Thema:
Gestern beendet flat
Autor: strid3r
Datum:27.06.19 10:29
Antwort auf:Bloodstained: Castlevania SotN Nachfolger von IGA auf KS von Guy

Meine eigentlich keine Spoiler drin zu haben, aber ganz empfindliche Leute sollten vielleicht trotzdem nicht weiterlesen.

Insgesamt solides Igavania mit überdurchschnittlichem Combat, aber richtig lausigem Bossdesign, die dem in Verhalten und Patterns nicht ansatzweise gerecht werden. Ein Mega Man wäre da per default übelst durchgefallen und da waren die letzten DS Vertreter - allen voran Ecclesia - in diesem Punkt wirklich um Welten besser. Leider sehr negativ überrascht in der Hinsicht.

Am Ende waren's knapp 16,5 Stunden auf dem Tacho und 99,4% der Karte. Mir fehlen wohl noch zwei optionale Bosse, um die ich mich aber vorerst nicht kümmern werde.
Sehr gefallen hat mir an dem Spiel die direkte Steuerung und wie stark die Special Moves der Waffen eingebunden wurden (und vor allem, wieviele unterschiedliche Eingaben samt guter Erkennung dieser es gibt). Auch das Shard-System ist, obwohl recht unübersichtlich und imo unnötig fragmentiert, sehr vielseitig und bietet in Verbindung mit den unterschiedlichen Waffentypen viel Spielraum, einen eigenen Spielstil zu finden. Das in Verbindung mit der Möglichkeit, Animationen zu canceln und dadurch recht mobil zu bleiben, hat das Spiel für mich über den Großteil der Spielzeit getragen. Es ist zwar absolut nicht nötig, aber man ist so immer gut beschäftigt und es ließ zumindest mich über recht eindeutige Designschwächen des Spiels hinwegsehen.

Grafisch fand ich es insgesamt auch durchaus gut, nachdem die Eindrücke nach den ersten paar Demos vor einigen Jahren ja nicht sehr optimistisch stimmten. Da haben sie sich aber wirklich gefangen und das Spiel sieht stellenweise sogar recht hübsch aus, während es imo durchgängig stimmungsvoll ist. Gerade der Himmel im Hintergrund ist oft toll in Szene gesetzt und es gibt Stellen mit guter Tiefenwirkung und nettem Lichteinfall. Auch der Detailgrad ist an manchen Stellen bemerkenswert. Leider schwankt das Niveau sehr stark und wirkt manchmal etwas hilflos überladen oder lässt ein wenig das Gefühl für die 2D-Perspektive vermissen. Tiefpunkte bei den Hintergründen sind dann meistens Stellen, bei denen irgendwelche Trümmer auf dem Screen sind. Das sieht in 99% der Fälle einfach nach polygonalem Müll und äußerst billig aus. Thematisch fand ich es auch etwas einseitig und zu stark geprägt von der Schloss-Thematik, auch wenn diese insgesamt am kompetentesten umgesetzt wurde. Die Abschnitte, die sich thematisch abheben, sind leider oft überraschend flott abgefrühstückt.
Die Animationen sehen jenseits von Miriam mit wenigen Ausnahmen weiterhin extrem crappy aus. Primär Johannes' Animation wenn er läuft ist ein absoluter Graus und fliegende Gegner bewegen sich viel zu ruckartig, während z. B. Kombination von Movement und Flugbahn der "Medusa-Köpfe" komplett out of place wirkt.
Technisch wäre es auf der PS4 insgesamt - abgesehen kurzen Rucklern, wenn das Spiel Kram nachladen muss - okay, gäbe es nicht ein paar Stellen, die die die Konsole unheimlich in die Knie zwingen. Das gilt primär für den Clock Tower, aber ganz extrem für einen bestimmten Boss gegen Ende, bei dem das Spiel ohne Witz nur noch in Zeitlupe läuft und kaum mehr Eingaben erkennt bei bestimmten Angriffen. o_O Da wird hoffentlich noch optimiert (aktueller Stand war Version 1.03).
Was die visuellen Aspekte angeht war ich eigentlich nur von den Gegnern wirklich enttäuscht, weil ich mir dazu noch kaum Gedanken gemacht und wenige gesehen hatte. Da fehlt es definitiv an Variation (zu verflucht viele Ritterrüstungen und Frösche…) und die Gegnerdesigns sind nicht ansatzweise so einprägsam, wie die der Castlevanias (auch wenn es Ausnahmen wie die kleinen Feen und Werwölfe gibt). Auch gibt es einfach zu viele Gag-Gegner und meine Fresse, wie sie wirklich an jede Ecke die Backer-Portraits gepackt haben, egal ob's passt oder nicht. Da hätte ich es besser gefunden, hätten sie dem einen großen Raum gewidmet, als es so zu regeln.
Die Musik ist imo insgesamt gut, aber eher als Untermalung. Sehr einprägsam fand ich den Soundtrack leider nicht.

