Thema:
Re:Ich bin mir immer noch nicht sicher... flat
Autor: JPS
Datum:18.05.20 11:34
Antwort auf:Ich bin mir immer noch nicht sicher... von howami

>Es hört sich nett an aber es ist und bleibt ja Emulation von Hardware. Software Emulation fühlt sich gegenüber dem original so falsch an. Ist es da wirklich gefühlt echter am Original?

Ich würde das Erlebnis auf FGPA-basierten Lösungen am ehesten mit einer neuen Hardware-Revision des Herstellers vergleichen, wie es sie immer gab und auch bei aktuellen Systemen noch immer gibt.

Denn wie bei einer Hardware-Revision, die abweichende Chips und Schaltkreise verwendet, ist der Nachbau in FPGA zwangsläufig nicht 100%ig identisch, da bestimmte Aspekte auf Grund von FPGA-Besonderheiten und notwendigen Abweichungen (z.B. RAM-Anbindung) anders gelöst werden müssen, selbst wenn man die wesentlichen Chips wie die CPU oder Sound-Prozessoren durch entsprechende Daten 100%ig genau nachgebildet bekommt.

Im Idealfall (hängt von der Qualität des Cores ab) merkt man gar keinen Unterschied zur ursprünglichen Hardware-Revision und hat 100%ige Kompatibilität und 100%ig das gleiche Spielgefühl, Bild und Ton.

Aber auch bei Revisionen vom Hersteller gab es immer mal wieder leichte Abweichungen, z.B. einen etwas anders klingenden Sound, einzelne Spiele die nicht funktioniert haben oder ein paar kleinere Sound- und Bildfehler hatten, etc.

Und solche kleinen Abweichungen und Inkompatibilitäten gibt es mit FPGA auch, so lange der jeweilige Core nicht 100%ig perfekt ist. Bei vielen MiSTer-Cores ist man hier aber schon sehr weit, so dass man bei den gängigsten und schon etwas länger abgedeckten Systemen von einem weit über 99% identischem Ergebnis ausgehen kann und sich auffällige Abweichungen - wenn überhaupt - nur auf einige wenige (oft exotische) Titel beschränken.

Im Gegenteil sind z.B. die Unterschiede zwischen MD1 und MD2 beim Sound deutlich auffälliger als alle Abweichungen die mir bei MiSTer bisher begegnet sind. Im MiSTer Genesis Core kannst Du sogar wählen, ob Dein Sound wie ein MD1 oder wie ein MD2 klingen soll.

Große Vorteile gegenüber Softwareemulation hat man beim Input-Lag, da man dort mit kabelgebunden USB-Controllern und aktiviertem Fast-Polling im Prinzip nur noch den Input-Lag des Monitors oder Fernsehers hat.

Bei einem guten Gaming-Monitor liegt der bei unter einem Frame, während man z.B. bei den Psikyo-Shmups auf der Switch ca. 7 Frames Input-Lag gemessen hat und selbst die PC-Versionen unter optimalen Voraussetzungen (W7, kein V-Sync) noch auf ca. 4 Frames Input-Lag kamen. Wenn man bei Software-Emulation auf 2-3 Frames kommt, ist das schon ein sehr guter Wert, den man lobend herausstellen muss.

Da FPGA aber wie echte Hardware alles parallel verarbeiten kann gibt es auch bezüglich der Genauigkeit der Abläufe untereinander deutliche Vorteile. Das kann man prinzipbedingt so perfekt bei Software-Emulation nicht auf einem der Mini-Systeme hinbekommen, sondern braucht dafür einen High-End PC und darauf optimierte Emulatoren.

Auch diese Abweichungen kann man wie den Input-Lag durchaus unbewußt spüren ohne dass man immer "mit bloßem Auge" direkt mit dem Finger darauf zeigen könnte - wobei es leider auch Fälle von kommerziell angebotenen Neuveröffentlichungen auf Basis von Software-Emulation gibt, bei denen man die Mängel ohne technische Hilfsmittel feststellen kann - darunter auch einige der Mini-Systeme.

Input-Lag und diese Ungenauigkeiten sind genau die Probleme, weshalb sich für Dich Softwareemulation immer falsch angefühlt hat, obwohl Du es ohne technische Hilfsmittel oder Direktvergleiche nicht genau auf einen bestimmten Aspekt zurückführen hättest können und die es bei einem sauber entwickelten FPGA-Core eben nicht mehr gibt.

Wenn Du Dir einen MiSTer holst, bekommst Du inzwischen den kompletten 8/16-Bit Konsolenbereich inkl. beliebter Handhelds, Mega CD, PCE CD und NeoGeo in sehr guter Qualität abgedeckt. Dazu noch diverse Heimcomputer wie C64, ST und Amiga.

Auch im Arcade-Bereich tut sich einiges, so dass man wohl in absehbarer Zeit fast alles bis zum Wechsel zur ersten 3D-Generation spielen kann, was es in den Bereichen Konsolen, Heimcomputer und Arcade gab. Wobei auch schon erste Ansätze für PSX und Saturn vorhanden sind, die dann aber evtl. stärkere FPGA-Lösungen erfordern.

Die zweite 3D-Generation wäre IMO aus heutiger Sicht deutlich spannender - davon sind wir aber bzgl. FPGA leider noch weit entfernt. Dafür tut sich bei diesen Systemen einiges in Richtung ODE und HDMI-Umbauten, die externe Scaler und Kabelverhau überflüssig machen - für Dreamcast und Gamecube sind bereits gute ODE und HDMI-Lösungen vorhanden und für Wii und XBOX sind HDMI-Lösungen inkl. Skalierung auf 1080p in Entwicklung.

So kommen wir einer optimalen und halbwegs lückenlosen Erhaltung aller Retro-Games aus der SD-Zeit in aktuellen HD-Umgebungen immer näher.


< antworten >