Thema:
Mein Name ist Pezking, und ich habe keinen Bock mehr... flat
Autor: Pezking
Datum:31.07.19 18:24

...für Spiele Geld auszugeben.

So der etwas reißerische Titel dieses Postings, das mir schon lange im Kopf herumschwirrt.

Nein, ich höre nicht auf mit Zocken und nein, ich bin nicht frustriert und suche Rat. Das hier ist nur die Bestandsaufnahme meines aktuellen Zustands als passionierter Videospieler Anfang 40.

Am besten gehe ich hierfür chronologisch vor. Ich versuche dabei, mich möglichst kurz zu fassen.

Los ging es bei mir im zarten Alter von zehn Jahren. Vater kaufte sich einen C-128 D, stellte ihn ins Wohnzimmer und brachte laufend Raubkopien von der Arbeit mit. So war das 1987 nun mal. Und so blieb das auch einige Jahre. Dennoch wünschte ich mir schon damals immer wieder Originalspiele zu Geburtstag und Weihnachten. Zusätzlich zu den RKs. Weil ich gerne durch die Spieleabteilungen in den Kaufhäusern schlenderte und mich nicht nur die Spiele an sich faszinierten, sondern auch deren Verpackungen.

Mit einem kompletten Originalspiel in der Hand manifestierte sich schon damals für mich erst so richtig dessen tatsächlicher Besitz.

Weiter ging es 1992 mit einem Amiga 500+. Ich hätte schon damals lieber ein Super Nintendo gehabt, aber meinen Eltern war ein Daddelgerät aus pädagogischen Gründen mit Tastatur viel leichter zu vermitteln. Dämlich, aber was soll's.

Natürlich hatten viele Schulkameraden auch einen Amiga, und so füllte sich abermals schnell meine Diskettenbox mit Raubkopien. Meine Leidenschaft für Originalspiele wuchs jedoch immer mehr. Als Einziger aus meinem Freundeskreis kaufte ich auch regelmäßig Spiele, die mir besonders wichtig waren. Weil es mir etwas bedeutete, die Sachen in der Hand halten und auf meinem Regal über dem Rechner anschauen zu können. Konsequent aufgegeben habe ich Raubkopien jedoch trotzdem nicht. Ich war ja mit 15 schließlich auch nicht Krösus. Ich verzichtete nie aus irgendeinem Unrechtsbewusstsein auf RKs - ich wollte einfach nur lieber Originale besitzen. Das war stets kompletter Eigennutz.

Dann ging es endlich los mit Konsolen. GameBoy und SNES kamen ins Haus, der Amiga war schlagartig abgemeldet, weil sich mein langjähriger Verdacht schnell bestätigte: Spiele aus Fernost sprachen mich einfach noch viel mehr an.

Damit war dann auch das Thema Raubkopien durch. Ich kaufte mir im Jahr von meinem Taschen-, Geburtstags- und Weihnachtsgeld vielleicht so gute 15 Spiele und war selig. Ich war damit ein viel zufriedenerer Zocker als zuvor mit wöchentlich neuen Raubkopien. Ich hatte meine Mitte als Videospieler gefunden.

Weiter ging's zum Zivildienst. Dort brachen dann alle Dämme: Plötzlich hatte ich jeden Monat ein paar hundert DM zum Verjuxen übrig, und die steckte ich komplett in Spiele für Playstation, Saturn und N64. Ich wurde zum Alleskäufer und Alleszocker. Mein Spieleregal füllte sich immer mehr, ich schaute über den Tellerrand, verlagerte meinen Fokus immer mehr in Richtung Importe - ich fühlte mich wie der Videospiele-Don meiner Heimatgemeinde. Kompletter Durchblick, alles am Start - das hat schon Spaß gemacht!

Dann folgte die Bankausbildung, noch mehr Kohle, noch mehr Spiele...und mir fiel in all den Jahren nicht mehr im Traum ein, mich irgendwie mit RKs zu beschäftigen. Ich konnte und wollte alles kaufen und besitzen.

Die nächsten Jahre spule ich mal vor. Das ging alles kontinuierlich so weiter: PS2, GBA, Gamecube, Xbox, DS, Xbox 360, Wii, PS3...

