Thema:
Re:Grundlegende Beobachtung: flat
Autor: JPS
Datum:23.11.19 15:52
Antwort auf:Re:Grundlegende Beobachtung: von dixip

>Sinnlose Nebenbeschäftigungen finde ich in BotW aber auch reihenweise, da muss man halt auch richtig Bock haben, die Welt zu entdecken aus eigenem Antrieb und eigener Neugierde.

Der wichtige Unterschied ist hier, dass man diese extremeren Sammelaufgaben / sinnlosen Nebenbeschäftigungen hier von Anfang an in beliebiger Reihenfolge erledigen und somit selbst recht gut steuern kann wann man wie lange darauf Lust hat. Man kann sowas also nach eigenem Empfinden einstreuen um für Abwechslung zu sorgen und dann irgendwann überlegen, ob man auf 100% gehen will. So macht das eigentlich jedes andere Open World Spiel.

Bei RDR2 muss man diese Sammelaufgaben hingegen aus unbekannten Designgründen in der vorgegebenen Reihenfolge abarbeiten. Und wenn ich beim Herumexperimentieren oder Herumschlendern schon einen größeren Teil der Aufgabe nebenbei erledigt habe, nur damit diese dann plötzlich auf Null steht, nachdem sie vom Spiel als Aufgabe vorgegeben wird, ist das ein kompletter Downer. Wer sich das ausgedacht hat, sollte nie wieder solche Entscheidungen treffen dürfen, da er überhaupt nicht verstanden hat, wie Motivation in Videospielen funktioniert.

>Ich stimme Dir grds. zu. Was Du aber imo etwas zu wenig hervorhebst, ist die lebendige und glaubwürdige Welt von RDR2.
>Eine Spielwelt authentisch und real darzustellen ist ja eine große Herausforderung, die auch gar nicht jedes Spiel angehen WILL.


Sehe ich auch so - das ist generell die größte Stärke von Rockstar und es gibt sicherlich einen Spielertyp, der darin voll aufgehen kann und der genau diese möglichst umfangreiche und realistische Simulation einer Spielwelt sucht. Merkwürdig finde ich nur, dass offenbar 90% der Review-Autoren zu diesem Spielertyp gehören müssen, wenn am Ende ein 95% MC-Durchschnitt rauskommt.

Ich kann das auch durchaus anerkennen und in gewissem Umfang macht es mir auch tatsächlich Spaß diese Feinheiten zu entdecken, aber mir fehlt dann irgendwann immer die eigentliche Aufgabe und die damit verbundene Progression von Spielelementen und eigenen Fähigkeiten, so dass ich dann wesentlich schneller als in vielen anderen Open World Spielen satt bin. Je nach Qualität und Umfang der Spielwelt würde ich mal 20-40 Stunden als Maximum ansetzen, bis mir weitere Anreize fehlen.

Und da tragen mich die Spielelemente in AC:OD, Far Cry 3/4, BOTW oder Death Stranding einfach deutlich weiter. Bei solchen Spielen komme ich locker auf das doppelte an unterhaltsamer Spielzeit, teilweise auch auf das 3-4fache.

Besonders spannend finde ich den Vergleich von RDR2 mit Death Stranding, weil beide recht stark auf eine aufwendig produzierte Story setzen und daher beide grundsätzlich gute Voraussetzungen haben, um auch Spielertypen abzuholen, die nicht so viel mit dem Open World Bereich anfangen können.

Trotz dieser oberflächlich betrachtet ähnlichen Herangehensweise fühlen sich die Spiele aber extrem unterschiedlich an.

Death Stranding verzichtet (weitgehend) darauf, dem Spieler lineare Actions-Sequenzen aufzudrücken, sondern arbeitet stattdessen mit Zwischensequenzen. Dadurch entsteht nach meinem Eindruck ein deutlich weniger stark ausgeprägter Bruch zwischen Story und Open World Gameplay, obwohl das Story-Element in Death Stranding eigentlich sogar noch weniger Gameplay bietet als die Story-Missionen in RDR2.

Viel wichtiger aber ist, dass Death Stranding in seiner Open World so viele motivierende Elemente auffährt und bei der Progression von Fähigkeiten und Spielelementen nicht nur glänzt, sondern IMO sogar eine neue Referenz darstellt - es setzt seinen Schwerpunkt also genau in dem Bereich, in dem RDR2 starke Schwächen aufweist.

So befinden sich diese Spiele trotz der oberflächlichen Ähnlichkeit vom Spielgefühl fast am gegensätzlichen Ende des Open World Spektrums und weil das seichte Action-Gameplay in den Story-Abschnitten fehlt, stößt das Spiel den Spielertyp, der eigentlich nur wegen Story oder Hype zugeschlagen hat, kräftig vor den Kopf. Der muss sich nun nämlich für 7 Stunden Zwischensequenzen 35-40 Stunden durch ein Gameplay quälen, das ihm überhaupt nicht liegt. Daher kommen dann IMO die Aussagen wie "anstrengend" oder "Arbeit", die ich für mich nicht nachvollziehen kann.


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