Thema:
The Last of Us - (SPOILER) flat
Autor: Yasai
Datum:25.05.20 17:24
Antwort auf:Durchgezockt Nr. 38 - Vorwärts immer! von Lynne

Hab vor drei Monaten das Spiel erstmals weiter als das Intro gespielt und mittlerweile dreimal abgeschlossen (easy->normal->survivor+). War nie reingekommen ins Spiel aber wegen Part II hab ich's nochmal versucht und siehe da, es hat geclickert =)

Hier meine Positives, Verbesserungswünsche und ein paar designabhängige Pingeligkeiten


Positives

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Das Artdesign ist beeindruckend und super aufwendig gestaltet, so dass einem mit jedem Durchgang mehr und mehr auffällt, wieviel Aufwand Naughty Dog da betrieben hat. So ziemlich jedes Apartment/Haus ist einzigartig in dem Design seiner Räume. Es beginnt schon eindrucksvoll im Teenie-Zimmer, sobald man das erste Mal die Kontrolle im Spiel übernimmt und zieht sich so ähnlich durch alle Kapitel des Abenteuers. Man läuft nicht nur durch austauschbare Zimmer und Büroräume sondern durch einen aufwendig gestalteten Freizeitraum, eine zu Wohnraum umgestaltete Wartungseinrichtung einer Kanalisation, einen Plattenladen mit unzähligen individuellen Plattencovern, ein Architekturbüro etc., sieht Arbeitsplätze wo Bücher zum späteren Weiterlesen "auf den Bauch" gelegt wurden und dort seit zwanzig Jahren liegen gelassen wurden, weil sie in der neuen Welt bis auf die wenigen Menschen, die so sind wie Ellie keinen Wert mehr besitzen. Die Liste lässt sich gefühlt endlos fortsetzen und auch wenn sich einige Assets wie immer wiederholt finden lassen (bestimmte Bücher in Regalen, Wandfotos in der Uni), so sind die Umgebungen für mich doch der Star des Spiels, insbesondere mit passenden, darin verstreuten Notizen, die einem einen Besseren Einblick erlauben, wer wo wie gelebt hat bzw. was sich zugetragen haben könnte. Die Kanalisation ist hier für mich der klare Winner.

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Die Charakterisierung der Protagonisten und Antagonisten in Verbindung mit der wirklich fabelhaften Leistung der englischen Sprecher und den immernoch guten Animationen der Mimik und Gestik in den Cutscenes habe ich so noch nicht erlebt. Einen Anteil daran, dass man so reingezogen wird, hat sicherlich auch das Fokussierte und der 'Drive' im Writing bzw. die konstante Anspannung und das "immer-weiter" der Narrative.

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Das Road-Movie-hafte mit den teils drastischen (Zeit- und Distanz-)Skips hin zum nächsten Schauplatz in und hauptsächlich zwischen den Kapiteln ist imo wichtig und erlaubt eine willkommene Abwechslung in den Lokalitäten. (Hier kann es aber zugegebenermaßen auch zu je nach Spieler vernachlässigbaren Logik-Problemen kommen. Erst brauchen sie ein Auto von Bill, später geht es auch so irgendwie)

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Das Gameplay bleibt einem im Encounter-Design in der Herangehensweise oft frei (zwischen Konfrontation, Stealth oder nem Mix), hin- und wieder wird man zu einer Spielweise gezwungen (i.d.R. Kampf). Die Abwechslung, die die Entwickler versucht haben, in die einzelnen Encounter zu bringen, obwohl nichts Grundlegendes an den Möglichkeiten, die dem Spieler zur Verfügung stehen bzw. an den Gegnertypen geändert wird, ist schon ziemlich clever. Für mich fühlte sich jede Situation neu an, was wohl hauptsächlich an der waffenbezogenen Ausstattung, Platzierung, dem Bewegungsverhalten, der Zusammensetzung und der Anzahl der Gegner sowie natürlich der Umgebung bzw. dem Level lag. Hinzu kommen in der Gegend verteilte Utensilien (Nahkampfwaffen, Ziegelsteine/Flaschen). Man merkt einfach, dass sich da Mühe gegeben wurde, die Dinge möglichst frisch zu halten.

