Thema:
Unsortierte Punkte nach Durchspielen (SPOILERS!) flat
Autor: MOGli
Datum:23.06.20 10:40
Antwort auf:The Last of Us Part II #2 von Steppenwolf

Zur Präsentation kann ich nichts hinzufügen, was nicht längst gesagt wurde: beeindruckend und großartig. Grafik, Sound, Animationen, Technik. Alles auf höchstem Niveau, Materialien und Beleuchtung sehen teils photorealistisch aus. Auch Details wie Kabel- und Seilphysik sind stark. Hier und da Clipping.

Der Aufbau der Welt, Vegetation, Verfall der Gebäude - alles stimmig, außer vielleicht die ineinander verkeilten Baukräne hoch oben - dieser Abschnitt wirkte irgendwie surreal. Dafür sind die waldähnlichen Abschnitte stark.

Spielsystem (KI und deren Wahrnehmung, Pfadplanung etc) ist robust und funktioniert weitgehend. Ich selbst bin ein Schleich-Kretin und kann mir bei einigen Abschnitten schwer vorstellen, ungesehen durchzukommen. Hab mich zu Beginn schwergetan - die Abschnitte sind allerdings fast alle breit genug, um es in Hit&Run-Guerillataktik anzugehen. Selbst Szenarien, in denen einem die Gegner 10-1 und mehr überlegen sind.
Das bringt allerdings die Dissonanz zwischen Spielablauf und von den Erschaffenden propagierten Intention, Gewalt und deren Konsequenzen anders darzustellen und anzugehen. Ich konnte mir vorab auch nicht vorstellen, wie das funktionieren soll, und das Spiel schafft diesen Punkt in meinen Augen auch nicht. Letztlich hatte für mich jedes Gefecht den gleichen Ablauf: Erst scheint die Gegnermacht unüberwindbar, dann plant man wie bei einem Puzzle, setzt den Plan um, improvisiert, und mehr und mehr wird man kalt - am Ende guckt man kalt auf die einzusetzenden Ressourcen und "spielt" mit den verbliebenen Gegnern. Ich seh das als Scheitern, aber konnte mir auch keinen Quantensprung vorstellen - insofern ist das auch kein großer Negativpunkt.

Zur Geschichte - ich wünschte, ich hätte mir garnichts vorab angeschaut und keine Schlagzeilen gelesen, womit der Einschlag der Handlung sicher ganz anders gewesen wäre. Umso schöner fand ich, dass nach dem vermuteten Epilog noch ein Abschnitt folgte. Ich finde generell Postapocalypse-Szenarien interessant, und der Abschnitt bot (wenn auch kurz) eine vierte Fraktion, die an Caesar's Legion aus New Vegas erinnerte. Trifft genau meine Kerbe - fand ich super. Hier hätte ich mir etwas mehr Hintergrund zu allem gewünscht.
Jackson wird quasi als Paradis dargestellt  wer da weggeht, ist todgeweiht, alles etwas naiv dargstellt. Ja, es gibt etwas Gesellschaftskritik, aber hinter die Kulissen blickt man nicht großartig.
Die WLF ist eine Militärdiktatur. Deren Anführer Isaac wird länglich durch Dokumente in Hillcrest eingeführt (inkl der tragischen Geschichte von Boris), hat aber kaum Einschlag und ist irgendwie verschenkt. Sein Auftritt auf der Insel ist ziemlich skriptfaul hingebogen.
Auf die Seraphiten als religiöse Fanatiker hatte ich über das Spiel mehrere Sichten. Erst dachte ich, man treffe die Anführerin vielleicht. Ihr Status wurde mir nicht 100% klar, sie wird als Märtyrerin bezeichnet, vermutlich von der WLF ermordet? Oder propagandistisch? Für einen kurzen Augenblick dachte ich auch, es sei ein Kult, der mit "feel her love" eine Propezeihung meint, und Ellie quasi deren Messias ist/wird. Das hätte ich noch sehr interessant gefunden.
Und die Rattlers sind eine feudal organisierte, marodierende Gruppe von Jägern. Angedeutete Exploitation.
Alles gute Anlagen.

