Thema:
Far Cry 5: Von Ficktrompeten und Donnerfotzen flat
Autor: token
Datum:17.04.19 16:31
Antwort auf:„Ich zocke gerade“ - Thread No. 26 von wantan

Wer sich über den Header wundert, das sind Stilblüten der deutschen Lokalisation die ich hier als Clickbait verwurstet habe.
Hallo.

FC ist so eine Serie mit der ich bislang nicht viel anfangen konnte. Frühere Spiele waren mir zu offen, ich fühlte mich da nie wirklich auf Schiene. Meinen letzten Versuch hatte ich dann mit FC4, wo ich rasch genervt war von tödlichen Spamattacken von Wildviechern und einer mich ermüdenden Gleichförmigkeit, bei der mich weder Landschaft noch Szenario einfangen konnten um so über den eintönigen Loop hinwegsehen zu können. Ich war nur genervt und gelangweilt.
Für Umme auch mal in FC3 und Blood Dragon reingeschaut, aber auch das war irgendwie nix für mich.

FC5 hab ich zum Release ignoriert, aber ich hatte es im Grunde ständig im Hinterkopf. Weil das Szenario bei mir einen Nerv getroffen hat. Eine Open World wie aus "Aus der Mitte entspringt ein Fluss", Sektenscheiß, Hillbillies und eine große Prise 70er mit Schnauzbärten, langen Haaren, Verschwörungen, Durchgeknallten und Drogen. Jau! Ist mein Ding! Bei jedem Trailer hatte ich genau dadurch Bock.
Aber Ubi mit ihrem Kackwriting, und FC das bislang nicht so recht zünden wollte, also halt Nice Price. Irgendwann. Und dank neuartiger Preispolitik die den erwarteten Preisabsturz nach 6 Wochen ausblieben ließ, war es erst jetzt so weit.

Und was soll ich sagen, ich bin mittlerweile regelrecht begeistert davon was hier abgeliefert wird. Fangen wir mal bei der Technik an. Ich hab es auf der X geholt, echtes 4K, knackescharf bis in den letzten Winkel, und trotz der offenen Welt und seinen Möglichkeit bleibt es wirklich fast durchgehend wie festgenagelt auf den 30fps, kein Vergleich zum Gezuppel bei AC.
Die Landschaften und Wälder und Gewässer sind hierbei auch sinnig und glaubhaft aufgebaut und haben natürliche Restriktion so dass es insgesamt sehr viel Spaß macht einfach nur durch die Welt zu schlendern.

Das Spielprinzip nimmt sich hierbei von der Gestaltung den Grundgedanken OW und Freiheit sehr zu Herzen. Man kann von den Reihenfolgen so frei agieren dass man im Grunde einfach nur seiner Nase folgen kann. Es gibt drei Gebiete die im Würgegriff von jeweils drei Untertanen des Sektenführers liegen, mit Krempel den man da macht schraubt man den Widerstand in die Höhe, steigt der Widerstand steigt auch die Gegenwehr im Gebiet, irgendwann kann man dann den Boss hopps nehmen und die Gegend befreien, wodurch die Gegenwehr im Gebiet auf ein unteres Maß runtergefahren wird.
Dieses Prinzip ermöglicht ähnlich wie in BotW dass man machen kann was man will in der Reihenfolge wie man es will und sich so immer seine eigenen kleine Ziele setzen oder einfach nur rumstreunern kann.

In Punkto Gameplay bin ich wirklich EXTREM angetan wie gut alles was im Spiel ist funktioniert. Gunplay macht Bock. Fahrzeugsteuerung auch griffig, recht klebrig und doch mit dem richtigen Maß an Anspruch. So wie der ganze Rest auch, sauguter Sweetspot zwischen Intuititvität, Zugänglichkeit, Anspruch, Funktionalität und Spaßigkeit. Alles macht Laune. Ganz dickes Sonderlob für Flugzeuge, und auch da dicker Pluspunkt für mich dass mit den Propellermaschinen samt MGs und Bombenabwurf geradezu Wings-Feeling aufkommt.
Auch Angeln macht sehr viel Laune und ist cool inszeniert, mit dem Wingsuit hat man ein cooles Spaßmobil um von Klippen herab längere Distanzen zu machen. Auch Kletterhaken finden sinnige Anwendungspunkte wo es teils Geschicklichkeitsaspekte gibt wie schwingen, ausklinken und am nächsten Haken einklinken.

Hach, mir macht hier einfach alles Spaß, eine schöne Balance aus überschaubaren Aufgabentypen und Umfang, so dass es für ausreichend Abwechslung sorgt, aber nicht ermüdet. Richtig cooler Krempel wie etwa die Prepper-Verstecke wo man Skillpoints findet, und wo jeder einzelne mit viel Liebe gebaut wurde und so kleine richtig abwechslungsreiche Adventureeinlagen anbietet. Stuntmissionen, erstes Spiel wo mir sowas Spaß macht, wo man die Abenteuer des größten Stuntmans aller Zeiten nachspielt, eine Parodie die tatsächlich so lustig geschrieben ist dass ich aufrichtig lachen muss, und die Aufgaben auch Laune machen.

