Thema:
Dragon Quest XI [Switch] flat
Autor: token
Datum:22.10.19 07:49
Antwort auf:Durchgezockt Nr. 37 - 0/10 oder GOTY? von wantan

Da hab ich wieder ein klassisches JRPG durchgezockt. Klammert man mal Persona 4 Golden aus, was ich durchaus täte, da dieses auch wenn es JRPG ist irgendwie aus der Reihe springt, stand wenn mir meine Erinnerung keinen Streich spielt das letzte mal wo ich eine solche Aussage tätigen konnte eine Dreamcast unter einem Röhren-TV.

Das hat Gründe. Irgendwie ging mir diese Mischung die ich einst am Genre mochte ein Stück weit verloren, gepaart mit diversen Modernisierungen nach denen ich selbst nie gefragt hätte. Speziell bei Kampfsystemen. Jetzt mag jemand der sich mit den Evolutionen des Genres wunderbar arrangieren konnte ein DQXI als unglaublich antiquiert und viel zu simpel empfinden. Für mich war es gerade dieser Aspekt der mich bis zum Abspann bei Laune hielt.

DQXI ist wenn ich schaue was der Titel macht im Grunde eine Art Kinderspiel. Die Geschichte die erzählt wird ist eigentlich ein Mashup an bekannten Märchengeschichten. Diverse Anleihen bei Grimm oder 1001 Nacht werden durch den Mixer gejagt. Du bist der unverhoffte Held auf dessen schlacksigen Schultern das Schicksal der Welt ruht. Bzw. musst du zu diesem reifen. Und auf der anderen Seite ist das ultimative Böse das es aufzuhalten gilt. Und das natürlich nicht im Alleingang, so dass auf dieser Heldenreise diverse Mitstreiter zu deiner Gruppe stoßen, die allesamt selbst ihre kleinen backstories und Motive einbringen.
Und mit diesen erlebt man in sich abgeschlossene Kapitel die einen stets einen kleinen Schritt näher ans Ziel bringen.

Auch die ganze Aufmachung bleibt kindgerecht. Bei den Monsterdesigns wird man zum Mädchen und wünscht sich diese als Kuscheltiere für‘s Bettchen. Hier ist auch recht viel Humor am Start so dass die Stimmung des Spiels auch beim Haudruff oder punktueller Dramatik immer leichtfüßig bleibt. Und spielerisch? Ajo, ein ziemlich klarer roter Faden mit viel Guiding und klaren Zielen. Dazu gibt es bei jedem Spielstart einen Recap und einen Anriss des nächsten Ziels. Sidequests die allesamt nicht groß über fetche dies oder erledige das hinausgehen, dafür aber auch nicht inflationär die Welt zuspammen sondern sehr zurückhaltend dosiert werden und auch grundlegend ignoriert werden können.
Und auch das rundenbasierte Kampfsystem ist einfach gehalten. Andere Angreifen, sich heilen, wenn was schief geht Revive, sich buffen oder Gegner auch mal nerfen ist da schon das höchste der Gefühle.
Und auch die Welt bleibt immer grundlegend überschaubar und schön kompakt.

Der Progamer dürfte hier aus dem Gähnen nicht mehr herauskommen, Freunde alter Schule hingegen dürften aufatmen und Übersichtlichkeit und Zugänglichkeit begrüßen. Dabei ist so eine Simplizität natürlich kein Selbstläufer sondern balanciert natürlich an der Grenze zur Belanglosigkeit und Langeweile. Dass DQXI nicht in diese Grube fällt liegt vor allem daran wie charmant und stilsicher diese klassische Formel abgespult wird. Und auch daran dass man sich hinsichtlich Modernisierung und QoL auch nicht komplett verschließt. Das Spiel nervt nicht damit dass es seine einfachen Mechaniken bodenlos fragmentiert um Tiefe vorzutäuschen wo keine ist und das ganze in Nervmanier zu strecken. Etwas das in japanischen Games dieser Art recht häufig passiert. Es lässt dich nicht herumirren um Spielzeit zu strecken. Und es hat auch andere Komfortfunktionen. Keine Randomencounters, man läuft in die Gegner rein um zu Grinden, oder man umkurvt Gegner wenn man darauf gerade keine Lust hat. Man darf in einem Minigame auch Ausrüstung schmieden, und wenn da mal Materialen fehlen kann man diese auch kaufen. Aus dem gleichen Menü heraus. Einfach so. Und die rundenbasierten Kämpfe kann man in den Einstellungen auch beträchtlich beschleunigen. Hinzu kommt, auch wenn die Kampfmechaniken recht einfach ausfallen, schafft es das Spiel schon gut allen Kämpfern Eigenheiten mitzugeben die diesen für eine Aufstellung interessant machen, wobei auch gilt, die beste Truppe für Oberweltgruppen ist nicht auch die beste Gruppe für dicke Bosse. All das gehört für mich im Gesamtbild zu den Aspekten die erklären warum so ein vermeintlich aus der Zeit gefallenes Spiel auch im Jahre 2019 funktioniert.

