Thema:
Octopath Traveler flat
Autor: token
Datum:23.05.20 11:42
Antwort auf:„Ich zocke gerade“ Thread No. 27 von Gunpriest

Und die nächste Spitzenentdeckung im Pile.
Ich hatte das Spiel schon zu Release gekauft, da mir die Demo gut gefiel, aber das Spiel wurde dann von meiner Tochter okkupiert und als sie damit durch war, war ich schon mit anderen Games beschäftigt und dann hat es sich irgendwie im Stapel zerlaufen.

Bin gerade unterwegs und hab dem Titel wieder einen frischen Anlauf gegönnt. Zu Beginn fand ich es wieder nett, aber nun nach 6 Stunden bin ich auch richtig drin und schwer angetan.

Das Grundgerüst des Spiels basiert darauf dass es acht Helden gibt. Zu Beginn wählt man eine beliebige Figur aus und spielt deren Introgeschichte die das Storymotiv der Figur auf den Weg bringt. Im Anschluss geht man auf die Reise und kann Siedlungen aus dem Umfeld ansteuern. In diesen Siedlungen findet man einen anderen der acht Helden, nimmt den in die Party auf, und kann nun auch dessen Introgeschichte spielen, ist dort in den Gameplaysequenzen aber schon als Party und nicht mehr Solo unterwegs.
So stockt man nach und nach die Party auf.

Die Helden haben also einen eigenen Hintergrund und mit ihnen hat man dann auch Zugang zu deren Storyline. In der Party kann man vier Helden gleichzeitig im aktiven Trupp haben und diesen Trupp in Gasthäusern von Siedlungen wechseln. Die Geschichte erweist sich als weitestgehend kompakt und griffig. Ganz zum Start gibt es beim Intro etwas mehr Gelaber, aber total im Rahmen. Die Motive sind bisher einfach gestrickt, Pflichtgefühl, Abenteuerlust, Gier oder Rache etc.
Aber passt soweit alles, die Erzählungen sind alle ausreichend interessant und reichen von Zweckvehikel nach erzählerischem Baukasten bis zu echt interessant und ganz spannend.

Unterschiedliche Helden haben unterschiedliche Wegfähigkeiten. Wegfähigkeiten sind Skills die man auf der Oberwelt bei der Interaktion mit NPCs hat, ein Dieb kann etwa NPCs beklauen. Im Kampf führen sie unterschiedliche Waffen und haben unterschiedliche Spezialfähigkeiten die APs kosten.
Das rundenbasierte Kampfsystem gefiel mir schon zu Beginn ganz gut, aber sobald auch mehr in der Party verfügbar ist wird es imo richtig stark. Es ist im Grunde von der Taktik ganz simpel aufgebaut. Gegner haben einen Schild der jeweils mit einer Zahl versehen ist. Zudem haben Gegner auf bestimmte Angriffstypen Schwächen. Diese Schwächen werden am Gegner auch eingeblendet. Allerdings muss man diese Schwächen durch Angriffe mit unterschiedlichen Fähigkeiten oder Waffen erstmal rausfinden, trifft man auf einen neuen Gegner stehen bei seinen Schwächen Fragezeichen. Und einer der Schlüssel im Kampfsystem ist, dass Angriffe auf die der Gegner mit Schwächen reagiert, seinen eingangs erwähnten Schildwert runterfahren. Und ist ein Schild auf Null angelangt, geht der Gegner in einen Schockzustand bei dem er eine Runde lang keine Aktion ausführen kann und nun für Angriffe jeder Art entblößt ist.

Ein weiteres Schlüsselelement sind Boostpunkte. Jeder Charakter in der Party hat einen Speicher von bis zu 5 Boostpunkten, in jeder Runde in der man eine normale Aktion ausführt, wird ein zusätzlicher Boostpunkt aufgebaut. Ist ein Charakter am Zug kann man auch seine aufgebauten Boostpunkte einsetzen, die Boostpunkte die man gesammelt hat, kann man in einer Aktion auch stapeln. Aber, nach einer Aktion bei der ein Char den Boost nutzt führt das dazu dass in der Folgerunde des Chars kein Boostpunkt aufgebaut, der setzt für eine Runde aus.