Apropos Writing. Was hab ich schon auf Ubi draufgehauen wie sie das immer wieder verkacken. Mit solchen Tiefpunkten wie etwa Watchdogs. Man muss da schon froh sein wenn es einfach nur okay ist und nicht nervt.
Hier finde ich das Writing richtig super. Klar, mich macht das Szenario eh an, aber das muss man auch erstmal so auf die Straße bringen.
Das coole ist, obwohl das alles mitten in Amerika und in unserer Zeit spielen soll, also maximal unglaubwürdig ist vom inhaltlichen Aufbau, schafft man es hier eine Art Miniuniversum zu erschaffen wo es keine Rolle mehr spielt weil es in sich konsequent und stimmig ist. Es gibt einfach keinen Anlass das irgendwie zu hinterfragen weil es für sich alles funktioniert und überzeugt.

Weiter schafft man es, einerseits die ernste Schiene mit Gewalt, Unterdrückung und Folter zu fahren, das ganze aber halt auch mit extrem viel Humor und geilen Brillen und Schnauzbärten eine angenehme Leichtfüßigkeit zu wahren. Auch hier ein toller Sweetspot wo der Humor die ernsten Untertöne nicht der Lächerlichkeit preis gibt, Charaktere und Jokes aber dennoch funktionieren und einen gut unterhalten.
Das Writing vieler Charaktere erinnert etwa an durchgeknallte GTA-Typen, aber genau die Prise dezenter um nicht anzustrengen.

Bei den Charakteren kommt noch hinzu dass man zwei Begleiter mitnehmen kann, und bestimmte Spezialisten dafür freischalten kann. An sich mag ich sowas nicht mit Begleitern, aber das hier überzeugt mich auch. Es ist kein Muss, es ist reduziert, und es ist hilfreich. Und irgendwie ist es auch cool mit diesen Features zu arbeiten und tierische Begleiter einfach nur Zucker. Allein wie liebevoll und cool die Animation für das streicheln ist, so süüüüüß.
Menschliche Begleiter sind aber auch super, die kommentieren viel und dabei entsteht ein Mehrwert ähnlich wie bei Mass Effect, weil sie was zur Gegend sagen, aber auch mal übereinander wenn man zwei Menschen einspannt, oder eben zu Situation.

Beim Missionsdesign auch viele viele richtig coole Ideen. Inszenatorisch geht schon das Intro mehr als gelungen ab, aber es gibt auch viele anderen sehr spaßigen und einfallsreichen Krempel. Hierbei werden auch Standardmissionen wie etwa in einer bestimmten Zeit mit einem Fahrzeug eine bestimmte Strecke zu fahren gelungen aufgelockert, diese an sich langweilige Variante erweist sich als total launig wenn eine schreiende und schimpfende Gebärende auf der Rückbank hockt und auf der Strecke noch paar absurde Skripte abgespult werden.

Gunplay macht mir auch Laune. Es ist alles recht einfach, einmal gespottete Gegner werden durchgehend gehighlightet, man kann aus der Distanz snipern oder mit Granaten und MGs die Sau raus lassen. Anspruchsvoll ist das nicht, aber sehr unterhaltsam und lädt zum experimentieren ein.

Mich stört hierbei lediglich das Waffensystem. Man kann nicht alle Waffen im Waffenrad ausrüsten sondern muss das immer bei einem Händler fest switchen. Bei vollem Ausbau des Charakters heißt das drei Slots plus ein Slot für eine Pistole, dazu noch Nahkampfwaffen. Das reicht im Grunde auch und man kann sich damit arrangieren, ich erkenne in dieser Restriktion nur keinerlei Mehrwert sondern eher ein Handicap. Und auch wenn jede Waffe Spaß macht und es alle denkbaren Varianten gibt, beschleicht das Gefühl dass auch in diesem Portfolio mehr drin gewesen ist.

Was mich hier im Grunde am meisten anmacht ist das Szenario, ich find das alles so unglaublich geil und in der Umsetzung ist es auch richtig gelungen. Aber auch insgesamt macht der Titel kaum was falsch, erlaubt freies Vorgehen, nimmt die gelungen modifizierte Ubiformel mit die den Spam zurückschraubt und selbst da noch gelungen verschleiert, und trifft im Grunde bei wirklich jeder Mechanik die richtige Mischung aus spaßigem Anspruch und zugänglicher Feierabendtauglichkeit.
Für mich ein richtiger kleiner Hit, der deutlich besser ist als ich es mir beim Kauf erhofft hatte.


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