Thema:
Lieber verspielt als totgearbeitet... flat
Autor: JPS
Datum:24.05.19 19:38
Antwort auf:Das Leben verspielt von Optimus Prime

Im Zweifel stört mich in der Nachbetrachtung eher die Zeit und vor allem Energie die mich meine Arbeit kostet. Denn die geht im Gegensatz zu Videospielen tatsächlich vom produktiven/kreativen Kontingent meiner Lebenszeit ab und reduziert damit die Möglichkeit mich näher an meinen Wunschvorstellungen zu verwirklichen.

Den Großteil meines Lebens war ich in der IT tätig, wo dann doch hinter vielen Supportfällen oder Projekten direkt größere Ausfallzeiten und Kosten stecken und man somit immer hohe und bei Bedarf spontane Einsatzbereitschaft und saubere und genaue Arbeitsweise an den Tag legen muss.

Oft nimmt man Probleme auch geistig mit in die Freizeit oder muss im Zweifel auch nach Feierabend oder am Wochenende ran, wenn sich irgendwo ein Notfall ergibt. Klar kommt das nicht jede Woche vor, aber allein die Möglichkeit, dass es passieren kann, löst zumindest bei mir einen gewissen dauerhaften Druck aus, den ich bei anderen, weniger verantwortungsvollen Jobs nicht hatte.

Und das ist dann eben wirklich Zeit und Energie, die einem an anderen Stellen fehlt.

Videospiele und auch das darüber informieren, ist für mich hingegen Entspannung und wie Du selbst bzgl. der schubweisen Kreativität schreibst, kann man Zeitfenster der Entspannung und Zeitfenster der Kreativität/Produktivität nicht einfach beliebig untereinander austauschen.

Es ist also nicht so, dass ich in der Entspannungszeit stattdessen die Welt hätte retten oder den genialen Geschäftsplan zum Millioneneinkommen hätte entwickeln können. Ich hätte im Wesentlichen nur die Videospiele gegen eine andere entspannende Tätigkeit tauschen können - und wenn ich mir da die Hobbies von anderen Leuten anschaue (oder noch schlimmer Leute die gar keine Hobbies haben oder sich zum Workaholic entwickeln), würde ich mich immer wieder für die Videospiele entscheiden. IMO befinden wir uns mit diesem Hobby durchaus in der oberen Hälfte der erstrebenswerten Freizeitbeschäftigungen.

Das klappt natürlich nur, wenn man die Videospiele als Entspannung wahrnimmt. Jede Form von Zwang (Komplettierung von Spielen und Achievements, Anwesenheit in Communities, Tages-Boni und zeitlich begrenzt verfügbare Missionen, etc.) läuft dem entgegen. Wenn ich sowas bemerke breche ich daher sehr schnell ab und vermeide ähnlich Spielerfahrungen. Das führt dann auch dazu, dass ich im Jahr maximal 5 Spiele tatsächlich bis zum Abspann durchspiele - den Rest breche ich ab, sobald ich das Gefühl habe, dass mir ein anderes Spiel mehr Entspannung und/oder Unterhaltung bieten würde.

Das einzige was ich noch nicht abstellen konnte ist der Zwang/Wunsch mehr Spiele zu besitzen als ich tatsächlich spielen kann - daran sollte ich arbeiten, da es mir indirekt vermutlich ein paar Jahre frühere Rente ermöglichen würde. Das Einbeziehen solcher langfristigen Auswirkungen ist für mich tatsächlich schwierig - obwohl ich es irgendwo schon im Hinterkopf habe.

Die Idee etwas hinterlassen zu wollen spornt mich gar nicht an. IMO ist das für 99,9% der Menschen abgesehen von etwas Vermögen für Kinder und Enkel gar nicht möglich.

Welche Menschen die vor 500 Jahren gelebt haben, haben denn etwas hinterlassen, das jetzt noch Einfluss auf die Welt und jetzt lebende Menschen hat? Selbst wenn man nur 100 Jahre zurückgeht, dürften wir schon im niedrigen, einstelligen Prozentbereich liegen.

Und auch bei den 0,1% die etwas hinterlassen haben, dass mehrere hundert Jahre später noch von Bedeutung ist, musst man nur nochmal 1000 Jahre drauf packen um auch das in die Bedeutungslosigkeit verschwinden zu lassen. Und was sind 1000 Jahre umgerechnet auf das Alter unseres Universums?

Von daher macht es IMO viel mehr Sinn im Jetzt zu leben und zu versuchen das Leben von Mitmenschen zu bereichern, anstatt zu versuchen gezielt etwas für die Nachwelt zu schaffen. Aber dafür braucht man halt auch Zeit und Energie - und zwar die aus dem kreativen/produktiven Kontingent, nicht aus dem Entspannungs-Kontingent.

Im Entspannungs-Kontingent kannst Du höchstens Deiner Familie Geborgenheit geben und diese umgekehrt zurückbekommen - das aber halt auch nur, wenn Du das Glück hattest einen Partner zu finden, mit dem Du wirklich auf einer Wellenlänge liegst. Ansonsten ist das Entspannungs-Kontingent erst mal für Dich und Deine eigenen Bedürfnisse da, damit Du Energie nachtanken kannst. Und dabei musst Du im Rückblick auf Dein Leben eben gerade keine Produktivität, Leistung oder besonders effektive Zeitnutzung nachweisen.


< antworten >