Die Geschichte selbst ist voller Dreiecke, aus denen Motivation gezogen werden soll.
Bei Abby-Owen-Mel fehlte mir etwas. Das Auseinanderdriften von Abby und Owen wird über ihren Fokus auf Rache motiviert. Die Beziehung zwischen Owen und Mel ist irgendwie kaum motiviert. Er würde sie auch ohne zu Zögern zurücklassen.
Bei Ellie-Dina-Jesse ist Dina sehr selbstbewusst - Darstellung fand ich super. Jesse wirkte zu gutherzig und selbstlos, und seine Frage, ob Dina das Kind behalten wolle, fand ich sehr überraschend, weil ich in dieser heilen Welt garnicht an sowas gedacht hätte. Ellies Unsicherheit im Verliebtsein fand ich auch gut dargestellt.
Bei Ellie-Joel-Tommy macht sich dann fest, ob eine wirkliche Charakterentwicklung stattfindet. Hier fand ich interessant, wie sich die Motivatorrolle verschiebt und letztlich zeigt, dass Eingebundensein sehr wichtig ist. Erst will Ellie Rache und Tommy hat die Familie, später ist es umgekehrt.

Abby ist ein interessanter Charakter geworden. Sie startet überaus herzlos, von Rache getrieben hat sie keine Dankbarkeit für ihre Retter. Aber sie ist schon dort reifer im Sinne der "flexible response" anstelle von "massive retaliation".
Ansonsten wirkt sie wie ein Tier - ich meine das nicht wertend, sondern als Resultat ihrer Erlebnisse. Dazu passte auch die Sexszene.
Bei Ellies Bogen finde ich die Darstellung von PTSD auf Western-Niveau. Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss. Nur ist es hier eine Frau. Der letzte Kampf kam dem, was das Spiel eigentlich sagen will, am nächsten. Statt Hass und Zorn spürt man hier wirkliches Mitleid, und Abby wirkt auch hier wie ein Tier - geschunden.

Mit Rückblenden ist das immer eine Sache. Wirken am besten, wenn sie die Perspektive ändern. Bei einer Geschichte, die von zwei Seiten für den Spieler motiviert werden soll, hätte ich mir folgenden Aufbau eher gewünscht:
Anker bleibt hat das schockierende Ereignis, das man aus Ellies Perspektive wahrnimmt. Dann macht sich Ellie auf die Suche nach den Tätern. Diese würden stärker einzeln gesucht und gefunden, wie das Spiel es ein wenig mit Nora macht. Aber halt mit jeder der Figuren, über einige der Täter erfährt man sehr wenig. Dann sammelt man als Ellie Informationen, die Ellie zu IHREM Bild zusammenfügt. Dann findet man die Person, spielt den Bosskampf halb. Und DANN kommt der Perspektivwechsel, über den man die ANDERE Seite der Figur kennenlernt, aus Abbys Sicht zum Beispiel. Und dann geht es zurück in den Bosskampf, und man würde sich vielleicht fragen, ob alles richtig ist, was man jetzt tut.
So, wie es im Spiel umgesetzt ist, hat man teilweise das Problem wie Django Unchained - auch dort erfährt man erst nach dem Ableben etlicher Charaktere per Rückblende, warum man sich überhaupt für sie hätte interessieren sollen. Einen teilweise gelungenen Schritt in die Richtung gibt es bei Manny, einem Typen, dessen Motivation völlig unklar ist - und eigentlich auch bleibt. Auch zu Beginn von Abbys Strang kommt er für mich sehr unsympathisch rüber, aber im Laufe der Zeit weicht das etwas auf, und sein Tod (wenn auch etwas vorhersehbar) passt.
Bei Owen und Mel, zwei überaus wichtigen Figuren, ist das leider garnicht so. ferner hat das Spiel sich wie bei Whitney, der Vita-Spielerin, rausgewunden. Ellie und der Spieler müssen nur reagieren.

Die Idee für den Bosskampf bei zwei spielbaren Charakteren fand ich gut.

Insgesamt fand ich das Spiel sehr stark und kann es nur empfehlen. Man sollte den ganzen Bullshit drumherum (sowohl von Marketing-, Review-, wie auch altright-Seite) aber ausklammern. Ein Erlebnis.


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