Thema:
Crunch - Ausbeutung wie im 19. Jahrhundert? flat
Autor: Fritz Schober
Datum:06.08.19 12:50

Hier das Problem in einem Video von Hasan Minhaj präsentiert:
The Dark Side of the Video Game Industry
[https://youtu.be/pLAi_cmly6Q]

Crunch, wie die meisten hier wissen, ist eine Phase am Ende einer Produktion wenn viele Dinge gleichzeitig passieren, man eine Deadline erreichen will und von den Mitarbeitern erwartet wird dass sie massiv Überstunden leisten.

Das wird, wenn das Team das Projekt mit Begeisterung trägt, durchaus freiwillig oder gerne gemacht. Aber das ist halt sehr oft nicht der Fall.

Viele arbeiten um ihre Familie zu ernähren und finden diese oft unbezahlten Überstunden nicht toll und Crunch ist gesundheitlich belastend. Dazu kommt dass die Crunch Phase nicht wie in anderen Branchen 2-4 Wochen ist sondern oftmal 6 Monate und mehr anhält. Mit anderen Worten: Arbeiter/Angestellten Ausbeutung als Default Setting.

"Keiner zwingt die da zu arbeiten" oder "wenn man bei Firma XY arbeitet weiß man ja vorher dass die dort crunchen, die sind deswegen ja so toll" hört man dann oft. Mit der Argumentation müsste man jede Form der Ausbeutung toll finden, egal wo, sofern man kündigen kann ist alles super?

Arbeitslos sein ist für die meisten keine Option, schon gar nicht wenn sie Kindern haben. Zudem ist es in der ganzen Branche jetzt wohl normal dieses Dauercrunchen zu verlangen. Es ist ja nicht so, dass crunchen nur von ganz wenigen verlangt wird.

Wir hatten so eine Situation schonmal, in den Fabriken am Ende des 19. Jahrhunderts. Marx schrieb daraufhin sein "Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie" welches eine ganze politische Bewegung erzeugte.

Mit anderen Worten, wir haben eine Branche in der die Ausbeutung des Arbeiter wieder normalisiert, welche früher mal durch Gewerkschaften und Gesetze unterbunden wurde. Aber in dieser jungen Branche gibt es fast nie Gewerkschaften und man erwartet auch viel subtiler dass die Leute "freiwillig" die Überstunden leisten. Weil ansonsten der Rausschmiss droht. Kündigungsschutz ist nämlich auch fast nicht existent (die Kündigungsgründe werden halt so hingedreht dass man an den bestehenden Gesetzen vorbeikommt).

Die Branche ist mittlerweile größer als Hollywood und dort hat man damals auch Gewerkschaften gegründet (Ronald Reagan war in seinen jungen Jahren übrigens Präsident der Schauspielergewerkschaft).

Es ist an der Zeit dass die Rechte für die Angestellten in der Videospielebranche nun auch respektiert werden. Die Zeit der "ein paar coole Typen schlagen sich fröhlich und freiwillig die Nächte um die Ohren um ihr persönliches Traumspiel zu basteln" ist vorbei. Das ist ein Multimilliardengeschäft mit tausenden von Angestellten welche einfach nur einen Job machen und wenig bis keinen kreativen Input haben und nicht frei darüber entscheiden können ob sie den Crunch mitmachen wollen sofern sie sich nicht leisten können gefeuert zu werden.

Modedit: Im Thema und im Text 20 Jahrhundert durch 19. Jahrhundert ersetzt und ein Fragezeichen im Thema hinzugefügt.


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