Zum Leveldesign kann man Igavania-typisch nicht allzu viel sagen. Sind halt wie immer Gänge, in die ein paar Gegner platziert wurden und wo erwartungsgemäß (wie in allen Ablegern seit den GBA Teilen) die letzten paar Abschnitte irgendwelche nervigen engen Höhlen mit fliegenden und meistens unzugänglich in Wänden steckenden Gegnern sind. Generell hat das Spiel teils sehr fragwürdig platzierte Gegner samt Lauf- bzw. Flugbahn.
Das Leveldesign wird immerhin stellenweise durch ein paar simple Platforming- und Rätsel-Räume aufgeklockert und es gibt einen Abschnitt, der sich insgesamt etwas anders spielt, was ganz nett ist.
Die Struktur der Map kann man wohl als gut bezeichnen, auch wenn der Progress an ein, zwei Stellen etwas… seltsam geregelt ist. Bin mindestens zwei Stunden der Spielzeit komplett ahnungslos durch die Gegend gelatscht, weil keinen blassen Schimmer, was als nächstes zu tun ist, bis ich es gerafft hatte. Die Schlüsselpunkte sind also evtl. nicht so einprägsam, wie sie sein sollten. Es geht aber definitiv ohne Hilfe mit etwas Grübelei, wenn man aufmerksam die Skills verfolgt.
Teleporter und Speicherräume sind ziemlich gut platziert und unnötige Laufwege halten sich dank dessen in den meisten Fällen in Grenzen. In dem Punkt ist es viel besser als z. B. Dawn of Sorrow, welches ich davor gespielt hatte und mir dank der dumm platzierten Teleporter extrem auf den Wecker gegangen ist. Der Tower ist btw. dank der Rotation imo etwas verwirrend und gerade der Eingang mit dem Übergang unglücklich geregelt und ich bin gespannt, was dieser an vemutlich kaputtem out of bounds Zeug für Speedruns zulassen wird. ;)

Die Bosse sind der mit Abstand größte Schwachpunkt des Spiels. Wird dem Großteil der Spieler vermutlich nicht aufallen, da man sich in dem Genre eh meistens mit Items, Magie oder kaputten Skillsets durch's Spiel wurschtelt und oft überlevelt ist, so dass Schaden kein Problem darstellt. Aber holy shit, ist das Design der Patterns und Hitboxen teilweise beschissen. Es gibt eigentlich nur Bosse, die Kanonenfutter sind und absolute Simpelpatterns haben, oder aber solche, die viel zu oft unberechenbaren Scheiß machen. Bei letzteren handelt es sich meistens um die humanoiden Bossgeger. Da gibt's unsichtbare Hitboxen, die einen mit erheblichem Abstand noch treffen, ruckartige Animationen, die keinerlei Reaktionen zulassen und Patterns die keine sind, weil absolut von Willkür geprägt (es gibt z. B. Gegner, die einfach unvermittelt und superschnell in einen hineinspringen)… Wenn man das Spiel hier versucht ernst zu nehmen, fällt man gut auf die Fresse und man kann sich letztendlich bei manchen Bossen, wenn man diese "sauber" bekämpfen will, nur auf Distanzwaffen und ganz wenige Zeitfenster für Angriffe verlassen, wenn überhaupt. Richtig schlecht und extrem schade, wenn man bedenkt, was für Möglichkeiten einem das Combat hier eigentlich bietet, gerade mit Blick auf den Parry, der hier zumindest ein bisschen was rettet.

Die Handlung des Spiels ist nicht der Rede wert, allerdings fand ich zumindest Miriam und Johannes gelungen. Der Rest bleibt einfach viel zu blass, als dass da ein prägender Eindruck entstehen könnte und der Storyverlauf ist wie gewohnt sehr vorhersehbar. Aber ist ja eher zweitrangig für das Genre, auch wenn's schade ist, dass es keinen ähnlichen Moment wie Alucards Rückblick in SotN gab. Man hat SotN ja in so vielen Punkten wie selbst der groben Map-Struktur stark kopiert, warum also nicht auch hier? Und Zangetsu oder irgendein anderer Charakter hätte hier ausreichend Potentiel geboten. Der Abspann (wenn es denn wirklich der richtige war, den ich nun gesehen habe) war etwas sehr lieblos, aber naja, war in SotN ebenfalls nicht viel anders. Allerdings hatte ich bei so einem Passion Project etwas mehr erwartet.

Insgesamt hat das Spiel, von den Bossen abgesehen, ziemlich genau das geliefert, was ich erwartet hatte. Es ist weder das neue SotN, noch ein hässlicher wannabe. Einfach ein solides und stimmungsvolles Igavania, welches vieles von SotN recycelt, einige gute Errungenschaften in Sachen Combat der Nachfolger einbindet und auch gekonnt eigene Elemente hinzufügt. Auch, wenn es sicherlich viel Potential für Verbesserungen gibt, sollte es jeden gut unterhalten, der etwas mit diesem Genre anfangen kann. Und obwohl ich die Bossfights so enttäuschend fand, hat es mir persönlich besser gefallen, als die in diesem Punkt eigentlich kompetenteren DS-Igavanias.


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