Nehmen wir nun mal an ein Gegner ist mit auf Dolchangriffe schwach und hat einen Schildwert von 3. Ist jetzt ein Char mit Dolch ausgerüstet und hat zwei Boostpunkte, kann ich diese nun einsetzen und auf den normalen Dolchangriff stapeln, jetzt sticht er mit dem Dolch drei mal zu und schickt den Gegner innerhalb einer einzigen Aktion in den Schock so dass er eine Runde ausfällt und nun anfällig ist für alle Angriffe, so dass ihm der Rest der Party saures gibt. Man kann Schildwerte aber auch sukzessive senken. Ist der Gegner etwa auch anfällig für Schwert und Speer, und ich hab in der Party auch Kämpfer die so ausgerüstet sind, kann Char 1 mit Dolch angreifen, und der Schildwert des Gegners senkt sich auf 2. Der nächste greift mit Schwert an und der Wert senkt sich auf 1. Und dann der Speer und nun geht der Gegner in den Schock. Da alle Charaktere normale Angriffe eingesetzt haben, haben sie jeweils einen zusätzlichen Boostpunkt erhalten, und in der nächsten Runde wo der Gegner im Schock ist können nun alle ihre angesparten Boostpunkte verfeuern um dem generften Gegner richtig saures zu geben.

Das so als Grundprinzip. Ich weiß nicht ob das verschriftlicht gut rüberkommt, aber die Quintessenz ist, das System dahinter ist wirklich recht einfach aufgebaut und schnell verstanden, wobei man den Spaßfaktor daran erst richtig begreift sobald sich die Party füllt. Im Grunde taktiert man mit seinen Boostpunkten und wer wen angreift um möglichst alle Gegner in einen Schockzustand zu kriegen und ihnen in diesem möglichst mit Boostattacken richtig auf die Fresse zu geben. Das tolle ist, selbst bei Gegnern denen man überlegen ist, hält das System beschäftigt da man immer kurz schaut, wer muss wen angreifen um alle in den Schock zu kriegen. Und bei schwereren Kämpfen tun sich auch Feinheiten auf, etwa wie man die Rollen ausspielt und wann man Boostpunkte spart und sich verteidigt, und wann man in die Gegner geht und wie.

Das ist wirklich ein rundenbasiertes KS in JRPGs wie ich es liebe, es hält beschäftigt ohne anzustrengen, ist also eine stressfreie Taktierei der einfachen Natur die aber dennoch befriedigt, etwa wenn man in Runde 1 alle Gegner in den Schock schickt um dann in der nächsten einen Wipeout zu starten, und in Bossfights tun sich dann auch Feinheiten auf, wo man mal kurz nachdenkt. Und wenn man dazu keine Lust hat, geht immer noch Grind wo man auf den Kampfgebieten zwei Runden mehr dreht als nötig um zusätzliche Random Encounters zu zünden.

Ich mag das Spiel gerade echt sehr. Es versteht wirklich sehr gut wie man die heute noch funktionierenden Stärken klassischer JRPGs gelungen inszeniert und sie soweit modernisiert dass sie auch aus heutiger Sicht interessant bleiben, ohne das Gerüst hierbei zu überfrachten. Es hält sich auf allen Ebenen kompakt und bleibt so übersichtlich und griffig, hat aber in all diesen Facetten genug an spannenden oder interessanten Aufgeboten um in diesen zu unterhalten ohne zu nerven. Es ist einfach insgesamt sehr versiert in dieser Balance aus Retroliebe die den Charme von damals versteht, und diesen Charme zu modernisieren ohne ihn zu untergraben. Dazu zählt dann auch die visuelle Umsetzung die einerseits die Spriteoptik konserviert, diese aber mit paar modernen Kniffen wie dem Miniaturlook durch Unschärfen und Lichteffekte und zu den Bitmaps passenden 3D-Umgebungen alles gekonnt unter einen Hut bringt so dass es einerseits total Retro ist, aber alles andere als altbacken wirkt. Und dieses Vermögen zieht sich durch alle Ebenen des Spiels.

Es macht einfach Spaß, Spaß sich auszurüsten, Spaß neue Fertigkeiten zu entwickeln und Entscheidungen zu treffen, Spaß einzukaufen, Spaß die Siedlungen mit den Wegfähigkeiten der Charaktere auszuwringen, Spaß den einfachen Geschichten der Party zu folgen und die Welt weiter zu erkunden und noch mehr Mitstreiter einzusammeln und dann auch ihre Plots voran zu treiben.

Tl;dr:
Ein Spiel das alles richtig macht was FF7R falsch gemacht hat.
Also so ziemlich alles.


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