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Verbesserungswunsch

Weltdesign vs narrative Plausibilität, d.h. bessere Abstimmung der Cut-Scene Narrative mit den tatsächlichen Begebenheiten der Umgebung im Level
An verschiedenen Stellen im Spiel wird Dringlichkeit für den Spieler erzeugt, indem plötzlich eine übermächtige Bedrohung erscheint und Joel und Ellie bleibt nichts übrig als zu rennen. Dies geschieht zumeist in Cutscenes:
(1) am Ende der Cutscene im Eingangsraum des Kapitols (wo Tess sich zu ihrem Last Stand entschließt) erscheint vor der Tür ein Armee-Humvee
(2) Nach der Flucht aus dem Kapitol herunter in die U-Bahn erscheint derselbe Humvee und schießt auf einen, während man die Stufen herunterrennt
(3) Später, in Pittsburgh, am Ende der 'Joel als Sniper'-Szene kommt der Humvee, der einen schon die ganze Zeit in Pittsburgh getrietzt hat von hinten rechts hinter den Häusern hervor. Das Problem ---> Der Zugang zu den jeweiligen Straßen ist in Boston wie in Pittsburgh jedes Mal noch Minuten zuvor komplett verbarrikadiert oder besteht aus einer massiven Mauer (iirc bei 3). Halt die Grenzen für den Spieler während seiner Interaktion mit dem Level noch kurz zuvor.
Ich fühle mich da als intelligenter Gamer nicht ernst genommen ;) Nee, im Ernst. Das schadet der Immersion und ich würde mir da elegantere Lösungen wünschen. Lösung ---> Im Prinzip würde es mir schon reichen, wenn man jeweils sehen würde, wie der Humvee durch/über das Hindernis kommt zu Beginn der Cutscene. Das Teil ist gepanzert, ja, aber einfach kein alles wegsprengender Panzer..
Ein weiteres Beispiel (4) ist wenn in der Kanalisation Ellie und Henry von Joel und Sam getrennt werden, weil Joel das Herabrauschen eines Sichertores zwischen den beiden Duos verursacht. In der Cutscene kommen mindestens 5(!) Clicker rechts aus einem noch Sekunden zuvor mit Metallgitter verschlossenen Kanal herausgeschossen. Ellie und Henry flüchten darauf nach links, wo sie nach drei Metern in einer Sackgasse stecken ([https://youtu.be/HvcLEWejtew?t=1057]). Der einzige Fluchtweg war zurück die Treppe hoch. Auf was für einem Weg sie später überhaupt mit Joel und Sam wieder zusammenkommen ist nochmal ne andere Geschichte.


Pingeligkeiten

Die Nagelbomben. Die Dinger funktionieren wie die Proximity Mines in Goldeneye 007. Man kann sie aber problemlos wieder aufheben. Reichlich dumm, aber ist am Ende ein Zugeständnis an die Spielbarkeit. Ich weiß nicht, ob ich lieber wie Aloy Stolperdrähte aufbauen würde - und dann gleichzeitig nicht in der Lage, sie an einen Ort zu werfen.

Der Kontext für die Collectibles. Das erste ist für mich ein gutes Beispiel: Man hat sich bei den lesbaren Worten der Trainingshandbücher (d.h. die findbaren Wirkungserweiterungsupgrades für die gecrafteten Items) tollerweise die Mühe gemacht, sie in einer Weise zu verfassen, die im erweiterten Sinn als nachvollziehbare Erklärungen durchgehen, warum Joel (und später Ellie) denn nun z.B. Molotovs basteln können, die nen größeren Brennkreis verursachen.  
Ein neutrales Beispiel sind für mich die Comics. Das mag eine persönliche Sache sein, aber ich habe nie die Lust verspürt, die (Klappentexte) zu lesen, weil ich das, was ich dann ausserhalb meiner Spielzeit dazu gehört habe, schon befürchtete: Angeblich soll der Inhalt der Comics auf gewisse Weise als Spiegel zu selbst erlebten Story-Beats fungieren. Also sind das effektiv allwissende Comics, die in korrekter Reihenfolge auf dem Road-Trip verteilt an den unsinnigsten Stellen (ohne Dach im Freien z.B.) auf den Spieler warten. Ich find es ja gut, dass Ellie mit den Comics und dem, was sie darin liest eine weitere Charakterzeichnung erfährt und das Gelesene in Cutscenes wie Gameplay zur Sprache bringt aber als Sammelobjekt mit dieser Umsetzung halte ich davon wenig.
Ein eher schlechtes Beispiel sind für mich die Firefly-Pendants. Ich kann mir vorstellen, dass man sich dachte, dass die ja quasi als roter Faden der Reise der beiden Protagonisten herhalten könnten, da man so evtl. immer wieder daran erinnert wird, dass man ja auf der Suche nach den Fireflies ist. Und immer wieder findet man Tote Fireflies, was deren Niedergang unterstreicht mit Ellie als absolut letzter Hoffung. An sich ist das ein gutes Stilmittel. Nur als Collectible, bzw. etwas das man extra aufhebt und sich betrachten kann (um Namen zu lesen, die wohl nirgend sonst im Spiel weitere Erwähnung finden - Entwicklernamen vielleicht?), funktioneren sie für mich überhaupt nicht. Da wäre es mir lieber gewesen, wenn man sich bezüglich der sichtbaren Zugehörigkeit der Firefly-Toten auf die Armbinden verlassen hätte und statt der Pendants Notizen, Tagebücher o.ä. in der Nähe platziert, die einem zusätzlichen Kontext geben können.

Ach ja, warum tragen die Fireflies Armbinden? Man kann es dem Militär auch extra einfach machen, den Feind zu identifizieren :D

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Levelgröße kann von mir aus so bleiben. Selbst die Schwimmpaletten würde ich durchwinken (denke aber die sind Geschichte). Mülltonnen? Naja, whatever.

Ein letzter Wunsch noch: Nehmt wie im ersten Teil hin und wieder das Tempo raus und lasst mich die Szenerie einsaugen.



TLDR

Grandioses Game und ein Spiel, dass mich durch Umgebungen, Gameplay und Cutscene/Acting-Glory wohl immer wieder zurückrufen wird. Da gibt es einfach immer wieder was Neues zu entdecken. Auch ein Grund, warum ich mittlerweile gehörig spitz auf den zweiten Teil bin und ausnahmsweise nochmal was Vollpreis kaufe dieses Jahr (read: Backlog-Jahr)


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