Thema:
Re:Vertane Chance *spoiler* flat
Autor: token
Datum:30.06.20 12:31
Antwort auf:Re:Vertane Chance *spoiler* von Sachiel

>Inwiedern war Teil 1 den besser verwoben hinsichtlich Film und Game? Ist für mich schon viel zu lange her, um das konkret beurteilen zu können. Irgendein Video-Essay, der konkrete handwerkliche Beispiele aufzeigt?

Ich hab den ersten Teil kurz vor Release vor Teil 2 noch gespielt.
Zum einen ist da die Detailwut hinsichtlich immersiver Welt. Selbst für Games typische Detailprobleme wurden akribisch rundgeschliffen. Ich finde das Beispiel Sammelitems illustriert das gut. Es liegt nicht random Firlefanz um. Ellie ist jung, Joel findet das erste Comic, seine Tochter mochte Comics, er kommentiert es noch damit dass das Ellie gefallen könnte. Alle Ebenen greifen hier ineinander. Ein Collectible, ein Gamevehikel, wird motiviert und passt ins Bild. Erzählerisch ist das eine erste Aufweichung von Joel der aus seiner Verbitterung heraus Ellie erst als Transportware einkeilt und sich distanziert, und sich dann zunehmend öffnet. Dieser Fund ist einer der ersten Schritte in diesem Prozess.
Erzählung und Spiel bilden eine Symbiose und die Immersion der Welt bleibt hierbei auch noch intakt.

Dann solche Dinge wie Tempo. Spielst du das Spiel merkst du dass Gefechte und Erzählmomente in einem eng geschnürrten Wechselspiel agieren. Sie tanzen quasi miteinander. Spielerische Abschnitte sind nicht ausladend, erzählerische Abschnitte sind nicht ausladend, und Reiseabschnitte werden über Dialoge als erzählerisches Vehikel genutzt. Und auch die Gefechtsräume sind immer Teil der Story und keine Random-Arenen.
Auch die Linearität würde ich als sinnhaft begreifen in einem Spiel wo man Gear findet und levelt. Und Zeitsprünge sind geschickt gemacht und erzeugen auf dieser Ebene keine gravierenden Brüche.

Da wird quasi aus allen Zutaten ein perfekt abgeschmecktes Gericht gezaubert wo alle Rädchen ineinander greifen. Ich kann das bei Teil 2 beim besten Willen so nicht mehr erkennen. Genau dieses Fingerspitzengefühl für die richtige Mixtur, Gewichtung, Tempo und Notwendigkeiten wenn man im Medium Videospiel agiert leiden. Es gibt keine straffe Pace, keine gute Gewichtung zwischen Erzählung und Spiel, wilde Sprünge in Zeit- und Perspektivebenen welche Aspekte wie Gear und Leveling auf links drehen, plumpe Immersionsbrüche weil man sich keine Gedanken macht. Schlechte Briefe die nie jemand so schreiben würde, blöde Wandmalereien die nie jemand so schreiben würde, blöde Collectibles die null mit Ellie in ihrer Situation zu tun haben und unglaubwürdig wie batsch sind, zu ausladende Erzählsequenzen und zu ausladende Spielsequenzen, statt gutem Wechselspiel arbeiten diese Ebenen gegeneinander, Reisezeiten werden erzählerisch nicht mehr ganz so geschickt genutzt und haben lange Leerläufe usw.

Dabei hat TLoU2 auch viele Phasen wo diese Dinge durchaus funktionieren, aber das sind eben nur Phasen, in seiner Gesamtheit wirkt es einfach unrund.


< antworten >