Thema:
Wenn die Erzählstruktur mit der Spielstruktur bricht flat
Autor: token
Datum:25.06.20 15:34
Antwort auf:The Last of Us Part II #2 von Steppenwolf

Ich gewinne verstärkt den Eindruck das ein Problem des Spiels ist, dass es grundsätzlich seine narrativen Ambitionen über die Anforderungen spielerischer Aspekte stellt.

Das klingt erstmal schräg, denn gerade auf mechanischer Ebene ist das Spiel deutlich interessanter und runder geworden. Aber das eine ist die Mechanik in einzelnen Szenen, das andere bin ich, der Spieler. Und ich als Spieler bin mitnichten Beobachter wie bei einem Film, ich bin die Figur. Brontale Perspektivwechsel sind da schon per se problematisch. Mehr, als man es hier macht, geht nicht. In einem Film, in einem Buch, ist sowas gangbar und ein feines Stilmittel, in einem interaktiven Medium halte ich so ein Stilmittel für legitim wenn es denn auch sehr sehr dezent eingesetzt wird.
Das ist hier nicht der Fall. Neben den Perspektivwechseln die Figuren switchen, hab ich selbst innerhalb der Figur unglückliche Perspektivwechsel. Den Flashback. Again, ich steuere einen Charakter, ich entwickle ihn, levele ihn nach persönlichen Vorlieben, sammle Ressourcen und behalte diese im Hinterkopf für das nächste mögliche Gefecht, ich bin drin. Und dann bin ich, obwohl ich der gleiche bin, jemand anderes, und mein ganzer spielerischer Mantel ist weg. Nicht ein mal, nicht zwei mal, nicht drei mal, nein, immer wieder.

Dies sind die Aspekte wo ich denke, die Geschichte will sich nicht in das was im Medium Videospiel beim Einsatz eines Narrativ eine sinnige Struktur stellt fügen. Und das ist ein Rückschritt zum fast perfekten Filmspiel. Der größte Irrtum von TLoU war etwa am Ende einen möglichen Motivbruch von Spieler und Spielcharakter optionsfrei nachspielen zu lassen, statt da, wo man dem Spieler eh keine Wahl lässt einen Film abzuspielen wo das was passieren muss passiert.

Und TLoU2 ist voll von solchen Reibungen zwischen Erzählung und Interaktion und einem imo Fehlverständnis für Notwendigkeiten die sich mit einer interaktiven Spielerperspektive und zugehöriger Gamingkomponenten ergibt. Diese große Sünde von Teil 1 die da noch heraus sticht, ist hier gleich mehrfach der Fall, diese eine Sache die durchaus zu Recht eine Kontroverse gestartet wird nicht besser gemacht sondern auch noch aufgeblasen zu einem Dauereinsatz. Ein merkwürdiger Trotz.

Aber auch auf Erzählebene geschehen nun Dinge zu denen es im ersten Teil nicht wirklich kam. So ist sowohl auf Plotebene die ein oder andere Flappsigkeit drin wo man fünfe einfach gerade sein lässt. Ein Beispiel, ein Charakter möchte einem anderen Charakter etwas zeigen was er schon kennt. Gelangt man an den Ort ist dieser jedoch gesperrt und man muss Zugang finden. Bei der Art und Weise wie das geschieht und auch den zugehörigen Dialogen wird klar, dass der Charakter der dir das zeigen will selbst noch nicht da gewesen sein kann.
Solche Dinge. Oder Subplots in der Welt, wo die Umwelt ihre Geschichte erzählt. Den Brief kann man verknusen, Menschen bringen ihre Gedanken und Erlebnisse zu Papier, das ist kein zwingender Immersionsbruch solche Dinge zu finden.
Aber wenn ich Wandkrakeleien finde die komplett unmotiviert sind weil und sich über den Spielertunnel noch in eine Art Kapitel unterteilen, puh Leute, das ist einfach nur plump.

Sind solche Dinge generell ein Ärgernis für ein Videospiel? Nee, in so einem Kontext ist es Nitpicking. Weil das geht alles noch dümmer. Aber damit muss sich der zweite Teil nicht messen, sondern mit einer Skizze die er selbst gezeichnet hat, TLoU1, das nahezu perfekte Filmspiel wo alle Einzelteile eine symbiotische Beziehung eingehen und an allen Flanken unglaublich gelungene Gewichtung gelegt wird mit einer unglaublich guten Politur auf Detailebenen.

Die gehen hier grundlegend ab.
Alles ist ein Stück weit plumper. Dinge passieren aus heiterem Himmel und werden nicht aufgebaut, die Schriften in der Welt haben eher einen Klischeecharakter als das sie interessieren oder Einblicke in berührende Schicksale gewähren, und ständig irrlichtert die Pace zwischen Erzählung und Spiel, will beiden Aspekten mehr Raum geben, bekommt das aber nicht gelungen hin.

Und zu guter letzt, das treibende Motiv der Geschichte finde ich gar nicht mal so interessant. Das packt mich wenig, wo es mich berührt ist es eher auf Dinge rückführbar die auf Teil 1 und meine aufgebauten Bindungen referenziert, aber nicht Dinge die sich Teil 2 selbst erarbeitet.

Teil 1 hat eine stringente Struktur, Prolog, Heldenreise, Abschluss. Hintergründe werden ständig in diese Heldenreise eingewoben, und während es ein übergreifendes Motiv gibt welches die Charaktere treibt, findet die eigentliche Geschichte über Verlust und Liebe zwischen den Zeilen statt. Es passiert was. Es passiert was mit den Protagonisten, wunderbar transportiert. Und doch bleibt die Welt in seinen Szenenwechseln immer interessant.

Nehmen wir Bill. Es gibt ein Motiv dahin zu gehen. Es gibt ein Foreshadowing zu Bill in Dialogen. Es gibt einen Aufbau zu seiner Welt und Perspektive über die Sets. Es gibt Spannungen, Reibungen, Entwicklungen, Dramatik. Es ist alles packend, aufregend, fokussiert, interessant. In diesen 90 Minuten bekomme ich ein besseres Bild von einem NPC und hab da mehr an Entwicklungen als in 10 Stunden Spielzeit mit dem Charakter den ich eigentlich steuere in Teil 2.

Ich finde das Spiel ist überambitioniert, es will zu viel. Teil 1 hat sich dadurch ausgezeichnet das nicht zu tun, es war recht stringent und simpel aufgebaut, immer klar fokussiert, immer straff gepaced, und es hatte dennoch sehr viel interessantes zu sagen. Teil 2 will es auf jeder Ebene toppen.
Aber manchmal ist weniger mehr.

Das ist meckern auf sehr hohem Niveau, denn das Spiel ist trotz solcher Mängel immer noch äußerst beeindruckend. Aber so eine runde Sache wie Teil 1 ist es imo nicht.


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