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So, habe jetzt den ersten Tag im Spiel hinter mich gebracht und LIEBE es von ganzem Herzen!
Es ist wirklich unglaublich, wie gut diese Mischung aus Point'n Click und RPG funktioniert. Dabei sind beide Aspekte durchaus gleich hochwertig. Die Story um einen Cop mit Amnesie ist nun natürlich nicht die innovativste, aber wie das Ganze erzählt wird ist schon allererste Sahne. Dabei sind fast alle Dialoge tiefschürfend und regen zum Nach- und Überdenken von eigenen Einstellungen zum Leben und zu anderen Personen an. Ich fühle mich durch dieses Spiel emotional und intellektuell absolut abgeholt. Das ist einfach der pure Irrsinn, wie viel Hirnschmalz in die Verzahnungen aller Bestandteile des Spiels geflossen sein muss. Ich kann mir derzeit ernsthaft vorstellen, dieses Spiel sowohl mit allen drei voreingestellten Charakterwerten als auch mit einem komplett frei zusammengestellten Charakter nochmal anzugehen. Schon jetzt kann ich mich an mindestens 10 bis 15 Situationen erinnern, wo ich gedacht habe: "Das mache ich nächstes Mal anders.", oder "Nein, warum habe ich mich nicht für die andere Startkonfiguration entschieden?".
Es ist dabei höchst erstaunlich, dass bereits zu Beginn ein gefühlt riesiges Areal zu erkunden ist und alles ist, auch wenn man nicht direkt zu einer Lösung eines Teilrätsels gelangt, doch zielführend und befriedigend. Man kann das schlecht in Worte fassen, weil man dann Gefahr liefe, Dinge zu spoilen. Nur soviel: Immer wenn man ein Stückchen weiter kommt, wird eine To-Do-Liste entweder um einen neuen Punkt ergänzt oder aber ein bestehendes Ziel aktualisiert. Ich habe am ersten Tag 16 Dinge von meiner Liste erledigt und habe, obwohl gerade erst aufgestanden noch 16 Unerledigte auf der Agenda. Überhaupt gelingt es dem Spiel recht überzeugend, mich nicht zu sehr an die Hand zu nehmen, aber doch sinnvoll und dezent darauf hinzuweisen, was man so alles noch zu tun hat.
Die Dialoge sind der absolute Star des Spiels. Dabei sind die Gespräche mit dem Sidekick und allen anderen Charakteren gar nicht mal das Beste, obwohl die schon verdammt gut sind und allen Figuren teils extreme Tiefe verleihen. Nein, das Beste sind die Gespräche mit sich selbst. Man unterhält sich quasi immer wieder (auch in Gesprächen mit anderen Personen) mit seinen eigenen Charaktereigenschaften. Diese sind quasi eine virtuelle Party, mit der man sich unterhält, aber auch gleichzeitig mit Skill Points versehen kann, also auflevelbare Werte haben. Ein Beispiel: Ich habe mich zu Beginn für den intellektuellen Charakter entschieden. Dieser ist sehr stark im Intellekt und auch passabel in seinen motorischen Fertigkeiten, hat aber eher eine schwache Physis und psychologische Fertigkeiten, die kaum existent sind. Diese vier Oberkategorien haben dann jeweils sechs Unterfertigkeiten, die auch wieder unterschiedlich gut ausgeprägt sind. Betrachte ich beispielsweise einen Tatort helfen mir die Selbstgespräche mit meiner Logik oder meiner visuellen Wahrnehmung eventuell dabei, einen Tathergang korrekt zu ermitteln, während meine schwachen Werte in Empathie und Suggestion Zeugenbefragungen zusätzlich erschweren. Das ist grenzgenial umgesetzt und ich bin jetzt schon gespannt, ob das bei einem erneuten Playthrough wirklich so funktioniert, wie ich glaube dass es das tun wird!
Erfahrung sammelt man grundsätzlich über Konversationen und das Erledigen von Dingen auf der To-Do-List (meist auch Gespräche). Hat man 100 Punkte gesammelt, kann man diese in die Aufwertung einer Fertigkeit stecken, sofern diese nicht durch die Schwäche der Oberkategorie einen Levelcap hat. Levelcaps kann man aber durch manifestierte Gedanken (dazu gleich noch ein bisschen mehr) oder aber durch die Einnahme von Drogen (als hätten wir das nicht gewusst) aushebeln. Auch die im Spiel gefundene Kleidung ist echtes RPG-Gear, d.h. man kann seine Fertigkeiten dadurch ändern, dass man sich einfach komplett umzieht. Das ist zwar total skurril, aber auch geil, weil man hierdurch das totale Incentive für einen regelmäßigen Style-Wechsel bekommt. "Was? Ich muss einen Skill-Check für Logik durchführen, aber die Erfolgsahrscheinlichkeit liegt nur bei 42%? Na gut, dann ziehe ich eben mein weißes Oberhemd an, das gibt mir +1 auf Logik. Jetzt liegt die Wahrscheinlichkeit bei 72%. Sehr gut! Nochmal zu den manifestierten Gedanken: Manchmal ergibt es sich in den Gesprächen, dass man aufgrund eines hohen Skill-Werts in einer Fertigkeit die Gelegenheit bekommt, einen Gedanken aufzunehmen. Diese Gedanken können dann "ausgerüstet" werden und haben eine bestimmte Laufzeit, bis sie sich zu einem manifestierten Gedanken machen. Der Clou: Während ich den Gedanken ausarbeite, verschlechtert das in der Regel eine Fertigkeit. Wenn der Gedanke aber manifestiert ist, erhalte ich einen dauerhaften Bonus durch ihn. Man kann leider nicht unendlich viele Gedanken manifestieren und man weiß auch vorher nicht, was der manifestierte Gedanke für einen Perk mit sich bringt. Durch den Einsatz eines Skill-Punktes kann man aber weiteren Platz für neue Gedanken schaffen oder aber einen bereits Manifestierten wieder aus dem Slot lösen. Das Character-Building ist jedenfalls grandios und es macht viel Spaß mit all diesen Möglichkeiten rumzutüfteln.
Zur Story kann ich wahrscheinlich noch nicht allzu viel sagen, aber es ist irgendwie alles Post-Apokalypse-Film-Noir-Paralleluniversum-mäßig. Trotzdem ist die Story nicht abgehoben, sondern eher sehr geerdet mit nachvollziehbaren Gesellschaftsstrukturen und Personen mit realistischen Agendas.
Von der Möglichkeit, seinem Charakter auch eine ideologische Überzeugung zu verpassen habe ich noch nicht Gebrauch gemacht, aber vom Individualisten, Kommunisten, Kapitalisten bis zum Faschisten ist hier alles möglich.
Also, das Spiel hat mich sowas von bei den Eiern, das hätte ich nicht im Traum zu denken gewagt. Und dabei kam das für mich quasi aus dem Nichts! Klar, man muss sicherlich viel (englisch) lesen und nicht Schleuder sein, um das alles wertschätzen zu können, aber RPG- und Adventure-affine Spieler sollten dem Spiel auf jeden Fall mal eine Chance geben. So, ich muss jetzt weiterspielen. Habe endlich die Plastiktüte gefunden, um Flaschen sammeln zu können. Irgendwie muss ich die Kohle für meine nächste Übernachtung im Hotel zusammenklauben - und dann ist da ja auch noch der Fall mit dem Gehängten!