst kommunzierten Intention passen wollen. Das Spiel soll keinen Spaß im klassischen Sinne machen? Man soll ALLES hinterfragen? Es geht nicht mehr primär um die Beziehung zwischen Vater/Tochter sond um Hass, Rache und all der Ballast der damit verbunden ist? Okay. Sehr geil. Die Idee finde ich cool, die Story (zumindest auf dem Reißbrett) auch. Sowas möchte ich wirklich spielen und sehen, wie Naughty Dog versucht, diese hohen Ambitionen umzusetzen und das Medium an sich weiterzuentwickeln.
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>Und in gewissen Szenen funktioniert das richtig, richtig gut. Der Tod von Joel ist "toll" gemacht, ebenso der Flashback zu Ellie und Joel im Museum, oder die Acoustic-Version von Take on me, oder die vorletzte Szene zwischen Joel und Ellie auf seiner Veranda, oder wie man Abby im großen Stadion sieht und wie die Wölfe leben, oder auf der Kult-Insel wo alles auf das sinnlose Morden der beiden verfeindeten Fraktionen hinausläuft und inszenatorisch unfassbar geil ist, oder oder oder... The Last of Us 2 hat so viele tolle Momente, ich könnte noch viele weitere aufzählen. Und auch das Gameplay ist eine tolle Weiterentwicklung zum ersten Teil, im Abschnitt Seattle Day 1 (der Open World Teil) habe ich so viel Zeit verbract um mir alles anzusehen und zu erforschen. Das war genial. Spannend, motivierend und auch die Beziehung zu Dina hat sich da gut entfalten können. Richtig toll. Und mit der Perfektion, die Naughty Dog stellenweise auf die Spitze treibt, fange ich gar nicht erst an.
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>Allerdings sehe ich es unterm Strich wie token weiter unten, deswegen muss ich nicht alles wiederkäuen was er schon kompetent argumentiert hat. Daher folgen nur ein paar ungeordnete Gedanken, die mir auf den Fingern brennen:
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>Ich bin eher deswegen so enttäuscht weil, im Gegensatz zu Teil 1, die emotional aufwühlenden Themen so plump präsentiert werden. Vorweg: Ich habe keine der geleakten Spoiler mitbekommen, ich ging unvoreingenommen ans Spiel heran und habe mich, obwohl ich nachwievor behaupte dass es keinen zweiten Teil geben sollte, auf die Fortführung der Geschichte gefreut. Aber was hat Naughty Dog denn bitteschön bei der Erzählweise geritten? In vielen Szenen sind die Dialoge saustark, in manchen Szenen und vor allem bei den vielen Sammelgegenständen (auch hier, siehe tokens Argumentation zur fragwürdigen Einbindung in die Spielwelt, das hat Teil 1 viel besser gemacht) jedoch viel zu oft langweilig und sprachlich unpassend.
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>Das fängt schon mit der ersten Ellie-Szene an, als Jesse als Ex-Freund von Dina etabliert wird. Telling versus Showing als Konzept des Filmischen, bzw. dessen "Nutzung" in einer Erzählung, wird hier deutlich und offenbart den erzählerischen Unterschied zum ersten Teil: Während in The Last of Us viele Dinge ungesagt bleiben und sich aus dem Kontext ergeben, spricht Teil 2 die Dinge meist direkt an. In Teil 1 wusste man schon durch das erste Telefonat zu Beginn, was für eine Art Mann/Vater er ist. Oder Bills und Ellies Homosexualität. Das war grandios geschrieben, perfekt ins Narrativ eingebaut und ich hatte damals Gänsehaut als ich beim mehrfachen Durchspielen immer wieder neue Facetten an den Charakteren entdecken konnte. Teil 2 fokussiert sich da oft zu sehr aufs Telling, so dass auch wohl jeder mitbekommt, was Naughty Dog einem mit überraschender Einfältigkeit in den Kopf hämmern will. Und dieses Konzept sieht sich durch das gesamte Spiel. Naughty Dog wollte krampfhaft ein progressives Spiel abliefern, und hat dabei irgendwie vergessen das Gameplay mit einem durchdachten Erzählkonstrukt zu vermengen.