...da fing es langsam an, komisch zu werden. Was ich vielleicht an dieser Stelle noch festhalten sollte: Ich war immer nur ein Freak für Spiele. Nie für Hardware. Hardwarekäufe waren für mich stets notwendige Übel. Und ich hatte auch nie ein weiches Herz für ältere Versionen von Spielen. Ich wollte stets nur die beste Version besitzen.

Mit der Onlineanbindung der 360 und der PS3 wurde es nun langsam weird. Patch hier, DLC da - ging mir voll gegen den Strich. Das Gefühl des Besitzes von Videospielen wurde so schon stark verwässert. Aber da ich immer noch Spiele kaufen und ins Regal stellen konnte, blieb zumindest die physische Komponente meines Sammelns erhalten, auch wenn in den Hüllen längst nicht mehr 100% des Spiels steckten.

Dann wurden die Konsolen immer fehleranfälliger. RROD, YLOD...das gab meiner eh schon immer eher lieblosen Bindung zu Konsolenhardware endgültig den Todesstoß.

Und schließlich setzten sich HDTVs durch. Große, flache Bildschirme, die einerseits einen tollen Fortschritt bedeuteten - auf denen andererseits aber alte Konsolen plötzlich komplett scheiße aussahen.

Gleichzeitig kam hier wieder meine latente Hardware-Unlust zum Tragen: Ich habe keinen Bock drauf, unnötig viele Fernsehgeräte zu besitzen. Ich war eher einfach nur froh, dass massive Röhrengeräte schlagartig der Vergangenheit angehörten.

2005 hatte ich das Gefühl, dass mein damaliger Fernseher eigentlich zu schlecht für meine neue 360 war. 2007 hatte ich dann den Eindruck, dass mein neuer Plasma die Wii nicht optimal darstellen konnte.

Das war schon ein Maß an Hardware-Verkomplizierung, auf die ich als eigentlich reiner Spiele-Fan so überhaupt keinen Bock hatte. Aber naja, was macht man nicht alles.

Dann ging es los mit der ganzen HD-Remaster-Welle...die ich stets begrüßte, weil ich ja möglichst immer nur die neueste und beste Version geschätzter Spiele besitzen will. Feine Sache, wenn ich hier und da ohne Reue wertvolle Retroversionen abstoßen konnte! Und mein altes SNES machte gegen das SNES Mini plötzlich keinen Stich mehr, weil nur letzteres wirklich gut zu meiner heutigen Glotze passte.

Sucks to be you, Retrokonsole!

Seit über zwölf Jahren ist es jetzt jedenfalls so, dass ich zwar weiterhin meine Originalspielkaufleidenschaft ausleben kann - sich diese aber immer unzeitgemäßer anfühlt.

Der Besitz von physischen Originalspielen fühlt sich heutzutage einfach nicht mehr aufrichtig wie die beste Art des Konsums an.

- Spiele auf Datenträgern sind unvollständig.

- Man muss Spiele heutzutage nicht besitzen, um sie irgendwann mal zocken zu können. Sie sind stets völlig spontan erhältlich. Die reine Verfügbarkeit in eShop & Co. macht den tatsächlichen Besitz fast schon obsolet. Eigentlich sind Shopfronten heute die neuen Spieleregale. Alle digital erhältlichen Spiele sind auch schon ohne Kauf mein potenzielles Backlog!

- Spiele verlieren immer schneller an Sammlerwert. Nicht nur monetär, sondern für mich auch ideell. Was juckt mich jetzt noch meine PS3-Version von Arkham Asylum? Das Spiel gibt's längst auch schon für PS4! Und dieser Trend wird sich durch immer weitere Remasters und Mini-Konsolen auch nicht mehr ändern. (Einzig bei PS4-Spielen könnte die Abwärtskompatibilität der PS5 hier hilfreich sein.) Und falls Spiele doch plötzlich nicht mehr immer und immer wieder neu aufgelegt werden, werden mir spätestens neue TV-Technologien den Anschluss alter Geräte verleiden.

Die Spieleindustrie hat sich in den letzten Jahren so drastisch verändert, dass ich angefangen habe, mir ein bissi bescheuert dabei vorzukommen, den Kram immer noch so zu konsumieren wie vor 20 Jahren.

