>Hab das ganze nun mal ein paar Tage sacken lassen. Und ich muss sagen, LoU2 fühlt sich rückblickend irgendwie nach gar nichts an. Es gab einige erinnerungswürdige Momente, aber das Gesamtpaket hinterlässt nichts, was in irgendeiner Form heraussticht oder erinnerungswürdig sein wird. Es gab einige Internetspacken, die LoU2 mit Schindlers Liste verglichen haben (und dafür ordentlich Kritik ernteten, berechtigterweise). Andere meinten, dass LoU2 aufgrund des Gewaltgrades irgendwie ein enorm spaltendes, radikales, subversives, konsequentes Kunstprodukt wäre – sozusagen das Salò oder das Funny Games der Videospielgeschichte. Aber LoU2 ist weder das eine, noch das andere. Es ist ein handwerklich solides Industrieprodukt. Und als solches ist es vor allem was Plot und Tone angeht dem Erstling noch weit unterlegen. Wenn jemand eine Nummer haben möchte: 7/10.
Also bei mir kommt es besser weg, aber ja, viel von dem was am Anfang kommuniziert wurde konnte ich auch nicht nachvollziehen. Was wurde da über Gewaltpornos und "kann keinen Spaß machen" gesprochen. Viel unterschied zu Teil 1 war da einfach nicht. Das hätte noch WEIT expliziter sein können, es wurde doch sehr oft weggeschwenkt. Und moralisch waren da jetzt für mich auch keine so großen No-Gos drin dass mir das eigentliche Gameplay keinen Spaß gemacht hätte. Zum Dilemma, dass 500 gemeuchelte Gegner im Gameplay nix wert sind, aber 1 Tod in den Zwischensequenzen Mega-Gewicht hat wurde ja schon genug gesagt.
>Vergleicht man die Enden von LoU1 und LoU2 sieht man sehr gut wo die narrativen Schwächen von LoU2 liegen. Von hier an Spoiler:
>
>Kurzes Recap zum Ende von Teil 2. Abby minus gainz hängt am Kreuz, Ellie befreit sie. Abby und Lev wollen mit einem der Boote flüchten. Ellie hat einen Flashback zu Joels Tod und entscheidet, dass sie Abby nicht gehen lassen kann. Es kommt zu einer enorm dummen Quicktime-Kampfsequenz während der Abby Ellies Finger abbeißt. Ellie versucht Abby zu ertränken, es gibt einen weiteren kurzen Flashback zu einer Szene mit Joel, die wir nicht kennen. Daraufhin gibt Ellie auf und lässt Abby ziehen. Erst ganz am Ende wird die zweite Flashbackszene aufgelöst. Man kann diese Szene auf verschiedene Weisen interpretieren: die negativste Interpretation ist, dass Ellie realisiert was für eine egoistische Person Joel ist und ihn daraufhin konfrontiert. Eine gutartigere Interpretation ist, dass sich Ellie eben langsam in Zuge des Erwachsenwerdens von Joel emanzipiert und realisiert, dass auch Joel nur eine imperfekte menschliche Person ist, die imperfekte Entscheidungen trifft und daraufhin die Konsequenzen tragen muss. Auf jeden Fall können wir verstehen, warum sich Ellie entscheidet Abby leben zu lassen. Das Problem ist, dass diese Entscheidung in einem a posteriori Flashback gerechtfertigt wird. Sie ist nicht das Resultat einer im Narrativ klar kommunizierten organischen Charakterentwicklung. Wir können uns denken, dass Ellie während der Reise nach Seattle und später nach Santa Barbara sicherlich einen inneren Konflikt zwischen Rachsucht und emotionaler Emanzipation von Joel durchläuft. Dieser wird aber eben nicht wirklich gut gezeigt.
>
>Last of Us 1 war dahingehend ganz anders. Wir können von Joels Befreiung Ellies aus dem Krankhaus halten was wir wollen. Wir können aber alle menschlich nachvollziehen warum Joel so gehandelt hat. Und dazu brauchte es keine Erklärungen oder Rückblicke oder Flashbacks. Diese Entscheidung Joels war das Resultat einer langsamen, graduellen Charakterentwicklung, die wir alle über das gesamte Narrativ hinweg miterlebt haben, und die dazu noch extrem gut in das Gameplay integriert war.