Gute Punkte. Insgesamt wirkte das für mich dennoch sehr organisch. Dieses Reden über die Vorfälle eines Party-Vorabends kennt man ja nur zu gut.

>Zur Erinnerung: In Teil 1 hatten wir einen Prolog, wir lernen die Charaktere kennen und wir werden in die harsche postapokalyptische Welt eingeführt. Danach lernen wir den zentralen Konflikt kennen, um anschließend ein Jahr im Leben von Ellie und Joel zu erleben (Frühling, Sommer, Herbst, Winter) und eine Schlusszene führt all das gekonnt zusammen. Heldenreise. Drama. So weit, so klassisch. Dennoch bleibt The Last of Us überraschend, und ist dabei durchaus progressiv (Wechsel der spielbaren Figur, man muss als Joel den Arzt killen etc.).
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>Im zweiten Teil versucht Naughty Dog wirklich hart, den Spieler zu überraschen, emotional aufzuwühlen, ihn dazu zu bringen sich zu hinterfragen und mit wechselnden Charakteren auch zu überraschen. Dabei ist das leider ziemlich vorhersehbar und manchmal habe ich mich dabei ertappt, etwas verärgert zu sein. Ich wusste einfach in einigen Momenten, dass die Entwickler mich emotional manipulieren möchten, wie sie es tun und dass es einfach ziemlich plump ist. Ein paar Beispiele: Man startet das Spiel als Joel (den man aktiv steuert) und weiß imo sofort, dass sein Tod der Aufhänger für den Rest der Story wird. Das hat bei Naughty Dog Tradition, wie etwa Joels Tochter in Teil 1. Man darf umgehend Abby spielen und bleibt über ihre Motive im Ungewissen. Okay. Als sie Joel dann umbringt und man Ellie steuert, offenbart sich bereits wie der Hase läuft. Man muss sich rächen, der Spieler soll durch den brutalen Tod Joels Hass empfinden aber dadruch, dass man Abby spielte, weiß man dass diese Figur später noch eine wichtige Rolle spielen wird. Es muss hier also eine Verbindung geben und da man bald (Day 2?) erfährt, dass Joel und Ellie sich gestritten haben und dem Spieler ja deutlich gemacht wird, dass Ellie von Joel nichts mehr wissen will, war wir klar, dass Naughty Dog das Spiel mit einer bittersüßen Szene enden lassen möchte um Ellies Rache im Rahmen der Erzählung zu motivieren.


Thema emotionale Manipulation: Bei derartigen Werken erwartet man ja, dass man emotional manipuliert wird. In Uncharted: Lost Legacy stribt übrigens niemand. Und Teil 4 passt auch nur so halb, weil der totgeglaubte Bruder ja wieder auftaucht. Ich für meinen Teil war auch so von der Umgebung geflasht, dass mir der Einstieg in der Hinsicht nicht plump aufgefallen ist. Wobei ich ohnehin davon ausging, dass Joel das zeitliche Segnen würde. War bis dahin also sowieso neutral unterwegs.