Gibt es bei allem Lob auch Kritik?
Ja, leider. Erstmal denke ich, da musst du halt als alter Rüpel schon mal generell drauf Bock haben. Das Spiel ist nicht gerade gamey und recht hart an der Grenze zu einem interaktiven Buch. Die einen sagen dazu Feierabendspiel, andere nennen Walking Simulator. Die ganze Aufmachung und märchenhafte Erzählung muss schon zünden. Spielerisch und inhaltlich reißt das keine Bäume aus. Es hat einen speziellen Charme auf den man auch Bock haben muss. Nicht zuletzt ist eben diese Stärke dass man diesen Titel auch einem Grundschüler unter den Baum legen könnte je nach Anspruch auch ein Angriffspunkt. Das sollte klar sein.

Aber leider ist es auch so dass es seinen Charme und Flow auch wenn er zündet nicht über die komplette Spielzeit auf diesem hohen Niveau über die Ziellinie bekommt. Das letzte Drittel markiert hier in vielfacher Sicht einen Bruch. Ein anderer User schrieb hier, Zitat, „und dann zerstört sich das Spiel von selbst“, ein Kritikpunkt den ich grundlegend mitgehen würde, wenn auch bei weitem nicht so gnadenlos harsch. Aber ja. Grundsätzlich schon. DQXI hält in den ersten zwei Spieldritteln einfach durchgehend diesen sweet spot der die oben angerissene Mischung unglaublich unterhaltsam gestaltet und hierbei mögliche Fallgruben dieser simplifizierten Ausrichtung gekonnt umschifft.
Und dann fängt er irgendwie auf allen Ebenen an zu stolpern.

Die Geschichte macht etwas das auf dem Papier interessant klingt, aber für mich nicht zum Flow der bisherigen Erzählung passt. Da wo man im Vorfeld attestiert es würde sich nicht künstlich strecken, fängt es plötzlich an diverse Komponenten zu wiederholen. Es kippt aus der Balance wo sich spielen und Filmchen kucken gelungen ergänzen und kommt mit zunehmend Geschwafel daher, bisweilen ist diese Mischung so kaputt dass es schon mehr den Charakter eines interaktiven Buchs bekommt, das leider gar nicht mal so interessant ist. Es fühlt sich fast so an als ob hier irgendwie Entwicklungszeit gefehlt hätte, weil es einfach an wirklich allen Fronten Einbußen zeigt und Dinge die in den ersten zwei Spieldritteln funktionieren plötzlich ungewohnte Risse im Lack aufzeigen. Recycling statt Abwechslung, kein spürbarer Fortschritt beim mächtiger werden, ja selbst die Recaps sind nicht mehr so gut und griffig geschrieben, hinzu kommt dass man nun auch etwas herumirren kann weil Ziele nicht mehr so klar sind, so dass die unbeschriftete Karte die bis dato gar kein Problem war, zum Nervfaktor werden kann.

Also ja, da ist ein gewisser Bruch und ein qualitativer Abfall den ich persönlich schon als klar ersichtlich einstufen würde, und es bedauerlich finde dass das Spiel seine tolle Pace nicht über die komplette Spielzeit getragen bekommt. Das Spiel kippt halt von super zu nett. Ich weiß nicht wie streng man damit ins Gericht gehen sollte, mich persönlich hat es jetzt nicht davon abgehalten diese Reise auch abschließen zu wollen, wobei ich dann beim Abschluss auch gedacht habe, okay, ist auch gut jetzt, statt wehmütig zu werden.
Unterm Strich bin ich trotz der Probleme im Schlussdrittel aber unheimlich happy mit dem Spiel und dankbar dafür dass es wieder den Jungen In mir ausgraben konnte der sich einst in dieses Genre verliebt hat bevor diese Liebe mit der Zeit komplett verschütt ging.


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