>
>Last of Us2 hat in dieser Hinsicht komplett versagt. Ich bin mir im Klaren, dass es leichter ist, die Beziehung von Joel und Ellie in LoU1 im Kontext des eigentlichen Gameplays zu etablieren, als z.B. die Beziehung von Joel und Ellie oder Abby und Ellie in LoU2. Aber es hätte dennoch viele gute Möglichkeiten gegeben eben dies zu tun. Ich fand den Kontrast des Hauses von Ellie und Dina vor und nach Santa Barbara bedrückend. Ebenso war der nächtliche Dialog von Ellie und Dina vor ihrer Abreise nach Santa Barbara gut inszeniert. Man hätte den Umstand, dass aufgrund Ellies Rachsucht ihre Beziehung zu Dina langsam zerbricht, aber auch gut im Gameplay zeigen können. Der erste Tag Seattle mit Ellie und Dina war super. Die beiden haben Späße gemacht, geflirtet etc. Ein weiterer Begleiterlevel an einem späteren Zeitpunkt, in dem der Ton zunehmend rauer, zynischer geworden ist, weil Dina von Ellies Rachsucht irritiert ist, wäre ein guter Kontrast. Man könnte selbst einen inneren Dialog mit Joel, in dem Ellie ihre Beziehung zu Joel auslotet, sehr gut ins Gameplay integrieren. Der PTSD Flashback in der Scheune war großartig. Man hätte weitere Sequenzen wie diese sehr gut, gewissermaßen als Horrorelement, ins Spiel einbauen können. Auch hätte man diesen Flashback gut als Narrativ-Scheitelpunkt verwenden können - eben an dem Punkt, wo Ellie eben klar wird, wie viel Gewalt sie selbst verursacht. Die Szene wo Ellie Nora mit einem Stahlrohr bearbeitet wäre prädestiniert dafür. Oder besser noch, man könnte Joels Gesicht hin und wieder für ein paar Frames im Gameplay aufpoppen lassen wenn Ellie einen menschlichen Gegner im Nahkampf beseitigt. Dann hätte man auch sein Gewalt-Metanarrativ.
>
>Man könnte Abbys Charakterentwicklung ähnlich gut aufbauen und ins Gameplay integrieren. Wie bereits vorher gesagt, fand ich es interessant, dass Mel (und Owen) von Abbys Sadismus während der Joelsequenz teilweise irritiert bis traumatisiert war. Das hätte man gut in einer Begleiterszene ausleuchten können – vielleicht sogar als passiv aggressive Kommentare wenn Abby z.B. einen Infizierten tötet. Abbys Entscheidung nach den Fireflys zu suchen ist m.E. nicht sonderlich gut etabliert; sie macht es ja anscheinend vor allem, weil es Owen Ziel war, dieser jedoch getötet wurde. Man hätte Abbys Suche nach den Fireflys am Ende gut als character arc etablieren können: Abby realisiert, dass sie ihre Rache an Joel immer noch unbefriedigt zurücklässt, und deshalb setzt sich das Ziel bei Wideraufbau der Fireflys zu helfen – gewissermaßen als produktiverer Weg das Andenken an ihren Vater aufrecht zu erhalten.
>
>All dies sind nur spontane Idee, zeigen aber sehr gut wie viel ungenutztes narratives Potential in diesem Spiel lag.
Kann ich teilweise nachvollziehen. Die Tode von Abbys Freunden und insbesondere Owen hatten mir zu wenig Impact. Da wurde sie vorher eigentlich anders dargestellt. Plötzlich war Lev der mittelpunkt, den sie gerade 1 Tag vorher getroffen hat. Sollte halt eine ähnliche Entwicklung wie bei Joel und Ellie sein, war aber zu gehetzt.
Dennoch muss ich sagen dass das alles Jammern auf ganz hohem Niveau ist. Mir geht es nicht darum dass mich das Spiel jetzt moralisch auf Monate im Nachhinein beschäftigt, sondern dass mir die Spielzeit als intensiv und grandios in Erinnerung bleibt. Und das wird sie wohl definitiv.