>Es gibt einfach viel zu viele Charaktere, da wäre weniger mehr gewesen. Und es sind dadurch so viele verschiedene Themen, die alles andere als subtil eingebunden werden, nur um auf Teufel komm raus die Diversität und weltmännische Offenheit und Firmenkultur zu feiern. Nicht falsch verstehen: Ich finde es richtig cool, dass Naughty Dog etwa in Lev einen Trans-Charakter eingebaut hat. In einem AAA-Spiel ist das echt neu, bewundernswert und passt perfekt ins Accessibilty-Gesamtbild, dass die Firma in allen Spielen anbietet. Auch möchte ich explizit erwähnen, dass ich all jene die mit Ellies Homosexualität ein Problem haben, nur mit einem Kopfschütteln quittieren möchte. Das passt alles, das war ja auch schon in Teil 1 so. Nur macht Naughty Dog den Fehler, irgendwie alles in diesem Spiel unterbringen zu wollen. Ellies Beziehung zu Dina. Ellies Dreiecksbeziehung zu Jesse und Dina. Dina ist schwanger. Bei Abby dasselbe. Dreiecksbeziehung zwischen Abby, Mel und Owen. Lev und die Schwester mit ihren Problemen. Usw. da wird so viel thematisiert, manchmal subtil manchmal direkt in your face, das ist mir einfach zu viel Info auf einmal. Das reißt mich völlig aus der Erzählung raus und ist stellenweise schlecht für die Immersion. Manchmal hatte das was von Rosamunde Pilcher.



Genau die Tatsache, dass Abby und Ellie ähnliche soziale Probleme haben, soll doch ganz offenbar zeigen, wie ähnlich sich die beiden im Grunde sind. Vor allem die Parallele zwischen der schwangeren Dina und Mel ist echt bitter und je länger ich mit Mel unterwegs bin, desto schlimmer fühle ich mich. Auch wenn man erfährt, dass sie sich damals für die Beseitigung von Ellie ausgesprochen hat, iirc. Zu viel Info ist das imo alles nicht, da ja sonst nicht allzu viel storytechnisch passiert. Für mich ist das die Erzählung.

Als ich mit Jesse an einer Stelle alleine unterwegs war und die sich kurz über Dina unterhalten haben, dachte ich auch kurz, dass das son bisschen pilchermäßig ist. Fand das andererseits auch realistisch, weil die Figuren halt auch ganz normale Probleme haben, die sich nicht nur aus der kaputten Welt ergeben, sondern zeigen, dass Jackson ein gewisses Maß an Normalität mitbringt, und zwar mit all ihren Alltagsproblemchen, die zwar alles andere als lebensbedrohlich sind, aber die Figuren dennoch umtreiben, auch während sie völlig absurde Rachefeldzüge unternehmen.

>Das sieht man in weiterer Folge bei der Erzählstruktur: Prolog, Seattle Day 1, Day 2, Day 3, dann nochmal dasselbe. Dann Abby versus Ellie. Dann das vermeintliche Ende. Dann nochmal Santa Barbara. Dann nochmal Ellie versus Abby. Epilog. Nicht zu vergessen die unfassbar vielen Flashbacks. Diese schiere Masse an schwierigen Themen spiegelt sich in der komplexen Erzählstruktur wider, wobei die Story und Message nicht sonderlich schwer zu begreifen sind. Es wird nur unnötig kompliziert gemacht und anstatt den Spieler auf die richtige Weise "to feel miserable" zu machen, wie es Druckmann so oder so ähnlich sagte, setzt Naughty Dog auf den Immersionsbruch durch die multiperspektivistsiche Herangehensweise. In gewisser Weise ist das Spiel dadurch sogar ein Rückschritt, weil viele Probleme wieder zum Vorschein kommen (also was dem Mix aus Spiel und Film betrifft), die The Last of Us so einfach nicht hatte. Das ist enttäuschend und für mich unerwartet gekommen, also speziell die fragwürdige Erzählweise (nicht die Story an sich!).

Token findet das auch "verschwurbelt". Imo ist das ziemlich klar getrennt mit diversen Rückblenden hier und da. Finde den Immersionsbruch auch nicht schlimmer als bei A Song of Ice and Fire, wo wohl jeder seinen Lieblingscharakter hat und teils ewig auf das nächste Kapiter von ihm oder ihr warten musste. Dafür lieferten die anderen Figuren aber trotzdem. Ich sehe die Probleme mit dem Mix tatsächlich nicht, bzw. nehme ihn offenbar nicht so schlimm wahr wie ihr.