Die Dödel haben es geschafft: Ich bin an einem Punkt angelangt, an dem mir das Sammeln nichts mehr bedeutet. Das Videospielen an sich ist heutzutage ein Service. Das fängt schon mit der Erreichbarkeit der e-Stores der Konsolenhersteller an. Dort ist alles da und (gegen Geld) verfügbar. Es macht aus meiner Sicht NULL Sinn mehr, sich irgendwas auf Vorrat zu kaufen. Geld am besten genau dann ausgeben, wenn man akut loszocken will.

Dennoch werde ich weiterhin physische Spiele kaufen. Weil ich mich nach wir vor schier davor ekele, allzu viel Geld für digitale Güter auszugeben. Denn für mich persönlich haben digitale Güter keinen höheren Wert als Raubkopien. Zur Erinnerung: Ich habe Originalspiele seit jeher nur aus Eigennutz konsumiert, weil mir der Besitz etwas bedeutet hat. Nie aus moralischen Gründen. Und diese Sichtweise hat sich bis heute nicht geändert.

Man muss nicht Sherlock Holmes sein, um zu erahnen, dass ich heuer wohl wieder auf Piratenkurs würde, wenn es denn so leicht wäre wie in der Spätphase des 20. Jahrhunderts. Wenn mir der physische Kauf und das In-der-Hand-Halten eines Videospiels nichts mehr bedeuten, geht ein großer Faktor für Kauflust verloren.

Aber, beruhigt Euch (vor allem Du, Wurzel!): Das ist in der Praxis eh kein Thema, weil ich keinen Bock auf gebannte Konten oder Konsolen habe und einfach längst viel zu faul bin, mich in so einen Quatsch nach jahrzehntelanger Abstinenz reinzudenken. Vermutlich gibt es für die aktuellen Konsolen eh keine allzu aktiven RK-Szenen mehr - und falls doch, dann lasst mich bitte in dem Irrglauben.

Nein, meine tatsächliche Konsequenz ist eine viel einfachere und gesündere: Ich betrachte das Videospielen nur noch als permanent verfügbaren Service außerhalb meines Besitzes. Da ist es dann wie mit dem Eintritt ins Kino oder zu einem Konzert: Man gibt nur Geld dafür aus, wenn man unbedingt rein will - nicht auf gut Glück.

Ich konsumiere Videospiele nur noch des Spielens wegen. Und ich will dabei so wenig Geld wie nur irgendwie möglich ausgeben. Habe ich was durchgespielt, wird es verkauft. Ist eine Konsole nicht mehr aktuell, landet sie bei eBay. Dabei zügele ich mich nicht in Sachen Aktualität, und ich werde auch keine Sekunde weniger zocken als früher. Aber der Spaß am Sammeln - der ist weg. Und das ist schade.

Noch blöder ist das allerdings für die Spieleindustrie, denn ich stecke mittlerweile viiieeeeel weniger Geld in mein Hobby. Herzlichen Glückwunsch, Ihr Vollidioten!

Jetzt wäre ich fast durch - doch halt: Natürlich bleibt eine Lücke übrig. Die bestenfalls wieder gefüllt werden soll. Denn ich habe ja schließlich gerne Spiele gesammelt. Und es hat mir viel bedeutet, Spiele zu kaufen, in den Händen zu halten und im Regal zu betrachten.

Ich denke, ein kleines Regal mit meinen allerallerliebsten Spielen wird bleiben. Und manche Spieleleidenschaft wird sich in Form von Merchandise materialisieren. Hier eine Figur aus Persona 5, dort ein Autogrammposter von Hideo Kojima...sowas halt. Meine Passion soll sichtbar und greifbar bleiben. Nur halt nicht mehr in Form von ein paar hundert Datenträgern an der Wand.

Ach ja, bevor jetzt jemand ins For Sale schielt und meine große Sammlungsauflösung erwartet: Ich habe hier einen schleichenden Prozess beschrieben, der in den letzten vier, fünf Jahren bereits ordentlich an Fahrt aufgenommen hat. Nur meine PS4 Pro biete ich gerade dort an. Weil ich im nächsten guten halben Jahr erst einmal nacheinander zehn Switch-Spiele durchzocken will. Und wer weiß...vielleicht halte ich es dann eh noch locker bis zur abwärtskompatiblem PS5 aus. Deren Launch-Lineup wahrscheinlich eh sucken wird. Und dann bin ich vielleicht froh, wenn ich noch Death Stranding und The Last of Us 2 in Reserve habe. :-)


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