Andererseits: Das mit Mel funktionierte bei mir zwar, aber auf das Wiedersehen mit Bear war ich nicht vorbereitet. Hab mich kaputtgelacht, weil ich plötzlich Hol-das-Bällchen mit dem Spielen sollte, wo ich noch die von mir in einem anderen Post beschriebene rote Blutwolke vor Augen hatte. Hab auch versucht, Bear mit dem Tennisball abzuwerfen, ging aber leider nicht. Endete dann darin, dass ich den Ball aus dem Käfig geworfen hab. Sorry, Bear. Ellies „Stupid dog“ hallte dafür noch nach, als ich mit Abby, Mel und Dingsbums unterwegs war.

>Es fühlt sich so an, als wäre The Last of US II auch gleichzeitig Teil III. Das ist zu viel und manchmal auch zu gewollt. Stellenweise ist die Erzählung wirklich genial, aber so rund wie Teil 1 ist das alles nicht. Und doch hat mich TLoUII zum Nachdenken angeregt, stellenweise berührt (der Moment als Lev sich outete war z.B. ein wahrer Aha-Moment) und auch mitgerissen, ohne dabei auch nur im Ansatz an die Wucht und Zielsicherheit von Teil 1 anknüpfen zu können. Irgendwie hätte ich es etwa besser gefunden, nur Abbys Geschichte zu spielen und die beiden Frauen dann in einem leider unvermeidlichen dritten Teil aufeinandertreffen zu lassen. Dann hätte sich auch der innere Kampf der beiden besser entfalten können, besser auf die Spieler wirken können. Ich mochte Abby, doch ihr Handlungsstrang hätte besser mit Ellies Geschichte verwoben werden müssen um bei mir den gewünschten Effekt der Ambivalenz erzielen zu können. Ja, Rache ist schlecht. Man verliert alles. Man zahlt einen hohen Preis. Man wird zum Monster. Wer ist dann überhaupt das Monster? Ellie und Joel? Abby? Oder gar... alle? Es ist auch unglaublich bitter das Ellie die Chance genommen wurde, sich ihrem "Vater" wieder anzunähern, Abby hat ihr diese Chance geraubt wie einst Joel, als er ihr die Möglichkeit nahm, ihr Leben für das große Ganze zu opfern. Ja, Naughty Dog, ich habe es verstanden. Das Leben ist kompliziert. Aber es gibt einen Grund warum komplexe Zusammenhänge in Filmen, Spielen und Büchern am besten funktionieren, wenn eine sinnvolle/einfache/bewährte/durchdachte etc. Struktur dahintersteckt.

Für mich ist die Hauptstory vor allem Aufhänger, um viele Einzelschicksale zu zeigen und ein ziemlich gutes Worldbuilding zu betreiben. Bietet halt für jeden was. Mel fand ich bis jetzt halt am ergreifendsten, und sei es nur, weil meine bessere Hälfte auch gerade schwanger ist. Zugegeben, es ist etwas plump. "Ey, Neil, lass ma Schwangere einbauen. Trifft die Zielgruppe bestimmt", aber für mich funktioniert das so als Slow Burner trotzdem gut.


Insgesamt sind es aber gerade die vielen Kleinigkeiten, von denen andere behaupten würden, dass es ein gestreamlinetes Gesamtbild verwässert, aber ich für meinen Teil mag es, die vielen Details zu entdecken.

>Wie gesagt, TLoUII ist ein sehr gutes Spiel. Ich will es nicht verteufeln und hasse es auch nicht. Im Gegenteil. Ich mag Teil 2 und rechne es Naughty Dog hoch an, etwas versucht zu haben, etwas dass Spieler emotional herausfordern soll und das ultimative Spaßprinzip von Videospielen hinterfragt. Ich bin nur enttäuscht, dass nach The Last of Us und Uncharted 4 vieles so plump, manipulierend und alles andere als subtil umgesetzt wurde.
>
>8.5/10


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